Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Projekt Neuanfang
In den Koalitionsgesprächen geht es jetzt um Inhalte – Doch wer sitzt für Grüne, wer für die CDU am Verhandlungstisch?
STUTTGART - Zwölf Arbeitsgruppen mit bis zu 15 Mitgliedern sollen in den kommenden Wochen die Details des Koalitionsvertrages zwischen Grünen und der CDU erarbeiten. Für die großen Linien und die Entscheidungen mit Zündstoff ist jedoch weiterhin die Sondierungsrunde zuständig. Wer gehört zu diesem Kreis? Und wofür stehen sie? Ein Überblick über die zehn wichtigsten Verhandler über die Politik der kommenden fünf Jahre.
Winfried Kretschmann ist seit 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Der 72-Jährige ist der erste und bisher einzige grüne Ministerpräsident Deutschlands. Der Sigmaringer gilt als heimatverbunden, gläubig und bürgerlich. Deshalb ist er im Land beliebt – auch bei vielen konservativen Wählern. Es ist kein Geheimnis, dass es Kretschmann war, der sich stark für eine Fortführung der Koalition mit der CDU einsetzte – und sich damit schließlich durchsetzte.
Sandra Detzer, eine der beiden Landesvorsitzenden der Grünen in Baden-Württemberg, musste sich mit der Idee einer Neuauflage von GrünSchwarz erst anfreunden. Im Wahlkampf hatte sie die CDU als Bremsklotz vor allem in der Klimapolitik bezeichnet und noch im Dezember bei einer Pressekonferenz in Stuttgart verkündet, dass ihre Partei am liebsten wieder mit der SPD regieren würde – so wie schon von 2011 bis 2016. Doch dafür reichte es knapp nicht. Die promovierte Volkswirtin wohnt in Heidelberg. An der Landesspitze vertritt die 40-Jährige den Realo-Flügel.
Oliver Hildenbrand (33) ist ebenfalls Landesvorsitzender der Grünen im Südwesten. Der Psychologe steht bereits seit 2013 an der Spitze der Partei und wird dem linken Flügel zugeordnet. Vielfalt, Zusammenhalt und Menschenrechte sind seine Steckenpferde. Wie seine Kollegin Detzer war wohl auch er zunächst Anhänger einer Ampelkoalition mit SPD und FDP statt einer Fortführung der grün-schwarzen Regierung. Die nun verhandelte Politik wird er künftig im Landtag mit verantworten – er hat ein Direktmandat in einem Stuttgarter Wahlkreis gewonnen.
Andreas Schwarz ist seit 2016 Fraktionsvorsitzender der Grünen im baden-württembergischen Landtag. Der Wirtschaftsjurist gilt als fleißig und bescheiden. Sein Name fällt immer öfter, wenn es um die Nachfolge Kretschmanns geht. Gegen den Begriff „Thronfolger“wehrt er sich. „Wir leben nicht in einer Monarchie“, sagt Schwarz. Der 41-Jährige hat eine steile Karriere hinter sich. Mit 18 wurde er als jüngster Kandidat in den Stadtrat seiner Heimatgemeinde Kirchheim Teck gewählt. Schon während des Studiums arbeitete er unter anderem im Innenministerium. Zwischen 2011 und 2016 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender unter:
Edith Sitzmann leitet seit 2016 das baden-württembergische Finanzministerium und war zuvor Fraktionschefin der Grünen im Landtag. Sitzmann hat Geschichte und Kunstgeschichte studiert und früher als Moderatorin gearbeitet. Ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet waren laut Teilnehmer bei den grün-schwarzen
Koalitionsverhandlungen vor fünf Jahren wertvoll. Die Regensburgerin, die im Studium in Freiburg ihre neue Heimat fand, gilt als pragmatisch und zielorientiert und als Vertraute des Ministerpräsidenten. Auch sie wurde einst als mögliche Nachfolgerin gehandelt. Vor gut einem Jahr gab sie jedoch ihren Rückzug aus der Politik bekannt.
Thomas Strobl
ist Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett Kretschmann II. Eigentlich sah es für den 61-Jährigen nach der Wahl ziemlich düster aus. Der Parteichef der Südwest-CDU hat den Einzug in den Landtag verpasst. Ohne Regierungsamt steht er blank da. Sein Glück: Das gute Verhältnis zu Winfried Kretschmann macht den Juristen aus Heilbronn zum idealen Verhandlungspartner. Das verhalf ihm zurück in die Rolle des Frontmanns einer Neuauflage von Grün-Schwarz.
Manuel Hagel
ist der Shootingstar der CDU Baden-Württemberg. Der 32-Jährige war zum wiederholten mal Stimmenkönig der SüdwestCDU bei der Landtagswahl. Seit 2016 ist er Generalsekretär der Landespartei – und gibt in dieser Funktion die Richtung vor. Progressive Akzente im Wahlprogramm tragen gerade auch seine Handschrift. Vieles deutet darauf hin, dass der Ehinger künftig eine größere Rolle in der Landespolitik einnehmen wird. Im Gespräch ist er etwa als Fraktionsvorsitzender.
Wolfgang Reinhart
ist ein Urgestein im Stuttgarter Landtag. Seit 1992 gehört er dem Parlament an, hatte diverse Führungsposten inne – seit 2016 als CDU-Fraktionschef. Reinhart sieht sich ähnlich wie Landeschef Thomas Strobl als Brückenbauer hin zu den Grünen. Reinhart war einst Landesmeister im 3000Meter-Hindernislauf. Auch in seiner eigenen politischen Karriere muss der 64-jährige Jurist jetzt unter Umständen einige Hürden aus dem Weg räumen. Er würde gerne Fraktionsvorsitzender bleiben oder ein Ministeramt übernehmen, doch bei der CDU stehen die Zeichen auf Wandel. Als Fraktionsvorsitzender gewählt ist er erst mal nur bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen.
Stefanie Bürkle
bringt den kommunalen Blick in die Verhandlungsgespräche ein. Seit 2014 ist sie Landrätin des Landkreises Sigmaringen. Die 51-Jährige ist außerdem Mitglied des Präsidiums der CDU Baden-Württemberg und spielt auch sonst in der Partei eine wichtige Rolle. Die Juristin gehört zu den engsten Beratern von Landeschef Strobl und gilt als politisches Talent. Wie bereits beim Schmieden der Kiwi-Koalition 2016 wird nun auch wieder darüber spekuliert, welches Ministerium sie übernehmen könnte. Die große Frage ist aber: Will sie überhaupt? Danach sieht es bislang nicht aus.
Nicole Razavi
(55) sitzt seit 2006 im baden-württembergischen Landtag. Als parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion zieht sie hinter den Kulissen viele Fäden. Ihr Verhältnis zu den Grünen gilt als angespannt. So liefert sich die entschiedene Befürworterin des Bahnprojektes S21 immer wieder Rededuelle mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).