Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die K-Frage wird für die Union zum Problem
Noch ist offen, wer für CDU und CSU als Kanzlerkandidat ins Rennen geht – Laschet und Söder unter Druck
BERLIN - Liegt das Wolfratshausen des Jahres 2021 womöglich irgendwo an der A 3? Wird gar eine Autobahnraststätte auf halbem Weg zwischen Aachen und Nürnberg demnächst Schauplatz einer der wichtigsten Entscheidungen des Wahljahres? In Wolfratshausen klärten Edmund Stoiber (CSU) und Angela Merkel (CDU) 2001 bekanntlich, wer die Union als Kanzlerkandiat vertreten sollte. Es wurde Stoiber, der verlor, danach erst kam Merkels Stunde.
Nun steht wieder die Frage an, ob CSU oder CDU den geeigneteren Kandidaten für die Bundestagswahlen stellen. Der Druck auf Armin Laschet, bekanntlich aus Aachen, und dem Franken Markus Söder wächst jedenfalls, die Kanzlerfrage möglichst bald zu klären. Und zwar nicht etwa, weil es grad so gut läuft, sondern weil das Gegenteil der Fall ist: Umfrageabsturz, diverse Affären von Maskenbeschaffung bis Aserbaidschan-Unterstützung und die Rückschläge im Kampf gegen Corona setzen der Union zu. In diesem unerfreulichen Umfeld ist aus der offenen Kanzlerkandidatur, die eigentlich als Zeichen der Stärke inszeniert werden sollte, eine weiteres Problem geworden, das dringend gelöst werden muss. Was die Jobbeschreibung des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahlen im Herbst nicht gerade attraktiver macht.
In dieser desolaten Lage also treten die ersten in der CDU die Flucht nach vorne an. Nachdem das öffentliche Schweigen in der Sache erstaunlich lange gehalten hatte, machte CDU-Bundesvize Thomas Strobl am Wochenende den Anfang. „Die CDU in Deutschland möchte, dass unser Bundesvorsitzender Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wird und im Herbst auch Bundeskanzler“, sagte der baden-württembergische Landesparteichef. Offenbar aber hat sich, entgegen Strobls Wortwahl, doch noch nicht „die CDU in Deutschland“als Ganzes entsprechend positioniert. Denn prompt zitierte der „Spiegel“am Montag einige Bundestagsabgeordnete mit ihrer Unterstützung für Söder. Nun waren es, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade die einflussreichsten Persönlichkeiten, die sich da äußerten. Aber es könnten die ersten Kräuselungen vor der großen Welle gewesen sein. Auf die Frage nach dem Entscheidungsdruck
antwortet Laschet am Montag auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz einerseits wie immer, nämlich mit Hinweis auf den verabredeten Zeitplan, sich zwischen Ostern und Pfingsten zu einigen. „Dieser Zeitplan bleibt“, sagt Laschet. Andererseits fügt er hinzu: „Ostern beginnt bekanntlich am kommenden Sonntag.“
Söder sieht weniger Zeitdruck. „Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, warum diese Frage jetzt die Situation verbessern sollte“, wehrt er in den „Tagesthemen“ab. Grund für die Unruhe in der Union seien nicht die offene Kanzlerkandidatur, sondern zu wenig Impfstoffe, fehlende Teststrategien und nicht ausgezahlte Wirtschaftshilfen. Darum müsse sich die Union kümmern. Das wiederum klingt eher nach Pfingsten als nach Ostern. Tatsächlich war das Ringen um die Kanzlerkandidatur von Anfang an auch ein Ringen um den Termin. Söder war es immerhin gelungen, die Entscheidung von der Wahl des CDU-Parteichefs im Januar zu entkoppeln – und so seine Chancen zu wahren. Und auch jetzt kann Söder jeden zusätzlichen Tag gebrauchen, um das Momentum aufzubauen, das es bräuchte, den Chef der größeren Schwesterpartei zu verdrängen. Die Terminierung könnte also durchaus ein Indikator für den Ausgang der Sache sein: Je früher desto Laschet.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nutzt derweil, so scheint es, inzwischen jeden Tag. Vergangenen Mittwoch Konferenz mit der Mittelstands- und Wirtschaftsunion; 180 Leute in einer Videoschalte. Am Donnerstag digitale Kreisvorsitzenden-Tagung; zwei Stunden, 130 Teilnehmer. Am Montag Schalte mit den Ost-Verbänden. Und jene ziemlich spontane Pressekonferenz des Parteichefs. Hatte Laschet einen öffentlichen Auftritt nach den Landtagswahlen noch abgelehnt – „das macht der Generalsekretär“– lässt er nach der Präsidiumsberatung im Adenauer-Haus Rednerpult und eine Handvoll Presseplätze aufbauen. Die Botschaft: Verteidigung des Länderkurses in der Pandemie und Ausblick auf das CDU-Wahlprogramm. Die „Beteiligungskampagne“will Laschet am Dienstag mit einer Rede starten. Die CSU hat übrigens angekündigt, im Gegensatz zu 2017 auf ein eigenes Wahlprogramm verzichten zu wollen.