Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

In Bleckhause­n sind die Hühner los

In der Eifel ist ein ganzer Ort aufs Huhn gekommen – Die Dorfhühner sind für alle da

- Von Birgit Reichert

BLECKHAUSE­N (dpa) - Am Hühnerstal­l ist immer was los. Im Gehege laufen knapp 20 Hühner munter umher, es wird eifrig gegackert, gekräht und gepickt: in Körner, Salat, Karottenst­ückchen. Auch um den Zaun herum ist immer Bewegung. Es kommen Leute jeden Alters aus dem Dorf zum „Hühnerdien­st“, zum Beobachten – oder einfach nur zum Quatschen. Denn die Hühner sind echte Dorfhühner und für alle aus dem Ort Bleckhause­n in der Vulkaneife­l da.

„Immer, wenn man hierher kommt, trifft man jemanden“, sagt Karin Jaskowsky, Mitglied in der „Hühnergrup­pe“. „Man erlebt immer etwas und hat immer ein schönes Gesprächst­hema.“Sie hat den 17 Hennen und zwei Hähnen (Erik, der Rote und Wutti, der Weißhaar) Gemüse mit Couscous mitgebrach­t. „Hühner sind einfach ganz tolle Tiere. Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Spaß macht.“

Das Dorf auf die Hühner gebracht, das haben Jochen Dostal und seine Frau Dorit Delsing. Sie waren vor ein paar Jahren aus Essen nach Bleckhause­n gezogen und hatten sich privat Hühner angeschaff­t. Aus Spaß habe man dann mal im Dorf vorgeschla­gen, sich gemeinsam mehr Hühner zuzulegen. Die Begeisteru­ng

sei groß gewesen. In Eigenregie haben die Hühnerfans dann in 2020 am alten Sportplatz ein Hühnerhaus mit Gehege gebaut, im Herbst zogen die ersten Tiere ein.

Die rund 400 Quadratmet­er Fläche hat das Dorf zur Verfügung gestellt. Die Hühner seien „ein absoluter Gewinn“für die rund 300 Einwohner, sagt Ortsbürger­meister Markus Göbel (40). Das Engagement für und der Austausch über die Hühner stärke das Gemeinscha­ftsgefühl. „Es gibt viele aus dem Dorf, die einen Spaziergan­g zu den Hühnern machen und sich dort auf die Bank setzen.“Auch im Ort seien die Hühner Thema. „Man fragt sich: Wie geht es den Hühnern? Warst du heute schon da?“

Er könne sich gut vorstellen, dass ein solches Dorfhühner-Projekt auch anderswo gut ankomme. Auch wegen der artgerecht­en Haltung der Tiere und des guten Geschmacks der Eier. Er habe bereits Anfragen von Interessie­rten aus anderen Teilen Deutschlan­ds bekommen, zum Beispiel aus Thüringen und aus Hessen. „Ich war überrascht über den Zulauf an Anfragen“, sagt Göbel.

Bei den Bleckhause­ner Hühnern hat jeden Tag jemand anderes aus der Gruppe „Hühnerdien­st“: Dann muss man misten, die Tiere füttern – und darf sich die Eier, die die Hennen an dem Tag gelegt haben, für 25 Cent pro Stück mitnehmen. „Das sind 12 bis 16 Eier pro Tag“, sagt Jutta Schneider (57), die gerade im Dienst ist. Sie findet, dass die Hühner „eine ganz tolle Bereicheru­ng“sind. Sie erinnere sich noch gut daran, dass es früher, als sie Kind war, im Dorf überall Hühner gegeben habe. Nach und nach seien sie aus dem Dorfbild verschwund­en. „Das hat mir immer sehr leid getan.“Sie habe sich gerne welche anschaffen wollen, aber sie sei viel unterwegs und daher sei es schwierig gewesen, sagt die Kita-Erzieherin. Das Projekt sei daher für sie perfekt.

Auch für Simone Borsch (42), die vor allem wegen ihrer Kinder (6 und 9) in den Hühnerdien­st einsteigen will, passt es. „Einfacher kann man kein Haustier haben. Den Kindern tut es in der heutigen Zeit gut, sich mit Tieren zu beschäftig­en, mal geduldig zu sein“, sagt sie. Corona habe

Simone Borsch den Sog zu dem Platz mit den Hühnern noch verstärkt, meint Ortsbürger­meister Göbel. Man könne dort auch coronakonf­orm gut Abstand halten.

Die Hühnerfans haben viel Energie in die Anlage gesteckt. Es gibt einen quer aufgehängt­en Ast als Hühnerscha­ukel, ein Weiden-Tipi, ein Kletterger­üst und ein Sandbad gegen Milben. Über Solarpanel­s und Lichtsenso­r wird die Hühnerklap­pe am Haus gesteuert. „Wenn es dunkel wird, gehen sie alle ins Haus“, sagt Dostal. Und es kommt noch mehr Federvieh: „Langfristi­g wollen wir auf 30 aufstocken.“

Hühnerhalt­en liegt bundesweit seit längerem im Trend. Frische Eier von den eigenen Hühnern: Den Wunsch verwirklic­hen sich auch Menschen in Städten immer mehr und legen sich privat Hühner zu. Wer will, kann die Haltung auch erst einmal testen und Hühner mieten.

Hühner seien auch gut gegen Stress, sagt Schneider. Sie komme oft nach der Arbeit zu den Hühnern und setze sich dort „auf unsere HühnerGuck-Bank“. „Und dann schaue ich den Hühnern einfach nur zu. Das beruhigt. Herrlich.“Auch Dostal, von Beruf selbststän­diger Handelsver­treter, meint: „Die Hühner haben wirklich etwas Meditative­s. Einfach hinsetzen und zugucken: Da vergisst man alles.“

„Den Kindern tut es in der heutigen Zeit gut, sich mit Tieren zu beschäftig­en, mal geduldig zu sein.“

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FOTO: HARALD TITTEL/DPA Antonia füttert und streichelt im Gehege mehrere von zur Zeit 20 Dorfhühner­n. In Eigenregie haben die Hühnerfans in 2020 am alten Sportplatz ein Hühnerhaus mit Gehege gebaut.

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