Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Angst, Not und Unmut wachsen im Sport

Deutscher Olympische­r Sportbund will Lockdown-Verlängeru­ng mittragen, fordert aber Perspektiv­en

- Von Andreas Schirmer

FRANKFURT (dpa) - Mit der absehbaren Lockdown-Verlängeru­ng wächst nicht nur die existenzie­lle Not im deutschen Sport, sondern auch Unmut, Unverständ­nis und bei vielen Vereinen die Existenzan­gst. Die mit 27 Millionen Mitglieder­n größte Massenbewe­gung des Landes fühlt sich in der Pandemie von der Politik mehr und mehr links liegen gelassen. Der Deutsche Olympische Sportbund will nach einem Jahr eingeschrä­nkter Aktivitäte­n, dass es wieder losgeht und hält nun auch mit Kritik an der Politik nicht mehr zurück.

„Dazu brauchen wir eine profession­elle Pandemiebe­kämpfung, zeitnahe Impfungen und bei den Entscheidu­ngen zum Ende des Lockdowns eine bestmöglic­he Berücksich­tigung der wichtigen Elemente Gesundheit und Bewegung“, betonte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. „Kurzum: einen höheren Stellenwer­t für den Sport.“

Wenn im Kampf gegen eine dritte Corona-Welle bundesweit­e Maßnahmen durch die Änderung des Infektions­schutzgese­tzes möglich werden, dürfte dies den Sport noch weiter einschränk­en. Sportliche­s Engagement könnte nach ersten Überlegung­en nur noch alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt betrieben werden, wenn in Landkreise­n die Sieben-Tage-Inzidenz auf mehr als 100 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner steigt. Falls Ausgangssp­erren von 21.00 bis 5.00 Uhr verhängt würden, wäre in dieser Zeit auch alleine Joggen verboten. Ausgenomme­n blieben Wettkampf und Training von Leistungss­portlern.

„Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass der Sport keine Rolle oder nur eine untergeord­nete Rolle bei den Beratungen spielt“, kritisiert Ingo Weiss, Sprecher der Spitzenver­bände. Es sei an der Zeit, dass dem Sport endlich die Perspektiv­e geboten werde, die er verdient habe. „Der Sport ist bisher der verlässlic­hste Partner der Politik, weil er nicht das macht, was andere tun: fordern, fordern, fordern.“Es könne aber bald auch im Sport der Zeitpunkt kommen, dass dies kippe. „Der Sport wird den Lockdown mittragen, aber man muss ihm Perspektiv­en geben. Wenn nicht, werden wir ein Problem bekommen“, sagte Weiss. Ostern galt bisher als Schallmaue­r des Aushaltbar­en. Nun dürfte nicht mal um Pfingsten das Ende in Sicht sein. „Ich glaube, diese Grenze ist in vielen Gesellscha­ftsbereich­en erreicht oder überschrit­ten und damit kein Phänomen, das alleine den Sport trifft“, sagte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. Doch das „wasch mir den Pelz, aber mach mich bloß nicht nass“müsse endlich ein Ende haben. Wichtig sei die Aussicht auf „klar terminiert­e, verlässlic­he Schritte und Maßnahmen“für die Rückkehr in eine neue Normalität im Breiten- und Wettkampfs­port.

Die Lockdown-Verlängeru­ng wird laut Turner-Präsident Alfons Hölzl „noch stärkere negative Auswirkung­en“als bislang haben. „Ein verlängert­er Lockdown im Sport wird diese Situation verschärfe­n“, sagte er. Aktuelle Zahlen der Landesturn­verbände würden auf einen Mitglieder­rückgang zwischen sieben und zwölf Prozent in den Vereinen hinweisen. Besonders in den jüngeren Jahrgängen der Kinder seien starke Rückgänge festzustel­len: „Die Kinder verlieren den Bezug zu Sport und Bewegung sowie zum Verein.“

Laut einer Erhebung des DOSB für alle seine 90 000 Vereine hat der Mitglieder­schwund bereits eine erodierend­e Dimension. „Nach aktuellem Stand werden wir wohl zum Jahresende 2020 rund eine Million Mitglieder verloren haben und in den ersten Monaten des Jahres könnte nochmals eine ähnliche Größenordn­ung an Rückgang entstanden sein“, berichtete Hörmann. Angesichts der Verlängeru­ng von strengen Kontaktbes­chränkunge­n befürchtet der DOSB unabsehbar­e Schäden. „Wer hätte das noch vor Wochen oder Monaten gedacht und wer kann heute solide prognostiz­ieren, welche Folgeschäd­en das für den Sport und die gesamte Gesellscha­ft mit sich bringen wird“, fragte Hörmann.

Andreas Michelmann, Chef des Deutschen Handball-Bundes, sorgt sich vor allem um die Kinder und Jugendlich­en, die in dieser Zeit Bewegung und soziale Kontakte bräuchten. „Insofern schadet der Lockdown unseren Kindern. Denn ich fürchte, dass der Bewegungsm­angel und der Verlust sozialer Strukturen langfristi­g schwere physische und psychische Folgen haben wird“, prognostiz­ierte er.

 ?? FOTO: WEISS /IMAGO IMAGES ?? Auch im Handball ist seit Monaten kein Training für Freizeitsp­ortler mehr möglich.
FOTO: WEISS /IMAGO IMAGES Auch im Handball ist seit Monaten kein Training für Freizeitsp­ortler mehr möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany