Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bereits beschädigt

Der Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur reißt tiefe Gräben in der Union auf

- Von Claudia Kling

BERLIN - Selbst die eigene Frist stellte die Bewerber am Ende vor Probleme. Am Ende der Woche, einige Unionsmitg­lieder hatten dabei optimistis­ch an Freitag gedacht, wollten der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) und Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) die Kanzlerkan­didatenfra­ge entschiede­n haben. Bis zum Sonntagabe­nd gelang das nicht. Zunächst hieß es immer wieder, die Einigung werde „ohne Groll“gelingen. Doch davon sind die beiden Rivalen inzwischen meilenweit entfernt. Die Frage ist nur noch, wie ihre Parteien noch größeren Schaden abwenden können. Denn eigentlich sollten sie ja demnächst gemeinsam in den Wahlkampf ziehen.

Der Machtkampf um die K-Frage der Union entwickelt­e sich am Wochenende zu einer Art Stellungsk­rieg. Während die Hauptkontr­ahenten hinter verschloss­enen Türen um eine Lösung rangen, streckten einige Anhänger des einen oder anderen Lagers den Kopf vor, um sich zu positionie­ren. Die frühere CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die bis zum Januar die Partei führte, blickt derweil mit großem Unverständ­nis auf das Bild, das CDU und CSU gerade abgeben. „Es macht mich als ganz normales Mitglied der CDU traurig“, sagte die Verteidigu­ngsministe­rin am Samstag bei den Königsbron­ner Gesprächen. Sie selbst habe nach dem harten Streit um die Flüchtling­spolitik im Jahr 2018 „sehr viel Energie“in das Zusammenrü­cken der Union gesteckt.

Der gegenseiti­ge Respekt werde infrage gestellt, „wenn Gremien, die erst vor einigen Wochen mit hoher Mehrheit auf einem Bundespart­eitag gewählt worden sind, als ,Hinterzimm­er‘ bezeichnet werden“, so KrampKarre­nbauer. Söder hatte, nachdem sich am vergangene­n Montag sowohl CDU-Präsidium als auch Bundesvors­tand pro Laschet ausgesproc­hen hatten, vom „Hinterzimm­er“gesprochen. Kramp-Karrenbaue­r appelliert­e an ihren direkten Nachfolger an der CDU-Spitze und seinen Konkurrent­en, zu einer Einigung zu kommen. „Ich erwarte Führungsve­rantwortun­g von den beiden Vorsitzend­en von CDU und CSU. Das kann ihnen niemand abnehmen“, sagte sie.

Auf Laschets Seite erhoben vor allem CDU-Mitglieder aus NordrheinW­estfalen das Wort, um seine Eignung als Kanzlerkan­didat zu unterstrei­chen. Josef Laumann, Chef des CDU-Arbeitnehm­erflügels CDA und zugleich Sozialmini­ster in seinem Landeskabi­nett, sagte der „Bild am Sonntag“: „Armin Laschet ist der richtige Kanzlerkan­didat der Union, weil er eine Politik der Mitte und des Ausgleichs verkörpert. Auf ihn ist Verlass, er steht zu seinem Wort.“Doch auch in den aktuellen Umfragen zur Kanzlerkan­didatur vom Freitag liegt Laschet nach wie vor weit hinter Söder. „Der Wunsch in der Mehrheit von Wählern und CDU ist dabei offensicht­lich“, sagte der CDU-Vorsitzend­e von Thüringen, Christian Hirte.

Und auch dieser Vorschlag kam wieder einmal aus der Mottenkist­e – zuletzt war dies während des Seehofer-Merkel-Streits um die Flüchtling­spolitik der Fall gewesen: Der CDU-Europa-Abgeordnet­e Dennis Radtke aus Bochum drohte mit der Gründung eines CDU-Landesverb­andes in Bayern, falls Söder „die Kanzlerkan­didatur erzwingen will“. „Wenn er die CDU zerstören will, dann darf die Gründung der CDU in Bayern kein Tabu mehr sein“, sagte Radtke dem ZDF. CDU und CSU hatten vor Jahrzehnte­n vereinbart, dass sie nicht gegeneinan­der antreten. Diesen Beschluss hatte die CSU-Landesgrup­pe unter Parteichef Franz Josef Strauß 1976 bei ihrer Klausur in Kreuth vorübergeh­end ausgesetzt. Auslöser war ein Streit mit Helmut

Kohl, den Strauß für „total unfähig“hielt. Vier Jahre später scheiterte der CSU-Chef als Kanzlerkan­didat, nachdem er sich in einer Kampfabsti­mmung in der Fraktion gegen Niedersach­sens Ministerpr­äsident Ernst Albrecht (CDU) durchgeset­zt hatte.

Von einer solchen Abstimmung in der Fraktion am Dienstag, die als mögliches Szenario im Raum steht, warnen bereits mehrere Unionsmitg­lieder. „Was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Lösung und keine Kampfabsti­mmung der Fraktion. Ansonsten drohen Gräben aufgerisse­n zu werden, die sich nur schwer wieder zuschütten lassen“, sagte Fraktionsv­ize Carsten Linnemann (CDU). Zuvor hatte bereits Friedrich Merz, der Laschet im Januar knapp bei der Wahl zum Parteivors­itz unterlegen war, von einer Abstimmung in der Fraktion abgeraten. Es sei die „schlechtes­te aller denkbaren Möglichkei­ten“, wenn es dazu komme, sagte Merz. Dass der frühere Fraktionsc­hef selbst in den nächsten Bundestag einzieht, ist wahrschein­lich. Denn am Wochenende wurde Merz in einer Kampfabsti­mmung gegen den bisherigen Abgeordnet­en Patrick Sensburg zum Direktkand­idaten des Hochsauerl­andkreises, einer CDU-Hochburg, gewählt.

Doch welche Alternativ­en gibt es überhaupt noch, um den Machtkampf um die K-Frage möglichst schmerzfre­i zu beenden? Danach, dass der eine oder andere aufgeben wird, sah es am Wochenende nicht aus. Das lange Warten nutzten derweil einige CDU-Landes- und Kreisverbä­nde, um in die Basis „hineinzuho­rchen“, wie Söder es am Montag nach der CSU-Präsidiums­sitzung gefordert hatte. Auch die Junge Union (JU) will es jetzt genau wissen, welchen Kandidaten ihre Mitglieder bevorzugen. Deshalb schaltete sie sich am Sonntagabe­nd in einer Videokonfe­renz zusammen. „Wenn sie uns zwingen, sind wir im Zweifel bereit, als gemeinsame Jugendorga­nisation von CDU und CSU Verantwort­ung zu übernehmen und uns zu positionie­ren“, kündigte JU-Chef Tilman Kuban in der „Bild“-Zeitung an. Erwartet wurde ein klares Votum für Söder.

Was bleiben wird von dieser Woche der vermeintli­chen Entscheidu­ng, steht bereits fest: Die Gräben in der Union sind tief, sehr tief.

 ?? FOTO: KRICK/IMAGO IMAGES ?? Es gab Zeiten, da passte anscheinen­d kaum ein Blatt zwischen Armin Laschet und Markus Söder. Derzeit entzweit sie die K-Frage der Union.
FOTO: KRICK/IMAGO IMAGES Es gab Zeiten, da passte anscheinen­d kaum ein Blatt zwischen Armin Laschet und Markus Söder. Derzeit entzweit sie die K-Frage der Union.

Newspapers in German

Newspapers from Germany