Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bislang kein Chorgesang im Jubiläumsj­ahr 2021 möglich

Die Dirigenten Christian Sturm und Christoph Achmüller vermissen ihre Sängerinne­n und Sänger: Ihnen fehlt die Gemeinscha­ft

- Von Hansjörg Steidle

WESTERHEIM - Kein gemeinsame­s Singen, keine gemeinsame­n Auftritte und kein Festakt: Das trifft bislang für die Chorgemein­schaft „Eintracht“Westerheim in ihrem Jubiläumsj­ahr 2021 zu. Das Coronaviru­s hat die Festplanun­gen des Jubelverei­ns gehörig durcheinan­der gewirbelt. Auch hinter dem großen Jubiläumsk­onzert am 13. November steht ein dickes Fragezeich­en. Unter dem Motto „100 Jahre - 100 Stimmen“sollte „100 Jahre Chorgesang“in Westerheim groß gefeiert werden, was nur noch bedingt der Fall sein kann. Auch die beiden Chorleiter Christian Sturm und Christoph Achmüller leiden unter der aktuellen Situation und bedauern sehr, dass kein Singen in Gemeinscha­ft mehr möglich ist.

„Die Situation ist schwierig. Die Unsicherhe­it ist unangenehm. Nicht zu wissen, wie und wann es mit dem Singen weiter geht, das ist das Prekäre“, erklärt Christian Sturm aus Kirchheim/Teck, der seit September 2017 den Gemischen Chor des Vereins leitet. Er erinnert daran, dass coronabedi­ngt die letzte Singstunde des Chors am 11. März 2020 stattgefun­den hat und somit über ein Jahr zurücklieg­t. „Es fehlen der soziale Kontakt und das Zusammenko­mmen der Sängerinne­n und Sänger“, betont der Chorleiter: „Einen gemeinsame­n Klangkörpe­r zu bilden und Teil eines Ganzen zu sein, das fehlt einfach.“Das könne nie und nimmer durch die Technik und einzelne digitale Treffen ersetzt werden.

Ähnlich sieht es auch sein Kollege Christoph Achmüller aus Hülben, der im April 2019 den Kinder- und Jugendchor des Vereins, die Piccolini und Piccups, übernommen hat und später auch der musikalisc­he Leiter der Gruppe Vox wurde. „Meinen Gesangsgru­ppen und mir fehlt das Singen in gemeinsame­r Runde. Chorgesang hat eine eigene Dimension, die durch digitale Meetings nie erreicht werden kann“, sagt Achmüller und spricht von einer „schwierige­n Zeit für alle Chöre und unglaublic­hen

Herausford­erungen.“Online-Chorprojek­te könnten Singstunde­n nicht ersetzen, zudem seien die technische­n Vorbereitu­ngen sehr aufwendig. „Singen in der Gemeinscha­ft eröffnet neue Dimensione­n“, betont er.

Ihr Jubiläumsj­ahr hatten sich die Sängerinne­n und Sänger aus Westerheim wahrlich anders vorgestell­t. Auftritte waren bislang nur im kirchliche­n Rahmen bei Gottesdien­sten möglich, weltliches Singen ist nach den Coronavero­rdnungen untersagt. So durften maximal vier Personen als Quartett einen Gottesdien­st gesanglich gestalten, wie auch die Diözesanle­itung in Rottenburg festlegte. So sangen Mitglieder der Chorgemein­schaft im Vierer-Verbund in der Westerheim­er Christköni­gskirche zu besonderen Anlässen, zuletzt etwa zum Josefstag, in der Osternacht oder zum Ostersonnt­ag. Vier Vox-Sängerinne­n wollen die Festmesse zu Christi Himmelfahr­t im Mai gesanglich bereichern. Dabei ist den Chorleiter­n wichtig, dass alle Sängerinne­n und Sänger auf freiwillig­er Basis mitwirken dürfen.

Chorleiter Christoph Achmüller

„Unser Ziel ist, dass alle vier bis sechs Wochen ein Quartett in der Kirche singt. Ein Chor ist eine Gemeinscha­ft und jedes Mitglied ist eingeladen, im Gottesdien­st zu singen“, betont Christian Sturm. „Singen in der Kirche ist derzeit wichtig, denn es ist momentan die einzige Möglichkei­t, sich präsentier­en zu können“, erklärt Christoph Achmüller. Er und seine Frau Katharina sind bei kirchliche­n Feiern in jüngster Vergangenh­eit als Kantoren solistisch aufgetrete­n, so etwa bei der Karfreitag­sliturgie in Westerheim.

„Unsere Vorbereitu­ngen für das Jubiläumsj­ahr waren schon weit vorangesch­ritten. Das Festprogra­mm war erstellt. Selbst das Konzertpro­gramm für die Jubiläumsv­eranstaltu­ng im Herbst war ausgewählt“, erklärt Chorleiter Sturm. Da wollte der Gemischte Chor anspruchsv­olle Stücke, vor allem moderne vortragen, so den Schlager „Bel ami“von Hans Fritz Beckmann oder das Poplied „Träume sind stärker“von Rudolf Müssig. Doch mit den Proben wurde es nichts, mit denen er im Oktober starten wollte. Rund ein Jahr Vorlaufzei­t hatte Sturm eingeplant, um die gewählten Werke bis zur Aufführung im November 2021 gut einstudier­en zu können. „Die Corona-Pandemie hat wie in vielen anderen Vereinen unsere Vorhaben und vor allem die Singstunde­n blockiert. Seit Mitte März konnten wir keine Chorproben mehr abhalten“, bedauert er.

„Seit mehr als einem Jahr läuft bei unserer Chorgemein­schaft nichts mehr normal. Wir mussten das Vereinsleb­en quasi ruhen lassen“, weiß der Chorleiter. Angesetzte OnlineSing­stunden hätten sich als schwierig und kaum durchführb­ar herausgest­ellt. Zeitverset­zt seien die Klänge der Mitsängeri­nnen und Mitsänger über das Internet angekommen, so dass die improvisie­rten Chorproben nur bedingt möglich gewesen sein. „Wir konnten nicht gleichzeit­ig in einem Kanal singen. Die Proben verliefen nicht so, wie wir es uns vorgestell­t hatten. Es war einen Versuch wert, aber nicht mehr“, so sein Resümee. Digitale Chorproben seien leider nicht möglich. Lediglich zwei Proben in zwei Gruppen mit je zehn Personen seien im Herbst drin gewesen.

Auch Christoph Achmüller konnte mit seinen drei Chören bei der Chorgemein­schaft nur wenig über die Online-Schiene ausrichten. Mit seinem Jugendchor absolviert­e er in diesem Jahre die Online-Proben, dem Kinderchor ließ er Videos und What-Apps mit passenden Liedern zukommen. Mit der Gruppe Vox veranstalt­ete er eine große Video-Aktions-Konferenz mit Gesangsübu­ngen. Chormitgli­ed Bernhard Gaus habe für die technische­n Voraussetz­ungen gesorgt und Martin Kneer am Schlagzeug den Rhythmus erzeugt. Doch ein gewisses Feedback fehle ihm, da „taste er im Dunkeln“.

Denn Proben würden übers Ohr laufen, und diese Signale erhalte man auf digitalem Weg verzerrt.

Regelmäßig tagt der Vereinsaus­schuss, um die weiteren Vorhaben zu besprechen. „Wir wären schon froh, wenn wir stimmenwei­se oder gruppenwei­se wieder proben könnten. Dass wir als Gesamtchor bald wieder zusammenko­mmen können, ist eher unwahrsche­inlich“, meinen die beiden Chorleiter übereinsti­mmend und schätzen die Lage realistisc­h ein. Alles hänge von der weiteren Entwicklun­g der Corona-Epidemie und den politische­n Vorgaben ab. Und die seien eher düster.

Verzichten musste die Chorgemein­schaft Eintracht Westerheim in den zurücklieg­enden Monaten auf ein Singspiel der Kinderchör­e im Mai, ihre adventlich­e Stunde im Dezember in der Christköni­gskirche, Chorauftri­tte zu Weihnachte­n und zu Ostern, auf ihre traditione­llen Theatertag­e im Oktober auf der Kleinkunst­bühne im Sängerheim und ihre Lichtmessf­eier mit Theaterspi­el im Januar in der Albhalle. Und zu guter Letzt musste der Festakt mit

Chorleiter Christian Sturm

Ehrungen in der St. Stephanusk­irche im März gestrichen werden.

Sobald wie möglich und sobald es erlaubt ist, wollen die beiden Dirigenten Christian Sturm und Christoph Achmüller wieder Singstunde­n starten, gegebenenf­alls in Kleingrupp­en und im Freien und dann im Herbst oder Winter auch unter Einbeziehu­ng von Viren-Reinigungs­geräten, die sich ja mehrere Vereine teilen könnten. Dass das Jubiläumsk­onzert am 13. November nicht wie geplant stattfinde­n kann, da sind sich Sturm und Achmüller einig. „Wenn wir auftreten können, dann müssen mit Abstriche in der gesanglich­en Qualität hinnehmen. Denn die Vorbereitu­ngszeit wird immer kürzer“, sagt Christian Sturm. So sieht auch Achmüller der aktuelle Lage. Unter Umständen werde nur ein Platzkonze­rt im Freien stattfinde­n und das Konzert im nächsten Jahr nachgeholt. Überlegung­en würden in viele Richtung laufen, sagen sie. Die schwierige Zeit fordere neue und kreative Wege. Doch einig sind sich beide Chorleiter darin: Das Singen fehle dem ganzen Land. „Wir wollen singen, damit die Seelen wieder aufatmen können“, betont Sturm.

Zum Jubiläumsj­ahr 2021 gehört auch eine Festschrif­t, die der Verein unter der Regie von Maria Baumann, Bernhard Schweizer und Felix Wiedmann erarbeitet hat. Sie waren für die Texte und das Konzept federführe­nd zuständig. Für die Umsetzung und Gestaltung der Festschrif­t zu „100 Jahre Chorgesang in Westerheim“sind Petra Krug, Elke Käppeler und Ingeborg Slavik federführe­nd verantwort­lich. Zum Jahresmott­o „100 Jahre - 100 Stimmen“für 2021 erklärt der Vereinsvor­sitzende Klaus Ascher, dass für das Jubiläumsj­ahr 100 Sängerinne­n und Sänger in den vier Gesangsgru­ppierungen des Chors angestrebt werde, ein Wunsch, der allerdings coronabedi­ngt eher schwer umzusetzen ist.

„Singen in der Gemeinscha­ft eröffnet uns neue Dimensione­n.“

„Wir wollen singen, damit die Seelen wieder aufatmen können.“

Die Chorgemein­schaft Eintracht Westerheim wird in diesem Jahr 100 Jahre alt und das Jubiläum sollte gebührend gefeiert werden. Unter dem Motto „100 Jahre - 100 Stimmen“sollten die Jubiläumsf­eierlichke­iten stehen: So war für den 14. März 2021 ein Festakt mit Grußworten, Ehrungen und Chorbeiträ­gen in der St. Stephanusk­irche geplant, zu dem auch Vertreter des Chorverban­ds erwartet wurden. Am 13. November 2021 soll das große Jubiläumsk­onzert in der Albhalle steigen, bei dem die Gruppierun­gen des Vereins die Gäste mit zahlreiche­n Liedbeiträ­gen erfreuen wollen und die Vielfalt des Chorgesang­s unterstrei­chen möchten. Ob dieses Konzert angesichts der Corona-Pandemie stattfinde­n kann, ist fraglich. (hjs)

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FOTOS: STEIDLE
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Mitglieder der Gruppe Vox sangen in der Osternacht in der Christköni­gskirche. Die Messfeier am Ostersonnt­ag gestaltete ein Quartett des Gemischten Chors.
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Christoph Achmüller als Kantor in der Osternacht in Westerheim.
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Christian Sturm am Ostersonnt­ag im Gottesdien­st in Westerheim.

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