Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Widerstand gegen bundesweite Notbremse
Einzelne Länder und Opposition kritisieren Vorhaben der Bundesregierung
BERLIN (dpa) – Unter hohem Druck ringen Bundesregierung, Parlament und Länder um eine bundesweite Corona-Notbremse. Das Kabinett will die Neuregelung bereits an diesem Dienstag beschließen. Damit sollen einheitliche Regeln für Regionen mit hohen Corona-Zahlen festgeschrieben werden. Doch es gibt erhebliche Widerstände von Ländern, Kommunen, Bundestagsopposition und Verbänden. Die Infektionszahlen schnellen derweil nach oben. Die Sieben-Tages-Inzidenz stieg auf 136,2 und damit auf den höchsten Wert seit zwölf Wochen. Mehr Ansteckungen pro 100 000 Einwohner und sieben Tage gab es laut Robert-Koch-Institut (RKI) zuletzt am 16. Januar.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte am Montag, die Notbremse sei jetzt dringend notwendig. „Alle Argumente liegen seit Monaten auf dem Tisch, alle Maßnahmen sind bewertet.“SPD-Chef Norbert Walter-Borjans urteilte: „Es kann nicht weitergehen, wie es bisher gegangen ist.“Deutschland sei in einer „nationalen Notstandssituation“. Nötig sei „eine nationale Kraftanstrengung“und „ein Gesetz mit Zähnen“, so der SPD-Chef nach Gremiensitzungen seiner Partei.
Aus dem Bundestag, aus Ländern und Kommunen kam Kritik an unterschiedlichen Punkten. Dabei drängt die Zeit: Die Neuregelung soll an diesem Dienstag mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom Bundeskabinett beschlossen werden.
In einer Formulierungshilfe des Bundes wurden mehrere Maßnahmen für Landkreise vorgeschlagen, in denen binnen einer Woche eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner oder mehr registriert wird – das sind aktuell mehr als die Hälfte aller Landkreise. Gestattet wären private Treffen nur noch eines Haushaltes mit einer weiteren Person – ohne Kinder insgesamt maximal fünf Personen. Vorgesehen sind zudem Ausgangsbeschränkungen von 21 bis 5 Uhr mit wenigen Ausnahmen. Erst ab einer Inzidenz von 200 sollen die Schulen schließen.
Soll das Vorhaben wie geplant schneller als üblich durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden, braucht es dazu auch die Bundestagsopposition. Das beschleunigte Verfahren müsste mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Grünen-Chef Robert Habeck begrüßte den Vorstoß zwar grundsätzlich, bezeichnete ihn aber als „nicht gut genug“. So mangele es an Maßnahmen, die die Teilnahme am öffentlichen Leben mit negativem Corona-Test vorsähen. Auch die Rückgabe von
Rechten an Geimpfte oder Immunisierte fehle.
Die Linke und Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisieren die Ausgangsbeschränkungen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland, er sehe „kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen“. Die FDP und Kretschmer bemängeln, dass sich der Entwurf vor allem an der Inzidenz und nicht auch an anderen Parametern orientiert. Das SPD-geführte Niedersachsen
sieht die Erfahrungen der Länder nicht angemessen berücksichtigt.
In Schleswig-Holstein lehnt ein Teil der Jamaika-Koalition einheitlichen Regelungen ab, unter anderem ist die FDP dort offenbar gegen Ausgangssperren.