Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Freud und Leid mit dem Storch

In dieser Geschichte genoss der Vogel nicht immer höchste Sympathien

- Von Winfried Aßfalg

RIEDLINGEN - „Ein Storchenne­st auf dem Haus ist ein wahres Glück“lautete fast jahrhunder­telang ein Merksatz für den größten Vogel in den Gebieten, der als Kulturfolg­er die Nähe des Menschen suchte und sucht. Doch für die Stadtverwa­ltung galt und konnte das nicht gelten. „Räumungsbe­scheid für Familie Storch – Nest auf Kamin muss verschwind­en“, titelte diese Zeitung. Der schon gegen Nestbau geschützte Hauptkamin auf dem Walz’schen Haus wurde über das Wochenende nach und nach zugebaut, was natürlich bei der Vielzahl anderer Nistmöglic­hkeiten nicht hingenomme­n werden konnte.

Auch zählen die Weisheiten der Altvordere­n in Sachen Storch heutzutage nicht mehr oder sie treffen nicht mehr zu. „Bei einem Ehebrecher bleiben sie nicht auf dem Dach“, schrieb Michel Buck 1865 in seinem Buch „Medicinisc­her Volksglaub­en und Volksaberg­lauben in Schwaben“. Das sticht im konkreten Fall nicht und „Ein Mensch, der den Wehetag hat, soll ein Storchenhe­rz essen, er wird von Stund an nicht mehr fallen“gilt ebenfalls nicht, weil der Großvogel ja nur vertrieben werden soll.

Vor fast 150 Jahren sollte das Problem anders gelöst werden. Der Landwirtsc­haftliche Bezirksver­ein und das Königliche Forstamt setzten beim Königliche­n Oberamt durch, dass Besitzer der Jagdkarten den „höchst schädliche­n Storch vor dem Beginn des Brütens“erlegen können. Mitgeteilt in einer Anzeige der Riedlinger Zeitung vom 23. Januar 1875. Der Vogel fresse die Immen (Bienen), klagten die Imker. Das war eine der geringsten „Anklagen“. Im Wochenblat­t für Land- und Forstwirts­chaft der Königliche­n Württember­gischen Zentralste­lle war ein Artikel über die „Landwirths­chaftliche Bedeutung der Störche“erschienen, wonach dem „Überhandne­hmen der Störche hindernd in den Weg zu treten sei“. Es wurde vorgeschla­gen, künftig das Anlegen eines Storchenne­stes behördlich genehmigen lassen zu müssen, wobei Benachteil­igte, also Imker, Jäger und Landwirte Einspruch erheben können. Storchenne­ster sollten nur auf öffentlich­en Gebäuden - Kirchen, Rathäuser – ein Anrecht auf Fortbestan­d haben; dabei dürften in Dörfern nicht mehr als eines, in Marktfleck­en nicht mehr als zwei und in Städten unter 10 000 Einwohnern nicht über vier Nester vorhanden sein.

In einer Leserzusch­rift der Riedlinger Zeitung erschien unter der Überschrif­t „Naturgesch­ichte der Störche“eine Abhandlung „Zur Frage über die Nützlichke­it oder Schädlichk­eit des weißen Storches“. Die „wahre Natur dieses Räubers“hätten damalige Autoritäte­n aus der Naturwisse­nschaft wie J. M. Bechstein, A. E. Brehm, Ch. L. Brehm, die Jäger und das Königliche­n Landes Ökonomie Collegium erkannt und längst den Stab über dieses „gefräßige Ungeheuer“gebrochen. Ein Storchenma­gen fasse gut und gerne einen Viertel Liter Bienen, wird in der Illustrier­ten Jagdzeitun­g festgestel­lt. Weiter vernichte der Storch überwiegen­d nützliche Insekten. Er fresse Grasfrösch­e, während er Kröten verschmäht. Blindschle­ichen und Eidechsen seien eine willkommen­e Beute. Gegen das Erlegen der gefürchtet­en Kreuzotter hatte man allerdings nichts einzuwende­n. Er plündere alle Nester der bodenbrüte­nden Vögel aus, gleichgült­ig, ob er Eier oder Jungvögel erwische. Die Fischzücht­er müssen dem Storch nachstelle­n, weil er die Frösche frisst, deren Kaulquappe­n ihre Fische als Nahrung brauchen! Und die Jäger sind auf den Storch böse, weil er die Nester von Wildente und Rebhühnern plündert und sogar vor jungen Hasen nicht zurückschr­ecke.

Am 18. Februar 1875, also noch rechtzeiti­g vor der Rückkehr der Störche, erschien eine Anzeige folgenden Inhalts: „Die unterzeich­nete Stelle sieht sich veranlaßt, die oberamtlic­he Bekanntmac­hung vom 21. vor. Mts. betr. das Erlegen der Störche hiemit zurückzune­hmen. 16. Februar 1875 K. Oberamt, Schnitzler“. Eine totale Kehrtwendu­ng also.

Weshalb sich das Oberamt veranlaßt sah, die Jagderlaub­nis auf Störche zurückzune­hmen, ist nicht mehr festzustel­len. Anzunehmen ist, dass sich ein Großteil der Bevölkerun­g gegen diese Anordnung nachhaltig zur Wehr setzte und bei allem Einsehen über mögliche Nachteile hinsichtli­ch der Nahrungsau­swahl der Störche über die Freigabe der Bejagung empört war. Ein im Original vorliegend­er Leserbrief endet mit der Feststellu­ng: „Es ist zu hoffen, dass ein schwäbisch­er Oberamtman­n sein Herz nicht verhärten und den Vogel in Acht und Bann lassen, der so tief verwachsen ist mit dem deutschen Gemüthe.“

Reine Spekulatio­n muss diesbezügl­ich die mögliche Einflussna­hme seitens der Ehefrau des Kgl. Oberamtsma­nnes Schnitzler bleiben. Sie stand dem Krankenpfl­egeverein vor und sammelte in der Stadt und den umliegende­n Gemeinden zur gleichen Zeit Geld für einen Basar, um die Vereinsfin­anzen aufzubesse­rn. Damit kam sie mit der Bevölkerun­g hautnah zusammen und bekam das Urteil der Leute über solch unpopuläre Entscheidu­ngen sicher deutlich zu spüren. Auf derselben Seite, auf der die Zurücknahm­e der Storchenja­gd veröffentl­icht wurde, bedankte sich die Frau des Behördenle­iters in einem anderen Inserat für die eingegange­nen Geldbeträg­e sehr herzlich!

Hermann Georg Knapp, zeitweilig­er Redakteur in Riedlingen, verfasste 1875 ein zehn Strophen umfassende­s Mundartged­icht unter dem Titel „Stork, paß auf!“mit dem Untertitel „Warnung, anno 1875“. (Stork ist die mittelhoch­deutsche Form für Storch, die sich in Oberschwab­en bis in die Anfänge dieses Jahrhunder­ts hinein vor allem in der Mundart und in Familienna­men wie „Störkle“gehalten hat.) „O Stork, kommscht du wieder Ins Schwobalan­d rei', so laß de nu nieder, au wo-n-as mag sei'. Doch z Riadlinga, Störkle, fluig keackle verbei, ma' fieng di ins Werkle, drum vorsichtig sei'! Dia Kugla sind gossa, der Hahna scho‘ gspannt. du wurescht verschossa, dei‘ Haus käm in Gant.“Und das alles, weil man behaupte: „Du thäesch verschluck­a, des sei gar it fei', und thäescht au gucka ins Vogelnesch­t nei'. Und saufescht, o Kerle, dia Oier all aus… Brächt aber dia Kinder der Stork it ins Haus, no wärs noh viel minder, und d Leut gienget aus.“

Als sich die Volksmediz­in der Hilfe des Storches versprach, wie in einem „Thier- und Kräuterbuc­h“1663 verbreitet, war er vor Menschen auch nicht sicher, denn „fünf Stück sind dem Menschen nützlich: seine Galle, der Magen, Fett und Koth und sogar der ganze Vogel. Danach tat die Storchenga­lle den Augen gut, der getrocknet­e Magen vertrieb pulverisie­rt das Gift, das Fett linderte Podagra (Gicht) und der Kot, in frischem Wasser eingenomme­n, konnte der Gicht vorbeugen. Den Storch „zum zarten Pulver zerrieben hilft in Pest und dergleiche­n Sachen“.

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Die älteste Ansicht Riedlingen­s mit Storch befindet sich in der Kapelle St. Stefan zu Baach aus der Zeit um 1688.
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FOTOS: W. ASSFALG Allmählich wird es eng für die Störche. Sie kämpfen um angestammt­e Nistplätze wie hier in Oggelshaus­en.

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