Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Familienkr­ach unter Schwesterp­arteien

Die CDU-Spitze unterstütz­t die Kanzlerkan­didatur ihres Parteichef­s Laschet – Die CSU spricht sich für ihren Vorsitzend­en Söder aus

- Von Claudia Kling

BERLIN - Dieser Vormittag hat Armin Laschet offensicht­lich gutgetan. Der CDU-Parteichef steht selbstbewu­sst am Rednerpult im KonradAden­auer-Haus und präsentier­t seine politische Agenda für die Zeit nach der Corona-Pandemie – sprich nach der Bundestags­wahl. Er wolle das ganze Land auf den Prüfstand stellen, „schauen, was funktionie­rt hat“in der Krise und die Bürokratie im Verhältnis zwischen Bund und Ländern überprüfen. Darüber hinaus strebt er die Verbindung von Ökologie und Ökonomie in Deutschlan­d an und Aufstiegsc­hancen durch Bildung – „unabhängig von Herkunft und Postleitza­hlen“.

Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident wiederholt Teile seines Wahlprogra­mms, das ist an sich nichts Ungewöhnli­ches. An diesem Montag allerdings schon. Denn eigentlich warten alle nur darauf, wie sich Laschet zur K-Frage in der Union äußert. Dazu sagt er, dass er mit seinem Mitbewerbe­r, CSU-Chef Markus Söder „recht bald das Gespräch suchen“und eine schnelle Entscheidu­ng will. „Alle Fakten liegen auf dem Tisch“, sagte Laschet. Im Übrigen freue er sich über das positive Votum von Präsidium und Bundesvors­tand.

Einmal die Uhr um 19 Stunden zurückgedr­eht: Ein sichtlich mitgenomme­ner Armin Laschet stellt sich den Fragen der Reporterin in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Er muss erklären, warum er trotz katastroph­aler Umfragewer­te Kanzlerkan­didat der Union werden will. Wieso er nicht einfach dem CSUChef, der wenige Stunden zuvor offiziell sein Interesse an der Kandidatur verkündet hat, den Vortritt lässt. Der CDU-Chef muss sich seiner Haut wehren, das ist offensicht­lich. Söder hingegen hatte nur wenige Minuten zuvor kraftvoll und selbstbewu­sst seinen Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur klargemach­t. Dieses Mal ganz ohne Verbalspit­zen gegen den NRW-Landeschef, dieses Mal sehr ernst. Da schien es fast so, als könnte Laschet, gegen diesen wuchtigen Gegner kaum mehr einen Stich machen. Als wäre trotz seiner eigentlich­en Position der Stärke die kleine Schwester die überlegene. Doch der Eindruck täuschte wohl.

Nach einer Nacht, in der sicherlich einige Telefonges­präche zu führen und SMS zu verschicke­n waren, tagte am Montagvorm­ittag um neun Uhr erst einmal das CDU-Präsidium in einer Präsenzsit­zung in der Parteizent­rale. Der Bundesvors­tand traf sich anschließe­nd digital. Dennoch dringt erstaunlic­h wenig heraus aus den Mauern des Konrad-AdenauerHa­uses. Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer verlässt als erster wortkarg das Gebäude. Die Nachricht, dass Laschet auf den Rückhalt des CDU-Präsidiums setzen kann, darf wenig später der hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier verkünden. Das Präsidium habe deutlich gemacht, „dass wir ihn für außergewöh­nlich geeignet halten und ihn gebeten haben, mit Markus

Söder jetzt gemeinsam den weiteren Weg zu besprechen, wie wir das machen“, sagte Bouffier.

CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak schiebt wenige Stunden später im Konrad-Adenauer-Haus nach, dass auch im Bundesvors­tand das Meinungsbi­ld eindeutig pro Kanzlerkan­didatur Armin Laschet gewesen sei – auch wegen seiner integrativ­en Fähigkeite­n, für die der Rheinlände­r immer wieder gerühmt wird. Sein Parteichef, der neben ihm steht, nutzt die Gunst der Stunde, um zu betonen, wie wichtig eine schnelle Entscheidu­ng auch wegen des Corona-Krisenmana­gements sei. „Wir sind mitten in einer Pandemie und vier Monate vor einer Bundestags­wahl“, sagte er. Da verstünde es niemand, wenn sich die Union noch länger um sich selbst drehe – anstatt sich ums Land zu kümmern.

Damit könnte die Sache klar sein. Die große Schwester hat entschiede­n, die kleine muss sich fügen. Laschet könnte zum Hörer greifen, Söder die Voten der Parteiführ­ung mitteilen – und sich alsbald, vielleicht am Dienstag nach der Fraktionss­itzung, als „Kanzlerkan­didat der Union“ausrufen. Doch diese Vorstellun­g scheint im Süden der Republik nicht gut anzukommen. Dort will man sich offensicht­lich noch nicht geschlagen geben – in der Hoffnung auf Stimmen und Stimmungen in der Fraktion und in anderen Landesverb­änden. Deshalb drücken Söder und sein Generalsek­retär Markus Blume deutlich auf die Bremse und wollen von einer Kandidaten­benennung innerhalb der nächsten Stunden oder eines Tages nichts wissen. „Heute ist nicht der Tag der Entscheidu­ng, sondern der Beratung“, sagt Blume. Söder ergänzt, dass „es ein paar Tage Zeit“brauche, den Menschen die Entscheidu­ng von CDU und CSU zu erklären, auch falls es anders kommen sollte, als es sich viele wünschten. Es gebe noch viel „Diskussion­sbewegung“, unter anderem in der Bundestags­fraktion von CDU und CSU. Den Vorschlag des CSU-Fraktionsc­hefs im Bayerische­n Landtag, Thomas Kreutzer, die Unionsmitg­lieder über den Kanzlerkan­didaten entscheide­n zu lassen, lehnt der CSU-Chef zwar ab, aber vor allem weil die Zeit dafür zu knapp wäre. Zuvor hatte ihm das CSU-Präsidium, wie erwartet, breite Rückendeck­ung für seine Kanzlerkan­didatur gegeben. Das Gremium sei der Auffassung, so Blume, dass „Markus Söder der bestgeeign­ete Kandidat für die anstehende­n Aufgaben sei“.

Das höchste Ass in Söders Ärmel sind die Umfragewer­te – das wird während seines kurzen Auftritts in München immer wieder deutlich. Während er sich laut Forschungs­gruppe Wahlen in der Beliebthei­tsskala deutscher Politiker auf Platz zwei hinter Bundeskanz­lerin Angela Merkel vorgearbei­tet hat, ist Laschet abgestürzt im März und nicht mehr weit vom Negativber­eich entfernt. Die Kanzlersch­aft trauten Söder 56 Prozent der Befragten zu, Laschet hingegen nur 23 Prozent. Deshalb verwundert es nicht, dass der bayerische Ministerpr­äsident die Gelegenhei­t beim Schopfe packt, um mehrfach darauf hinzuweise­n, dass Umfragen zwar nicht alles seien, aber die Union sich davon auch nicht „davon abkoppeln könne“. Und dann sagt er noch diesen einen Satz, der viel darüber aussagt, was er seinem Mitbewerbe­r Laschet zutraut: „Auch bei erfolglose­n Wahlen sind die Kandidaten vorher einstimmig nominiert worden.“Deshalb sei es wichtig, sich für die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur Zeit zu nehmen.

In diesem Moment scheint wieder alles offen. Die von Laschet ausgestrah­lte Zuversicht, dass er sich jetzt ruckzuck als Sieger des Zweikampfs präsentier­en kann, war vielleicht doch ein wenig verfrüht. Denn tatsächlic­h fürchten viele Abgeordnet­e um ihr Bundestags­mandat, falls die Union bei der nächsten Wahl verlieren würde. Auch die rechnerisc­he Möglichkei­t einer grün-rot-gelben Koalition im Bund lastet auf dem Unionskanz­lerkandida­ten – auch wenn er Söder heißen sollte. Der spricht bereits vom schwierigs­ten Wahlkampf seit 1998, für den er sich, um die Chancen der Union zu erhöhen, zur Verfügung stellen wolle.

Am Ende des Tages werden Laschet und Söder wohl wieder telefonier­en, um eine Entscheidu­ng „ohne Groll“herbeizufü­hren. Eine überzeugen­de Antwort, wie das funktionie­ren kann, sollten beide Parteien die Empfehlung der jeweils anderen nicht akzeptiere­n, bleiben die Kandidaten­anwärter schuldig. Denn dies könnte zeigen, wie fragil der Frieden zwischen CDU und CSU letztlich ist.

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Der Ritter vom imposanten Ross.

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