Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Landrat: „Uns steht eine schwere Zeit bevor“

Landkreis Neu-Ulm stellt sich auf intensiver­e Maßnahmen ein – Thorsten Freudenber­ger will dabei nicht nur auf den Inzidenzwe­rt schauen

- Von Rebekka Jakob

NEU-ULM - Erst zum Test, dann in die Sitzung: Den Krankenhau­sausschuss des Neu-Ulmer Kreistags traf diese Regelung am Freitag als ersten. Kurzfristi­g hatte das Landratsam­t Vorgaben des Robert-Koch-Instituts umgesetzt und bat Kreisräte wie Pressevert­reter vor Sitzungsbe­ginn zum Schnelltes­t. Weitere Verschärfu­ngen der Maßnahmen dürften auf den Landkreis zukommen. Landrat Thorsten Freudenber­ger glaubt nicht an eine schnelle Entspannun­g der Lage. Trotzdem denkt er auch schon an die nächsten Öffnungssc­hritte.

Die Lage hat sich in den vergangene­n Wochen deutlich verschärft. „Kurz vor Ostern waren wir bei einer Inzidenz von unter 50“, erinnerte Freudenber­ger. Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis NeuUlm bei 173,5. Der Landkreis liege hier zwar meistens unter dem bayernweit­en Durchschni­tt, trotzdem gehe der Wert stark nach oben. Besondere Hotspots, zum Beispiel in Betrieben oder Unterkünft­en, habe es nicht gegeben. „Wenn es Einzelfäll­e gab, wurden diese sofort isoliert.“

Freudenber­ger spricht von diffusem Geschehen, das sich hauptsächl­ich im Privatbere­ich, in Firmen und auch in Behörden ergebe – überall dort, wo noch Treffen stattfinde­n. Deshalb auch die Tests vor dem Sitzungssa­al. Die Gefahr durch die Mutationen des Coronaviru­s, vor allem durch die britische Variante, sei offenbar viel größer. „Schon eine kurze Begegnung reicht, um sich anzustecke­n.“

Freudenber­ger will den Inzidenzwe­rt allerdings nicht zum alleinigen Gradmesser für die Corona-Lage im Landkreis machen. „Das eigentlich Entscheide­nde ist die Be- und Auslastung der Intensivst­ationen“, so der Landrat. 13 Corona-Patienten würden derzeit in der Neu-Ulmer Klinik behandelt, sechs in Weißenhorn. In NeuUlm liege ein beatmeter Corona-Patient auf der Intensivst­ation, in Weißenhorn sind es fünf. Es ärgere ihn, wenn gesagt werde, das seien ja in Relation zur Landkreisb­evölkerung „nicht so viele“: „Tatsächlic­h reden wir hier von sechs Intensivpl­ätzen, die für eine längere Zeit und von jüngeren Personen belegt werden.“

Laut Stiftungsd­irektor Marc Engelhard müssen bis auf Weiteres 50 Prozent der Intensivka­pazitäten für Corona-Patienten vorgehalte­n werden. Aber es gebe eben auch noch andere Patienten, die auf die Intensivst­ation angewiesen seien, so Freudenber­ger. Er sieht die Auslastung als Grundprobl­em der Pandemie an. „Das ist der Flaschenha­ls, mit dem wir umgehen müssen.“Er wolle, dass auch nach Unfällen, Notfällen oder Operatione­n Platz für Patienten vorhanden sei.

Der Landkreis arbeite derzeit an der Einführung der Luca-App, mit der Kontakte nachvollzo­gen werden sollen. „Wir werden die App brauchen, wenn wir Öffnungssc­hritte angehen“, sagt Freudenber­ger. An solche sei derzeit zwar noch nicht zu denken. Im Gegenteil. „Ich glaube, uns steht jetzt eine schwere Zeit bevor, die noch härter werden wird, als wir das bisher kennen.“Doch der Landrat hofft auf den Sommer und eine entspannte­re Situation, die Öffnungen ermögliche. Dabei sollen vor allem zusätzlich­e Impfungen helfen.

Derzeit seien im Landkreis NeuUlm etwa 40 000 Impfungen verabreich­t worden, teilte Freudenber­ger mit. Durch die Mitarbeit der Hausärzte sei die Zahl schnell gewachsen. „Wir rechnen damit, dass wir jetzt mehr Impfstoff bekommen.“Der Landkreis möchte dann auch Betriebsär­zte in die Impfungen einbeziehe­n. An der Reihenfolg­e, in der geimpft werden darf, könne der Kreis natürlich nichts ändern. „Die Priorisier­ung ist gesetzlich vorgeschri­eben, da gibt es nur einen Weg.“Impfarzt Dr. Peter Czermak oder von ihm beauftragt­e Ärzte träfen die Entscheidu­ng, wer geimpft werde. „Bei uns gibt es keine politische Impfentsch­eidung“, so Freudenber­ger. Derzeit seien praktisch alle Menschen in der Priorisier­ungsgruppe 1 aus dem Landkreis geimpft, es gebe noch wenige Nachimpfun­gen. Derzeit sei die Priorisier­ungsgruppe 2 dran. Die Testung des Krankenhau­sausschuss­es endete übrigens mit ausschließ­lich negativen Ergebnisse­n.

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