Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Einer wird gewinnen

CDU-Chef Laschet wäre gerne der Kanzlerkan­didat der Union – CSU-Chef Söder wohl auch

- Von Claudia Kling

BERLIN

- Spätestens bis Pfingsten will die Union bekannt geben, wer der Kanzlerkan­didat für die Bundestags­wahl 2021 sein wird. Die Spannung steigt inzwischen mit jedem Tag – und auch der Ton zwischen Düsseldorf und München klang schon mal entspannte­r. Klar ist, dass der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) unbedingt ins Kanzleramt strebt. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder hat sich noch nicht erklärt. Sein Platz sei in Bayern, hatte der CSU-Chef lange Zeit gebetsmühl­enartig wiederholt – doch das hatte ihm niemand so richtig abgenommen. Neuerdings sagt er, sein Platz sei überall, „man muss überall mit uns rechnen“. Derzeit sieht es so aus, als würde er schon wollen, wenn er denn gefragt wird. Im Folgenden die wichtigste­n Punkte, die für oder gegen die beiden potenziell­en Kandidaten sprechen. Denn sicher ist: Nur einer kann es werden.

Die Umfragen:

Wenn die Union die Kanzlerkan­didatur nach den aktuellen Umfrageerg­ebnissen der möglichen Bewerber entscheide­n würde, wäre die Angelegenh­eit schnell erledigt. Dann müsste CSU-Chef Söder sich ruckzuck mit dem Gedanken anfreunden, im Falle eines Wahlerfolg­s von CDU und CSU im Herbst 2021 nach Berlin umzuziehen – in die Stadt, der er bislang so gar nichts abgewinnen konnte. Denn nur ihn hält eine Mehrheit der Bürger in Deutschlan­d (56 Prozent) derzeit für geeignet, der nächste Kanzler zu werden. Armin Laschet trauen dies laut aktuellem Politbarom­eter März nur 23 Prozent der Befragten zu. Was für den NRW-Chef besonders bitter ist: Auch in der Union hat er keine Mehrheit hinter sich, nur 28 Prozent der Anhänger von CDU/CSU sprachen sich für ihn aus. Und es kommt noch dicker: Bei der Beurteilun­g von Sympathie und Leistung glänzt Söder auf Platz zwei direkt hinter Bundeskanz­lerin Angela Merkel, während die Werte für den CDU-Chef, der ohnehin bereits weit abgeschlag­en war, noch einmal nach unten gingen. Auch interessan­t: Bislang hieß es in der Union, vor allem von Laschet, dass die Kanzlerkan­didatur unabhängig von Umfragewer­ten entschiede­n werde. Am Osterwoche­nende sagte Söder in einem Interview: „Umfragen spielen natürlich eine Rolle. Sie sind ein wichtiger Maßstab für die Akzeptanz von Personen und Programmen in der Bevölkerun­g.“

Das Verhältnis zur Kanzlerin und ● das Corona-Management:

Auch in dieser Beziehung hat Laschet derzeit keinen Lauf. Seine

Kanzleramb­itionen rufen einem die Wegmannsch­e Fußball-Weisheit ins Gedächtnis: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“Bis zur Corona-Krise, die hauptsächl­ich mittels Ministerpr­äsidentenk­onferenz gemanagt wird, galt der NRW-Landeschef als Merkels Mann – im Hinblick auf ihre Nachfolge. Der Aachener hatte sich in der Flüchtling­skrise 2015/2016, als CSU-Chef Horst Seehofer kurz davor war, das Ende der Union einzuläute­n, eindeutig auf die Seite der Kanzlerin gestellt und ihre Politik verteidigt. Es war klar, dass derjenige, der Laschet wählt, Merkel-Politik bekommt. Der CDU-Chef selbst hatte sich in einer Karnevalss­itzung, durchaus selbstiron­isch, bereits als „Deutschlan­ds next Mutti“bezeichnet. Und nun das: Jetzt sagt der CSUChef, der inzwischen Söder heißt, Sätze wie: „Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik.“Und er fordert in der „Bild am Sonntag“, die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur „eng mit Angela Merkel“abzustimme­n. Laschet muss derweil in Talkshows erklären, warum die Kanzlerin gerade ihn namentlich genannt hat, als sie die Corona-Politik in den Bundesländ­ern kritisiert­e. Dass der neue CDU-Chef in seiner Rede zum Wahlprogra­mm feststellt­e, Deutschlan­d brauche dringend ein „Jahrzehnt der Modernisie­rung“, weil Staat und Verwaltung nicht mehr effizient genug seien, dürfte sein getrübtes Verhältnis zur Kanzlerin nicht unbedingt aufgehellt haben. Söder, Merkels Musterknab­e in Corona-Belangen, kommentier­te den Zwist mit den Worten, er finde es „sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzend­e mit der CDUKanzler­in ein halbes Jahr vor der Wahl streitet“. Wem er die Schuld an dem Streit gibt, war damit auch bereits gesagt.

Führungsqu­alitäten und andere Fähigkeite­n:

Armin Laschet gilt als freundlich­er Mensch, der als Regierungs­chef einer schwarz-gelben Koalition mit nur einer Stimme Mehrheit beweist, dass er unterschie­dliche Menschen beisammenh­alten kann. Er sei integrativ, heißt es deshalb über ihn. Und nett. Aber das Attribut „nett“ist für einen Politiker, der wichtigste­r Entscheide­r in Deutschlan­d werden will, eher schwierig. Der CDU-Chef sei der am meisten unterschät­zte Politiker Deutschlan­ds, sagen diejenigen, die ihm wohlgesonn­en sind – und verweisen auf seinen Wahlsieg in NRW, den ihm viele nicht zugetraut hatten. Andere bezweifeln dagegen öffentlich seine Führungsqu­alitäten, weil Laschet in der Rolle des entschiede­nen Entscheide­rs nicht wirklich überzeugen kann. Den Vorwurf mangelnder Führung muss sein potenziell­er Mitbewerbe­r um die

Kanzlerkan­didatur nicht fürchten. Söder gilt als jemand, der sein Ding durchzieht und nur dann einen anderen Weg einschlägt, wenn er merkt, dass seine Politik beim Wähler nicht gut ankommt – wie nach den Verlusten bei der bayerische­n Landtagswa­hl im Jahr 2018. Den CSU-Chef würde wohl selbst in der eigenen Partei niemand als „nett“beschreibe­n, sein Drang zur Macht ist vielmehr gefürchtet. Seehofer, sein Vorgänger als Ministerpr­äsident und an der CSU-Spitze, attestiert­e ihm einst, als Söder noch bayerische­r Finanzmini­ster war, einen Hang zu „Schmutzele­ien“und dass er „von Ehrgeiz zerfressen“sei. Von diesem Bild hat sich Söder, gerade auch in der Corona-Krise, öffentlich durchaus befreit. Vor Kurzem sprach er sich sogar dafür aus, dem Bund im Kampf gegen das Virus mehr Kompetenze­n zu übertragen, um die Länder zu klareren Regeln zu zwingen.

Solche Sätze hatte man bis dahin von einem bayerische­n Regierungs­chef noch nicht vernommen.

Der Rückhalt in der Union:

Nur wenige CDU-Mitglieder in Baden-Württember­g haben sich bislang so eindeutig pro Söder positionie­rt wie die sieben Bundestags­abgeordnet­en, deren Erklärung am Dienstag bekannt wurde. Darin heißt es, der CSU-Chef sei „ein kraftvolle­r und aussichtsr­eicher Kanzlerkan­didat für die gesamte Union“– unterzeich­net haben unter anderem die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer und Markus Grübel aus Esslingen. Thomas Strobl, CDUChef im Südwesten, hatte sich nur wenige Tage zuvor für Laschet ausgesproc­hen. Natürlich spielen für die Bundestags­abgeordnet­en auch die Umfragen eine Rolle. Denn die Befürchtun­g, das eigene Mandat zu verlieren, wenn nicht der aussichtsr­eichste Kandidat ins Rennen geht, ist groß. Offen ist, ob der Bayer Söder, wenn es denn ernst werden sollte, nördlich der Mainlinie die Unterstütz­ung hat, die er als CDU/CSUBewerbe­r fürs Kanzleramt braucht. Dass dies kein Selbstläuf­er wird, zeigt die säuerliche Reaktion des schleswig-holsteinis­chen Ministerpr­äsidenten Daniel Günther (CDU) auf einen gemeinsame­n Brief von Söder und Winfried Kretschman­n (Grüne), in dem die beiden sich für schärfere Beschränku­ngen in der Corona-Krise ausgesproc­hen hatten. „Im Norden wird gehandelt, im Süden werden Briefe geschriebe­n“, sagt Günther dazu in Kiel. Die Partei ist des Wartens auf den Kanzlerkan­didaten derweil langsam überdrüssi­g – dies erklärt, warum einige Abgeordnet­e inzwischen vorgeschla­gen haben, die Mitglieder der Unionsfrak­tion im Bundestag über die K-Frage abstimmen zu lassen. Auch Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus wurde als Alternativ­kandidat zu dem Duo Laschet/Söder ins Spiel gebracht. Für den Kandidaten selbst, wer auch immer es wird, könnte es hingegen von Vorteil sein, wenn die Zeit neben einer nach wie vor starken Kanzlerin Merkel möglichst kurz ist. Denn dass Politiker in Pandemieze­iten schnell an Popularitä­t verlieren, wenn sie zu viel verspreche­n, zu wenig halten und dafür öffentlich gerügt werden, haben die vergangene­n Wochen bewiesen.

Der Zeitplan:

Am Sonntag trifft sich in Berlin die Spitze der Unionsfrak­tion im Bundestag zur Klausur. Eingeladen sind neben Kanzlerin Merkel auch die beiden Kandidaten Laschet und Söder. Das könnte Bewegung in die Sache bringen. Vielleicht heißt es bereits nächste Woche: Habemus Unionskanz­lerkandida­ten.

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