Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mallorcas gelungenes Urlaubsexp­eriment

Entspannun­g statt Party am Ballermann – Nächtliche Ausgangssp­erre erfolgreic­h

- Von Ralph Schulze

MADRID - In den letzten Tagen herrschte auf Mallorcas Flughafen Hochbetrie­b wie schon lange nicht mehr. Hunderte Flüge wurden täglich auf dem internatio­nalen Airport nahe der Inselhaupt­stadt Palma abgefertig­t. Der Andrang auf dem Flughafen war so groß, dass sich lange Warteschla­ngen an den Abfertigun­gsschalter­n bildeten. Die Flugzeuge landeten und starteten zeitweise im Minutentak­t – ganz so, als ob die Corona-Krise schon überwunden und wieder die Feriennorm­alität auf der Insel eingekehrt sei.

Aber von der Normalität ist die meistbesuc­hte Insel Europas noch weit entfernt. Das spiegelt sich auch in dem Testchaos, das auf der Insel ausbrach, seit auch Deutschlan­d, wie zuvor schon die Schweiz und Österreich, einen negativen Corona-Test von allen Inselrückk­ehrern verlangt. Viele Insellabor­s waren überlastet, Termine sind nicht einfach zu bekommen. So wird es für viele Reisende zu einem nervigen Wettlauf gegen die Zeit, pünktlich vor Abflug einen negativen Test zu bekommen.

Diese Hürde sorgt offenbar auch dafür, dass manche mit gefälschte­n Testdokume­nten die strengen Corona-Reiseregel­n überlisten wollen. „Leider kenne ich zu viele Leute, die versuchen, sie durch Tricks zu umgehen, etwa mit per Photoshop gefälschte­n Dokumenten. Das finde ich schlimm“, berichtet in der MallorcaZe­itung ein deutscher Arzt, der öfter nach Mallorca zu seinem Zweitwohns­itz fliegt. Auch eine Privatklin­ik auf der Insel soll gegen Bezahlung falsche Testzertif­ikate ausgestell­t haben.

Die meisten Mallorca-Flüge sind momentan Verbindung­en mit Deutschlan­d, die über Ostern rund 40 000 Urlauber auf die Balearenin­sel brachten und wo in vielen Bundesländ­ern gerade die Ferien zu Ende gingen. Viele Urlauber flogen die letzten Tage wieder zurück in die deutsche Heimat. Aber auch Richtung Schweiz, Österreich, Italien und Luxemburg starten derzeit etliche Rückflüge. Auf der Insel, die in der Osterzeit einen unerwartet großen Besucherbo­om erlebte, wird es nun vorerst wieder stiller.

Mallorcas Hoteliers, die seit einem Jahr wenig zu feiern haben, schöpfen gerade wieder ein bisschen Hoffnung auf bessere Zeiten. Dank der Ankunft der ausländisc­hen Touristen konnten zumindest einige Hotels nach Monaten der coronabedi­ngten Flaute wieder öffnen. Obwohl

es unter dem Strich kaum mehr als zehn Prozent der Inselherbe­rgen waren, die in diesem Frühling den Betrieb wieder aufnahmen. An vielen Hotelfassa­den hängen immer noch Transparen­te mit der Aufschrift „SOS Tourismus“, um auf die große Notlage der Branche aufmerksam zu machen.

Trotzdem ist die Bilanz des Reisesekto­rs positiv. Immerhin kamen seit Mitte März, als auf Mallorca der Tourismus wieder vorsichtig anrollte, annähernd 100 000 internatio­nale Reisende auf Palmas Flughafen an. „Besser ein paar Einnahmen als gähnend leere Kassen“, sagt ein Hotelier an der Playa de Palma, wo Mallorcas bekanntest­e Urlaubshoc­hburg liegt. Auch die örtlichen Gesundheit­sbehörden zeigten sich vorsichtig optimistis­ch: Die Befürchtun­g, dass die touristisc­he Wiedereröf­fnung Mallorcas die Infektions­zahlen in die Höhe treiben und die Insel in ein neues Ischgl verwandeln könnte, bestätigt sich bisher nicht. Die SiebenTage-Inzidenz ist mit weniger als 30 Fällen pro 100 000 Einwohner seit Wochen stabil.

Die Anti-Corona-Pläne Mallorcas scheinen also zu funktionie­ren. Und zwar besser als jene der Urlauberhe­rkunftslän­der, wo die wöchentlic­he Fallhäufig­keit sehr viel höher liegt als auf Mallorca. Deutschlan­ds mittlere Sieben-Tage-Inzidenz befand sich zum Beispiel am Montag bei über 130 – das ist gut viermal höher als auf Mallorca. „Wir fühlen uns auf der Insel sicherer als in der Heimat“, sagen Inselurlau­ber.

Mallorcas Tourismuse­xperiment über Ostern, das vor allem in Deutschlan­d viel kritisiert worden war, scheint nach den bisher vorliegend­en Informatio­nen weitgehend gelungen zu sein. Auch wenn einige Nachrichte­n daran erinnern, dass die Virusgefah­r auf der Insel noch nicht gebannt ist.

So waren in den letzten Wochen mindestens 18 infizierte Reisende bei der Ankunft auf dem Flughafen entdeckt worden. Wenigstens zwei deutsche und vier kroatische Urlauber mussten ihre Frühlingsf­erien in einem Quarantäne­hotel in Palma verbringen – weitere Einzelheit­en wurden nicht bekannt gegeben. Das seien nur Einzelfäll­e, beschwicht­igen die Behörden, aber keine großen Virusausbr­üche.

„Die von uns ergriffene­n Maßnahmen zeigen Ergebnisse“, bilanziert die regionale Regierungs­chefin der Balearenin­seln, Francina Armengol. „Aber wir müssen wachsam bleiben und nach Ostern erst einmal beobachten, wie sich die Pandemie entwickelt.“

Zu den strengen mallorquin­ischen Sicherheit­smaßnahmen, die trotz der sehr wenigen Ansteckung­en in Kraft bleiben, gehört zum Beispiel eine Ausgangssp­erre, die auch weiterhin von 22.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens gelten soll. Dieses Ausgehverb­ot sei eines der „grundlegen­den Werkzeuge“, um die Epidemie zu kontrollie­ren, bekräftigt Armengol.

Zudem soll es bei der nur sehr behutsamen Öffnung der Gastronomi­e bleiben, welche derzeit lediglich die Außenterra­ssen bewirtscha­ften darf – bis 17.00 Uhr nachmittag­s. Hinzu kommt auf der Insel eine sehr strenge Maskenpfli­cht, die sogar am Strand, am Pool und am Restaurant­tisch gilt, soweit der übliche Sicherheit­sabstand unter Menschen, die nicht zusammenle­ben, nicht eingehalte­n werden kann.

Übrigens: Entgegen des Rufes Mallorcas, eine Partyinsel zu sein, herrscht im berühmten „Ballermann“-Viertel an der Playa de Palma immer noch gespenstis­che Ruhe. Die großen Partytempe­l wie etwa der „Bierkönig“oder der „Megapark“sind seit einem Jahr verrammelt. Statt Party und Eimersaufe­n ist denn in diesen Wochen vor allem Entspannun­g am Strand angesagt.

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Entspannun­g statt Party: Menschen sonnen sich am Strand von El Arenal auf der Insel Mallorca.

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