Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schwabenkr­imi mit Blick über Ulm hinaus

Helmut Gotschys Kommissar Bitterle taucht erneut in die Donaustadt ein

- Von Simon Schwörer

WAIN/ULM - Eines ist nach der Lektüre von „Tod beim Fischerste­chen“klar: Wer Ulm und seine Traditione­n liebt, bekommt mit dem neuen Buch von Helmut Gotschy nicht nur einen spannenden Kriminalfa­ll zu lesen, sondern auch einen Stadtführe­r an die Hand. Der Autor aus Wain beweist, wie gut er sich in der Donaustadt auskennt, auch wenn er sich dabei manchmal etwas zu sehr in Details verliert.

Der Roman dreht sich wie bereits in den beiden Vorgängern um den brummigen Kommissar Konrad Bitterle. Dieses Mal sind er und seine Kollegen einem Fall rund um das traditions­reiche Ulmer Fischerste­chen auf der Spur. Ein Mann, der beim Fischerste­chen den Ulmer Spatz mimen soll, verschwind­et. Es entspinnt sich eine Suche, garniert mit Verdächtig­en mit unterschie­dlichsten Motiven: wahnhafte Liebe, Eifersucht, Geld. Auf der Suche nach dem Schuldigen bringt sich auch der Kommissar selbst in Gefahr.

Hinzu kommen private Herausford­erungen, etwa die der zielstrebi­gen Kommissari­n Kula Skoulatopu­los, die mit ihrer Partnerin in Ulm eine Wohnung sucht. Dass das für das lesbische Paar ganz schön viel Stress bedeutet, gibt Gotschy perfekt wieder. Zum Schmunzeln bringt den Leser etwa eine Vermieteri­n, die ihre Wohnung loswerden will und darum das Paar auf eine Entscheidu­ng drängt. Es gebe ja ach so viele andere Interessen­ten für die Wohnung an der stark befahrenen Straße.

Die Handlung des Krimis verläuft in zwei Zeitsträng­en, die sich abwechseln und dadurch Stück für Stück die Lösung zusammenfü­gen. Vor allem in der zweiten Hälfte des

Buches nimmt die Story an Fahrt auf. Gotschy behandelt dann Themen, die für einen Schwabenkr­imi unerwartet wirken und doch stimmig in dessen Handlung passen. Schließlic­h dreht sich auch in Ulm nicht immer alles nur um Ulm. So verarbeite­t Gotschy im Roman unter anderem die Auswirkung­en einer psychische­n Krankheit und führt den Leser in finstere Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte zurück.

Doch auch Verweise auf aktuelle politische Ereignisse webt der Autor ein – sei es der Brexit, die Entscheidu­ng gegen Ulm als nationale Batteriefa­brik oder der Bau der Sedelhöfe. Sogar sein Heimatdorf Wain hat es in den Krimi geschafft. Zwar ohne dessen Namen zu nennen. Jedoch sind die Anspielung­en auf die protestant­ische Enklave im Landkreis Biberach und die zurücklieg­ende Hexenjagd auf drei Gemeinderä­tinnen eindeutig.

Die detaillier­testen Beschreibu­ngen entfallen aber auf Ulm. Sei es ein Mann, der bei einer Befragung ein verwaschen­es T-Shirt des Einstein-Marathons trägt, oder seien es Straßen und Orte wie der SciencePar­k, lokale Radiosende­r oder der Ausee. Mit deren Nennung will Gotschy den Leser nach Ulm holen. Und tatsächlic­h: Es kommt das Gefühl auf, als könne man den Roman als Stadtführe­r zur Hand nehmen und damit die Handlungso­rte des Buchs ablaufen, quasi dem Kommissar bei seinen Nachforsch­ungen folgen.

Wer sich in Ulm ein bisschen auskennt, kann sich dank dieser Ausführlic­hkeit genau verorten. Etwa, als Kommissar Bitterle sein Fahrrad in der Gaisenberg­straße an einem Pfosten mit einem Einbahnstr­aßenschild anschließt. Ob diese Detailvers­essenheit die Handlung immer voranbring­t, ist allerdings fraglich. Ein weiteres Beispiel dafür zeigt sich, als Bitterle haarklein rekapituli­ert, was der Opel Diplomat nun für ein Auto war und warum es sich damals in der Oberklasse nicht behaupten konnte.

Bemerkensw­ert sind im Übrigen die alkoholisc­hen Genüsse, denen sich die Figuren im Buch immer wieder hingeben. Zu einem Abend zu zweit gehört auf jeden Fall ein Aperitif, im Fall von Bitterle am liebsten ein Weizenbier.

Auch wenn „Tod beim Fischerste­chen“bereits der dritte Teil in Gotschys Schwabenkr­imi-Reihe ist, klappt der Einstieg auch für Neulinge. Die Figuren werden verständli­ch gezeichnet, nötiges Vorwissen – etwa über zurücklieg­ende Fälle – in kurzen Passagen angeschnit­ten.

„Tod beim Fischerste­chen“(ISBN 978-3-7408-1120-4) von Helmut Gotschy erscheint am 22. April im Emons-Verlag. Der Schwabenkr­imi hat 272 Seiten und kostet Euro 13 Euro.

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PRIVAT: FOTO: Mit „Tod beim Fischerste­cken“erscheint der dritte Band der Krimis um Kommissar Konrad Bitterle.

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