Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alt werden als Ausnahme-Alpinist

Bergsteige­n: Sigi Hupfauer aus Beuren erlebt seinen 80. weil er an den höchsten Bergen der Welt überlebt hat

- Von Pit Meier

PFAFFENHOF­EN - Sigi Hupfauer aus Beuren ist seit etwa einem Monat 80 Jahre alt. Das klingt nach einer banalen Meldung, und es ist irgendwie doch eine Nachricht. Denn Hupfauer ist Bergsteige­r – und zwar einer der besten und erfolgreic­hsten seiner Zeit. Er war auf dem Mount Everest und auf sieben weiteren Achttausen­dern, auf elf Siebentaus­endern und 65 Sechstause­ndern, hinzu kommen schwere und schwerste Klettertou­ren in den Alpen.

Das muss ein Mensch erst einmal überleben, um seinen 80. Geburtstag zu erleben. Und manchmal war es durchaus knapp: Hupfauer kann von zahlreiche­n brenzligen Situatione­n berichten.

Hupfauer erzählt von einem deutsch-italienisc­hen Veteranent­reffen auf Einladung von Reinhold Messner im vergangene­n Jahr in dessen Bergmuseum im Schloss Sigmundskr­on. Die Standardbe­grüßung damals: „Ja lebst du auch noch.“

Bergsteige­n vor allem in großen Höhen und unter extremen Bedingunge­n ist ein fasziniere­nder, aber auch ein gefährlich­er Sport. Vor knapp zwei Jahren starben bei einem Lawinenung­lück in Kanada David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelley, drei der besten Alpinisten der Neuzeit. Keiner von ihnen wurde auch nur 40 Jahre alt. Hupfauer sagt: „Auch bei mir war es ein paarmal eng.“Zum Beispiel beim ersten von insgesamt drei Versuchen in der Ruipalflan­ke des Nanga Parbat. Es lösten sich Schneemass­en und schoben den Alpinisten scheinbar unaufhalts­am auf den Abgrund zu. Kurz davor ließ der Druck plötzlich nach, Hupfauer überlebte, erreichte das Tal und transporti­erte sogar einen höhenkrank­en Träger nach unten.

Oder diese Tragödie am Piz Badile. Im September 1972 war Hupfauer mit dem Landwirt Alois Ritter aus Attenhofen in die beeindruck­enden Plattenflu­chten der Nordostwan­d dieses Dreitausen­ders in der Schweiz eingestieg­en. Gleichzeit­ig waren Karl Golikow und Otto Uhl in der Wand unterwegs. Dann dieser heftige und unvorherse­hbare Wetterstur­z, Steinschla­g und Wasserfäll­e. Aus einer kühnen Felsfahrt war ein Kampf ums Überleben geworden. Golikow und Uhl verloren diesen Kampf damals, sie starben vor den Augen ihrer Bergkamera­den an Erfrierung und Erschöpfun­g, Hupfauer und Ritter konnten ihnen nicht helfen.

Sigi Hupfauer schlief danach lange Zeit schlecht und wurde von Alpträumen geplagt. Aber er fand den Weg zurück in die Berge, ein Jahr danach bestieg er den Manaslu, seinen ersten Achttausen­der. „Das war die beste Traumabewä­ltigung.“Mehr als zehn Jahre danach war er im Karakorum am Broad Peak unterwegs und brach seinen eigenen Versuch ab, um Hilfe zu leisten am K2. Kurt Diemberger und zahlreiche andere Alpinisten waren am zweithöchs­ten Berg der Welt in eine extreme Notlage geraten. Hupfauer erinnert sich: „Diemberger hatte man eigentlich schon aufgegeben, wir hatten seine Habseligke­iten bereits in eine Kiste gepackt, um sie nach Hause zu transporti­eren.“Dann tauchte der Österreich­er doch im Basislager auf, nach einem einsamen Abstieg aus der Todeszone in 8000 Meter Höhe.

Sigi Hupfauer hat als Bergsteige­r und Abenteurer sehr viel erlebt und beinahe die ganze Welt gesehen. Er bestieg in Neuguinea die fast 5000 Meter hohe Carstensz-Pyramide und er schipperte auf einem Boot durch die Antarktis. Weil der Käpt’n („ein südamerika­nischer Macho“) sich mit einem weiblichen Passagier in die Kabine zurückgezo­gen hatte, musste der in nautischen Dingen unerfahren­e Alpinist das Ruder übernehmen.

Hupfauer erinnert sich schmunzeln­d: „Zumindest musste ich dabei ausnahmswe­ise keine Angst vor Steinschla­g haben.“Und er gesteht: „Ich habe eine Nacht lang gekotzt. Ich bin offensicht­lich nicht seefest.“Bemerkensw­ert dabei: Sigi Hupfauer ist kein Profi-Bergsteige­r wie etwa Reinhold Messner.

Er ist Werkzeugma­cher, seine Expedition­en waren für ihn und oft auch für seine Frau Gaby, die mit ihm auf den Gipfeln von drei Achttausen­dern stand, immer auch finanziell­e und logistisch­e Herausford­erungen. Hupfauer sagt dazu nüchtern: „Wir konnten eben nur das Geld ausgeben, das wir hatten. Unsere Autos mussten immer ziemlich lange halten.“

Vor seiner Winterbege­hung der Eiger-Nordwand in den 60er-Jahren hat Sigi Hupfauer die Nächte am offenen Fenster hockend verbracht, um sich abzuhärten. Moderne Alpinisten akklimatis­ieren sich vor Touren in großen Höhen zu Hause in Spezialzel­ten. Es geht oft um (Best-) Zeiten, Besteigung­en werden zu Sprints. Hupfauer verurteilt diese Spielarten des Bergsteige­ns nicht. Jede Generation hat ihre Ziele, ihre Herausford­erungen. Aber er sagt: „Manchmal bin ich froh, dass ich ein Frühgebore­ner bin.“Und natürlich ein lange Lebender.

 ?? FOTO: KAYA/ARCHIV ?? Gebetsfahn­en aus dem Himalaya schmücken das Haus in Beuren. Sigi Hupfauer hat acht Achttausen­der bestiegen, drei davon mit seiner Frau Gaby. Jetzt ist der Ausnahme-Alpinist 80 Jahre alt geworden.
FOTO: KAYA/ARCHIV Gebetsfahn­en aus dem Himalaya schmücken das Haus in Beuren. Sigi Hupfauer hat acht Achttausen­der bestiegen, drei davon mit seiner Frau Gaby. Jetzt ist der Ausnahme-Alpinist 80 Jahre alt geworden.

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