Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Handwerk schießt gegen Testpflicht
Gesetz am Dienstag im Bundeskabinett – Ulmer Handwerkskammer protestiert heftig
ULM (sz) - Mit Händen und Füßen wehrt sich die Handwerkskammer Ulm, die zwischen Alb und Bodensee knapp 20 000 Handwerksbetriebe vertritt, gegen die Corona-Testpflicht in Betrieben. Eine solche wäre „eine Verzweiflungstat“. Die Chancen, die Testpflicht noch abzuwenden, sind jedoch minimal.
Schon am Dienstag soll das neue Gesetz zur Testpflicht im Bundeskabinett behandelt werden. Nachdem sich zunächst das Arbeitsministerium dafür starkgemacht hatte, soll nun auch das Wirtschaftsministerium eingelenkt haben, so der „Spiegel“.
Heftige Kritik kommt am Montag von der Handwerkskammer Ulm, die in sechs Landkreisen (Ostalb, Heidenheim, Alb-Donau, Biberach, Ravensburg, Bodensee) und in der Stadt Ulm 19 500 Betriebe mit mehr als 120 000 Beschäftigten vertritt.
Man sei gegen eine gesetzliche Testpflicht in Betrieben, heißt es. Denn eine solche sei aus Sicht der Handwerkskammer Ulm weder für die Handwerksbetriebe noch für Beschäftigte „praxistauglich oder geeignet“. Verpflichtende Tests sind auch gar nicht erforderlich, weil viele Betriebe ihre Beschäftigten bereits freiwillig testen würden. Rund 80 000 Corona-Tests würden pro Woche in den Handwerksbetrieben verwendet – Tendenz steigend.
Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm: „Die Handwerksbetriebe haben ein Eigeninteresse an den Coronatests, denn: Durch regelmäßige Tests senken Betriebe das Gesundheitsrisiko für ihre Mitarbeiter sowie für ihre Kunden und halten so die Betriebe am Laufen. Da braucht man keine teure Pflicht und weitere Bürokratie.“
Weiteres Problem: überhaupt an Tests zu kommen. Am Markt seien derzeit kaum Tests verfügbar. Mehlich weiter: „Die Politik erweckt den verzweifelten Eindruck: Ich kann selbst keine Tests beschaffen, also wälze ich auch diese Pflicht einfach auf die Betriebe ab.“Auch die Landesregierung stehe laut Handwerkskammer hier in der Pflicht.
Und selbst wenn die Betriebe Tests kaufen könnten, seien die Preise teils hoch. Verpflichtende Tests würden die Betriebe und deren Beschäftigte nur zusätzlich belasten und so die wachsende Akzeptanz von freiwilligen Tests beeinträchtigen. Das Handwerk wünscht sich stattdessen, dass den Arbeitgebern lediglich vorgeschrieben werde, welche
Art von Schnell- oder Selbsttests sicher, sinnvoll und offiziell anerkannt sind. Anhaltspunkte, die einem Corona-Zertifikat Gültigkeit verleihen, wären ebenfalls hilfreich für die Betriebe. Eine Vorschrift oder Verpflichtung zum zeitlichen Intervall sei zweitrangig.
Hinzu komme ein arbeitsrechtlicher Aspekt: Die Handwerksbetriebe könnten ihre Beschäftigten gar nicht zwingen, sich testen zu lassen. Diesen Punkt würde auch eine Testpflicht nicht ändern. Diese derzeit herrschende Rechtsunsicherheit mache vielen Handwerksbetrieben zu schaffen und sorge für Verwirrung.
Per se ist die Handwerkskammer aber nicht gegen häufiges Testen, im Gegenteil. Dies sei „ein Baustein“des betrieblichen Gesundheitsschutzes und helfe, das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Die Handwerksbetriebe gehen beim Aufwand und den Kosten für die Coronatests derzeit bereits in Vorleistung. Die Handwerkskammer geht davon aus, dass diese Kosten aber im Nachgang erstattet werden, da es sich um Kosten des Gesundheitssystems handele. Die Handwerkskammer bietet für ihre Beschäftigten bereits seit rund vier Wochen kostenlose Selbsttests an. An den Bildungsakademien in Ulm und Friedrichshafen, an denen die jungen Azubis praktische Teile ihres Ausbildungsberufs erlernen, haben Schüler schon jetzt die Möglichkeit, sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.