Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Landrat: „Uns steht eine schwere Zeit bevor“
Landkreis Neu-Ulm stellt sich auf intensivere Maßnahmen ein – Thorsten Freudenberger will dabei nicht nur auf den Inzidenzwert schauen
NEU-ULM - Erst zum Test, dann in die Sitzung: Den Krankenhausausschuss des Neu-Ulmer Kreistags traf diese Regelung am Freitag als ersten. Kurzfristig hatte das Landratsamt Vorgaben des Robert-Koch-Instituts umgesetzt und bat Kreisräte wie Pressevertreter vor Sitzungsbeginn zum Schnelltest. Weitere Verschärfungen der Maßnahmen dürften auf den Landkreis zukommen. Landrat Thorsten Freudenberger glaubt nicht an eine schnelle Entspannung der Lage. Trotzdem denkt er auch schon an die nächsten Öffnungsschritte.
Die Lage hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verschärft. „Kurz vor Ostern waren wir bei einer Inzidenz von unter 50“, erinnerte Freudenberger. Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis NeuUlm bei 173,5. Der Landkreis liege hier zwar meistens unter dem bayernweiten Durchschnitt, trotzdem gehe der Wert stark nach oben. Besondere Hotspots, zum Beispiel in Betrieben oder Unterkünften, habe es nicht gegeben. „Wenn es Einzelfälle gab, wurden diese sofort isoliert.“
Freudenberger spricht von diffusem Geschehen, das sich hauptsächlich im Privatbereich, in Firmen und auch in Behörden ergebe – überall dort, wo noch Treffen stattfinden. Deshalb auch die Tests vor dem Sitzungssaal. Die Gefahr durch die Mutationen des Coronavirus, vor allem durch die britische Variante, sei offenbar viel größer. „Schon eine kurze Begegnung reicht, um sich anzustecken.“
Freudenberger will den Inzidenzwert allerdings nicht zum alleinigen Gradmesser für die Corona-Lage im Landkreis machen. „Das eigentlich Entscheidende ist die Be- und Auslastung der Intensivstationen“, so der Landrat. 13 Corona-Patienten würden derzeit in der Neu-Ulmer Klinik behandelt, sechs in Weißenhorn. In NeuUlm liege ein beatmeter Corona-Patient auf der Intensivstation, in Weißenhorn sind es fünf. Es ärgere ihn, wenn gesagt werde, das seien ja in Relation zur Landkreisbevölkerung „nicht so viele“: „Tatsächlich reden wir hier von sechs Intensivplätzen, die für eine längere Zeit und von jüngeren Personen belegt werden.“
Laut Stiftungsdirektor Marc Engelhard müssen bis auf Weiteres 50 Prozent der Intensivkapazitäten für Corona-Patienten vorgehalten werden. Aber es gebe eben auch noch andere Patienten, die auf die Intensivstation angewiesen seien, so Freudenberger. Er sieht die Auslastung als Grundproblem der Pandemie an. „Das ist der Flaschenhals, mit dem wir umgehen müssen.“Er wolle, dass auch nach Unfällen, Notfällen oder Operationen Platz für Patienten vorhanden sei.
Der Landkreis arbeite derzeit an der Einführung der Luca-App, mit der Kontakte nachvollzogen werden sollen. „Wir werden die App brauchen, wenn wir Öffnungsschritte angehen“, sagt Freudenberger. An solche sei derzeit zwar noch nicht zu denken. Im Gegenteil. „Ich glaube, uns steht jetzt eine schwere Zeit bevor, die noch härter werden wird, als wir das bisher kennen.“Doch der Landrat hofft auf den Sommer und eine entspanntere Situation, die Öffnungen ermögliche. Dabei sollen vor allem zusätzliche Impfungen helfen.
Derzeit seien im Landkreis NeuUlm etwa 40 000 Impfungen verabreicht worden, teilte Freudenberger mit. Durch die Mitarbeit der Hausärzte sei die Zahl schnell gewachsen. „Wir rechnen damit, dass wir jetzt mehr Impfstoff bekommen.“Der Landkreis möchte dann auch Betriebsärzte in die Impfungen einbeziehen. An der Reihenfolge, in der geimpft werden darf, könne der Kreis natürlich nichts ändern. „Die Priorisierung ist gesetzlich vorgeschrieben, da gibt es nur einen Weg.“Impfarzt Dr. Peter Czermak oder von ihm beauftragte Ärzte träfen die Entscheidung, wer geimpft werde. „Bei uns gibt es keine politische Impfentscheidung“, so Freudenberger. Derzeit seien praktisch alle Menschen in der Priorisierungsgruppe 1 aus dem Landkreis geimpft, es gebe noch wenige Nachimpfungen. Derzeit sei die Priorisierungsgruppe 2 dran. Die Testung des Krankenhausausschusses endete übrigens mit ausschließlich negativen Ergebnissen.