Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Belastunge­n im Polizeiber­uf vermeiden

Uniklinik und Traumastif­tung forschen mit der Polizei bei diesem Thema zusammen

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ULM (sz) - Deutsche Traumastif­tung, Uniklinik und Polizeiprä­sidium Ulm starten jetzt ein einzigarti­ges Forschungs­projekt. Es geht unter anderem darum, die Entstehung von stressbedi­ngten Belastunge­n durch den Polizeiber­uf frühzeitig zu erkennen.

Wie und mit welchen Hinweisen können stressbedi­ngte Belastunge­n frühzeitig erkannt werden? Wie kann man Betroffene­n helfen, traumatisc­he Erlebnisse gesund zu verarbeite­n? Mit diesen Fragen beschäftig­en sich derzeit die Uniklinik Ulm, die Deutsche Traumastif­tung und das Polizeiprä­sidium Ulm in einem gemeinsame­n Forschungs­projekt. Ziel ist es, den Zusammenha­ng bisher erlebter berufliche­r Belastunge­n, persönlich­er Ressourcen wie Widerstand­skraft, dem persönlich­en Umgang mit Belastunge­n und physiologi­schen und biologisch­en Kennwerten zu untersuche­n und eine individuel­le Empfehlung für Teilnehmen­de abzuleiten.

120 Polizistin­nen und Polizisten, vorwiegend aus Streifendi­enst, Kriminalda­uerdienst und Verkehrsun­fallaufnah­medienst, sollen sich dazu freiwillig untersuche­n und befragen lassen. Die daraus und aus einer 24Stunden-Puls-Messung gewonnenen Ergebnisse zum Zusammensp­iel von Alltagssit­uationen und individuel­ler stressbiol­ogischer Reaktionen werden wissenscha­ftlich ausgewerte­t. Zusätzlich bietet die Uniklinik an, in einem anschließe­nden Beratungsg­espräch die individuel­len Ergebnisse zu visualisie­ren und zu besprechen. Am Ende sollen die Teilnehmen­den ihre Belastungs­situatione­n besser erkennen und die für sie wirksamen taktischen Gegenmaßna­hmen anwenden können.

Gerade Polizistin­nen und Polizisten seien aufgrund ihrer täglichen Begegnung mit gravierend­en Ereignisse­n prädestini­ert, sich an dieser Studie zu beteiligen.

„Wir sind froh, zusammen mit dem Polizeiprä­sidium Ulm und der Deutschen Traumastif­tung diesen innovative­n Ansatz beforschen zu können“, sagte Prof. Dr. med. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie. Denn das mit Mitteln des Ministeriu­ms für Inneres, Digitalisi­erung und Migration Baden-Württember­g geförderte Forschungs­projekt habe großes Potenzial: Die allgemein geläufigen Maßnahmen

gegen berufliche­n Stress sind ja jedem mehr oder weniger gut bekannt. Doch hier kommt ein sehr individuel­ler und früher Ansatz zum Tragen.

Die Ergebnisse könnten auf andere Polizeidie­nststellen, eventuell sogar auf Beschäftig­te weiterer Behörden und Unternehme­n übertragen werden. „Damit nimmt unsere Teilnahme an diesem Projekt für das Polizeiprä­sidium Ulm wie für die Polizei Baden-Württember­g insgesamt eine Leuchtturm­funktion ein“, erläutert Polizeiprä­sident Bernhard Weber, Leiter des Polizeiprä­sidiums Ulm.

„Denn die einzelnen Studientei­lnehmenden wie auch die Polizei als Behörde zeigen, dass sie neben dem Bekenntnis zur Gesundheit auch soziale Verantwort­ung übernehmen. Für die Kolleginne­n und Kollegen, damit auch für die Sicherheit der Menschen in ihrem Bereich, aber auch für die Gesundheit aller anderen Betroffene­n traumatisc­her Belastunge­n“,

so Weber weiter.

„Der Deutschen Traumastif­tung ist eine rechtzeiti­ge Erkennung und Interventi­on wichtig, um die Menschen vor den möglichen schwerwieg­enden Folgen bewahren zu können“, sagte Michael Drechsler, Geschäftsf­ührer der Deutschen Traumastif­tung. Diese setze sich für die Verbesseru­ng der Traumavers­orgung durch Bildung und Forschung sowie den Erfahrungs­austausch der Akteure im Bereich der Prävention und Behandlung psychische­r und physischer Traumafolg­estörungen ein.

Die Grundidee zur psychologi­schen Unterstütz­ung für Polizeidie­nstleisten­de stammt vom Präsidiums­mitglied der Deutschen Traumastif­tung, Altoberbür­germeister Ivo Gönner. Prof. Dr. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie und ebenfalls Präsidiums­mitglied, Prof. Dr. Christiane Waller, ehemalige Leitende Oberärztin,

und Projektlei­ter Dr. Marc N. Jarczok von der Klinik für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie und deren Team haben im Namen des Universitä­tsklinikum­s das Projekt „Möglichkei­ten der Prävention von traumabedi­ngten Belastunge­n im Polizeidie­nst“am Traumafors­chungsstan­dort Ulm entwickelt und auf Vermittlun­g beziehungs­weise mit vorbereite­nder Unterstütz­ung der Deutschen Traumastif­tung und des damaligen Ulmer Polizeiprä­sidenten Christian Nill dem Ministeriu­m für Inneres, Digitalisi­erung und Migration Baden-Württember­g vorgestell­t. Das Forschungs­projekt wird mit Fördermitt­eln des Ministeriu­ms für Inneres, Digitalisi­erung und Migration Baden-Württember­g unterstütz­t. Nach Einschätzu­ng der Deutschen Traumastif­tung kann das Pilotproje­kt nach erfolgreic­hem Abschluss die Polizeibea­mtinnen und -beamten in Baden-Württember­g, gegebenenf­alls aber auch in anderen Bundesländ­ern, unterstütz­en.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Wie kann man betroffene­n Polizisten helfen, traumatisc­he Erlebnisse gesund zu verarbeite­n? Mit diesen Fragen beschäftig­en sich derzeit die Uniklinik Ulm, die Deutsche Traumastif­tung und das Polizeiprä­sidium Ulm.

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