Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Schwabenkrimi mit Blick über Ulm hinaus
Helmut Gotschys Kommissar Bitterle taucht erneut in die Donaustadt ein
WAIN/ULM - Eines ist nach der Lektüre von „Tod beim Fischerstechen“klar: Wer Ulm und seine Traditionen liebt, bekommt mit dem neuen Buch von Helmut Gotschy nicht nur einen spannenden Kriminalfall zu lesen, sondern auch einen Stadtführer an die Hand. Der Autor aus Wain beweist, wie gut er sich in der Donaustadt auskennt, auch wenn er sich dabei manchmal etwas zu sehr in Details verliert.
Der Roman dreht sich wie bereits in den beiden Vorgängern um den brummigen Kommissar Konrad Bitterle. Dieses Mal sind er und seine Kollegen einem Fall rund um das traditionsreiche Ulmer Fischerstechen auf der Spur. Ein Mann, der beim Fischerstechen den Ulmer Spatz mimen soll, verschwindet. Es entspinnt sich eine Suche, garniert mit Verdächtigen mit unterschiedlichsten Motiven: wahnhafte Liebe, Eifersucht, Geld. Auf der Suche nach dem Schuldigen bringt sich auch der Kommissar selbst in Gefahr.
Hinzu kommen private Herausforderungen, etwa die der zielstrebigen Kommissarin Kula Skoulatopulos, die mit ihrer Partnerin in Ulm eine Wohnung sucht. Dass das für das lesbische Paar ganz schön viel Stress bedeutet, gibt Gotschy perfekt wieder. Zum Schmunzeln bringt den Leser etwa eine Vermieterin, die ihre Wohnung loswerden will und darum das Paar auf eine Entscheidung drängt. Es gebe ja ach so viele andere Interessenten für die Wohnung an der stark befahrenen Straße.
Die Handlung des Krimis verläuft in zwei Zeitsträngen, die sich abwechseln und dadurch Stück für Stück die Lösung zusammenfügen. Vor allem in der zweiten Hälfte des
Buches nimmt die Story an Fahrt auf. Gotschy behandelt dann Themen, die für einen Schwabenkrimi unerwartet wirken und doch stimmig in dessen Handlung passen. Schließlich dreht sich auch in Ulm nicht immer alles nur um Ulm. So verarbeitet Gotschy im Roman unter anderem die Auswirkungen einer psychischen Krankheit und führt den Leser in finstere Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte zurück.
Doch auch Verweise auf aktuelle politische Ereignisse webt der Autor ein – sei es der Brexit, die Entscheidung gegen Ulm als nationale Batteriefabrik oder der Bau der Sedelhöfe. Sogar sein Heimatdorf Wain hat es in den Krimi geschafft. Zwar ohne dessen Namen zu nennen. Jedoch sind die Anspielungen auf die protestantische Enklave im Landkreis Biberach und die zurückliegende Hexenjagd auf drei Gemeinderätinnen eindeutig.
Die detailliertesten Beschreibungen entfallen aber auf Ulm. Sei es ein Mann, der bei einer Befragung ein verwaschenes T-Shirt des Einstein-Marathons trägt, oder seien es Straßen und Orte wie der SciencePark, lokale Radiosender oder der Ausee. Mit deren Nennung will Gotschy den Leser nach Ulm holen. Und tatsächlich: Es kommt das Gefühl auf, als könne man den Roman als Stadtführer zur Hand nehmen und damit die Handlungsorte des Buchs ablaufen, quasi dem Kommissar bei seinen Nachforschungen folgen.
Wer sich in Ulm ein bisschen auskennt, kann sich dank dieser Ausführlichkeit genau verorten. Etwa, als Kommissar Bitterle sein Fahrrad in der Gaisenbergstraße an einem Pfosten mit einem Einbahnstraßenschild anschließt. Ob diese Detailversessenheit die Handlung immer voranbringt, ist allerdings fraglich. Ein weiteres Beispiel dafür zeigt sich, als Bitterle haarklein rekapituliert, was der Opel Diplomat nun für ein Auto war und warum es sich damals in der Oberklasse nicht behaupten konnte.
Bemerkenswert sind im Übrigen die alkoholischen Genüsse, denen sich die Figuren im Buch immer wieder hingeben. Zu einem Abend zu zweit gehört auf jeden Fall ein Aperitif, im Fall von Bitterle am liebsten ein Weizenbier.
Auch wenn „Tod beim Fischerstechen“bereits der dritte Teil in Gotschys Schwabenkrimi-Reihe ist, klappt der Einstieg auch für Neulinge. Die Figuren werden verständlich gezeichnet, nötiges Vorwissen – etwa über zurückliegende Fälle – in kurzen Passagen angeschnitten.
„Tod beim Fischerstechen“(ISBN 978-3-7408-1120-4) von Helmut Gotschy erscheint am 22. April im Emons-Verlag. Der Schwabenkrimi hat 272 Seiten und kostet Euro 13 Euro.