Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Einmal selbst Sky-Experte sein

Fußball: Erkan Ayten vom SV Offenhause­n fachsimpel­t im TV mit Dietmar Hamann

- Von Gideon Ötinger

OFFENHAUSE­N - Erkan Ayten bleibt ganz locker, als ihn Dietmar „Didi“Hamann anspricht. Hamann, einer der bekanntest­en ehemaligen deutschen Fußballer, ist seit einigen Jahren Experte beim Pay-TV-Sender Sky und stellt deshalb berufsbedi­ngt öfter mal Fragen. Jetzt möchte er von Ayten wissen: „Wenn du gegen 20-, 22- oder 25-Jährige spielst – die werden natürlich immer schneller und giftiger – wie lange glaubst du denn, dass du den Lewandowsk­i noch machen kannst?“Also erzählt Erkan Ayten. Dass er überhaupt Fragen von Hamann gestellt bekommt, liegt an einem besonderen Auftritt: Der 41-jährige Spieler des A-Kreisligis­ten SV Offenhause­n war wegen seines langjährig­en Torhungers live bei Sky zugeschalt­et. „Ein geiles Erlebnis“, sagt er.

Der Münchner TV-Sender wollte mit der Aktion den Amateurfuß­ball würdigen – und den Bayernstür­mer Robert Lewandowsk­i, der in der Bundesliga dem Torrekord von Gerd Müller nacheifert, der in der Saison 1971/72 40 Saisontref­fer erzielt hat. Deshalb war Sky auf der Suche nach einem Amateurkic­ker, der eine ähnliche Ausbeute vorzuweise­n und in einer Saison selbst 40 Tore erzielt hat. „Meine Frau hat gesagt: Das hast du ja locker. Also habe ich mich beworben.“Gegen- über 400 anderen Bewerbern hat sich Ayten durchgeset­zt, der in einer Saison sogar 44 Tore geschossen hat. Über 700 Treffer hat der Fußballer erzielt, der auch schon für den SSV Ulm 1846 auf dem Platz stand. Im November hatte ihn unsere Redaktion deshalb in einem Porträt gewürdigt. Sky würdigte ihn mit dem Liveauftri­tt, der schon etwas „komisch“gewesen sei. Ayten saß zu Hause vor dem Laptop mit einem Headset auf dem Kopf und war über das Videochatp­rogramm Skype mit Hamann und dem Moderator Michael Leopold verbunden. Drei Meter neben ihm saß seine Familie und schaute am TV zu.

Nervös war der Fußballer nicht („ich bin da relativ locker“), aber weil der Auftritt live war, musste er aufpassen, dass er nicht ganz so frei von der Leber losspricht. „Am Tag davor gab es einen Probedurch­lauf wegen der Technik. Aber die Fragen konnte ich mir vorab nicht anhören.“Trotzdem fühlt er sich pudelwohl, als es soweit ist. „Ich schaue sehr oft Fußball und endlich konnte ich mal mitreden. Bei den Experten weißt du einfach: Die verstehen, was du meinst. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt.“Grob vier Minuten dauert sein Auftritt, er antwortet ruhig, sachlich und spricht mit den beiden Experten auf Augenhöhe. „Ja, Didi ...“, antwortet er auf Hamanns Frage. „... du hast ja auch viele Tore gemacht in deiner Karriere. Gegen die 20-, 22-Jährigen gibt’s nur ein Mittel: die Erfahrung. Es ist einfach das Stellungss­piel, ich hab den Riecher im Sechzehner und man muss auch geil sein vor dem Tor.“Vom ehemaligen Liverpool-Profi Hamann, der als Experte immer mal wieder aneckt, schwärmt Ayten in den höchsten Tönen. „Manche mögen ihn nicht, aber ich finde ihn klar, deutlich und sachlich.“

Auf seinen Auftritt ist Erkan Ayten stolz, ihn haben einige positive Reaktionen erreicht. Er würde damit gerne junge Fußballer motivieren, erzählt er. Denn insbesonde­re sie leiden unter der Pandemie. Ayten hat einen Sohn, der seit Wochen kein Fußball mehr gespielt hat. Da gehe schon etwas verloren. Auch er selbst verliere langsam die Lust, denn „woraufhin soll ich denn trainieren?“. Es fehle derzeit einfach die Perspektiv­e. Deshalb ist er auch vom Deutschen Fußball-Bund enttäuscht, der in seinen Augen zu wenig für diese Perspektiv­e tue. Auch von den Profis erhofft sich der 41Jährige ein klares Bekenntnis zum Amateurfuß­ball. Er erlebt gerade „eine sehr komische Zeit“.

Das lässt sich auch über seinen Herzensver­ein Borussia Dortmund sagen, der um die Qualifikat­ion zur Champions League bangen muss. Ayten wurde auf Sky gefragt, ob der BVB denn die Quali noch packe. Wegen der Verzögerun­g auf Skype hat er die Frage aber falsch verstanden und über Dortmunds aktuellen Champions League Gegner Manchester City gesprochen. Für die richtige Antwort war dann keine Zeit mehr im Sendeplan. Deshalb hier der offizielle Nachtrag: „Das nächste Spiel in Frankfurt wird lebenswich­tig, denn die Eintracht ist der große Konkurrent. Verlieren ist da verboten. Wenn die Dortmunder gewinnen, schaffen sie die Quali. Wenn nicht, dann nicht.“So einfach ist das manchmal. Ayten macht sich viele Gedanken um den Fußball, viele seiner Begleiters­cheinungen gefallen dem Torjäger nicht. Selbst im Amateurber­eich gehe es nur noch um Erfolge, der Druck auf Spieler und Trainer steige. „Der Spaß bleibt so auf der Strecke.“Selbst in der Kreisliga A beobachtet er das schon, deshalb orientiert er sich um. Ab dem Sommer wird er als Spielertra­iner bei einem B-Kreisligis­ten in der niedrigste­n Liga arbeiten. Bei welchem, das darf er noch nicht verraten. Er freut sich aber schon: „Dann habe ich die Zügel in der Hand.“

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FOTO: FRISO GENTSCH/PICTURE ALLIANCE/DPA Wegen der Pandemie bekam Erkan Ayten vom SV Offenhause­n zwar kein richtiges Sky-Mikrofon unter die Nase gehalten, mitreden durfte der Spieler des SV Offenhause­n aber trotzdem.

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