Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Er war ein Riedlinger Urgestein
Josef Braun starb kurz vor seinem 100. Geburtstag
RIEDLINGEN - Die Laudatio war geschrieben und das musikalische Ständchen der Stadtkapelle zum 100. Geburtstag von Josef Braun am 16. April vorbereitet, da erreichte den Vorsitzenden der Stadtmusik, Jürgen Berger, die Nachricht vom Tod des Mannes, der sich 75 Jahre lang als Musiker in der Kapelle eingebracht hatte.
Als Adolf Schranz 1930 mit 20 Buben im Keller der Schule eine Knabenkapelle gründete, war Josef Braun dabei. Er erlernte das Spiel auf der Trompete, wechselte später zu Saxofon und Klarinette. Saxofon spielte er vor allem in der Tanzbesetzung der Stadtkapelle, die er leitete und die einst am Kappenabend und anlässlich des Gallusmarktes zum Tanz lud.
Der Beruf des Maschinenund Flugmotorenschlossers verhalf Braun im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz als Repara- teur von Flugzeugen. Dennoch geriet er in französische Gefangenschaft, musste in Terroles in Südfrankreich einem Flüchtlingspaar aus Spanien bei Waldarbeiten helfen, wie Jürgen Berger weiß. Die Verbindung zu dem Dorf hielt er nach seiner Entlassung aufrecht, engagierte sich dort und wurde zum Ehrenbürger ernannt. Eine der vielen Ehrungen, die Josef Braun zuteil wurden, dem Mann, der immer ein Lächeln auf den Lippen hatte.
Nach Hause zurückgekehrt, nahm er seinen Musiker-Platz in der Stadtkapelle wieder ein. Erst im Alter von 84 Jahren legte er sein geliebtes Instrument, die Es-Klarinette, zur Seite. „Woisch, spiela kennt i immer noh, abr i seh halt d’Nota nimme“, überliefert Berger den Kommentar Brauns dazu. Die Erich Ganzenmüller-Medaille würdigte dieses 75-jährige Engagement des Musikers, der bei der Stadtkapelle auch immer wieder als Dirigent ausgeholfen hatte.
Josef Braun war gerne unter Menschen und so engagierte er sich auch in der Narrenzunft Gole. Von 1957 bis 1990 gehörte er dem Narrenrat der Zunft an, wurde danach zum Ehrennarren ernannt. Die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte
zeichnete sein Engagement rund um das Fasnets-Brauchtum mit der Ehrennadel in Bronze aus. „Er hatte alle Orden der Zunft“, berichtet Berger: Jubiläumsorden, den kleinen und den großen Gole-Orden, den kleinen und großen Froschkuttelnorden. Als er 2016 zum 75. Mal am Froschkutteln-Essen teilnahm, gab’s für ihn eine „Kutteln“-Ehrenurkunde – bis dato ein bislang einmaliger Rekord. Als „Riedlinger „Urgestein“und „echtes Original“bezeichnete Zunftmeister Thomas Maichel Braun in seiner Laudatio. Und der erinnerte sich an die verschiedenen Stationen des fasnächtlichen Mahls, die er miterlebte, angefangen vom „Storchen“, in den man „nur auf Einladung“kam. Im „Engel“, dem „Hirsch“, dem „Mohren“und schließlich im Rathaus hat er die Innereien verzehrt, ohne jemals abgerutscht zu sein. Schließlich mussten die Musikanten die Gäste nach dem Mahl unter dem närrischen Volk begrüßen. Genutzt hat die Narrenzunft dafür seine beruflichen Fähigkeiten als Schlosser. So sorgte Braun dafür, dass die Haken für die Rutsche richtig angebracht waren.
In Dankbarkeit gedenkt auch die Freiwillige Feuerwehr Riedlingen des Verstorbenen. Als junger Mann trat er bei ihr ein, übernahm besondere Verantwortung als Maschinist und Fahrer eines Löschfahrzeugs. Geschätzt wurde der enorme technische Sachverstand Brauns, der zuletzt als Werksmeister bei der Maschinenfabrik Gairing tätig war. Für jedes technische Problem hatte er eine Lösung, weiß der langjährige Musikerkamerad Eckhart Wall und berichtet von einer Brillen-Reparatur mittels einer Lüsterklemme.
Privat hatte Josef Braun sein Glück bei seiner Lydia gefunden, die zusammen mit ihrer Mutter einen fahrbaren Kiosk auf dem Marktplatz betrieb. Vielen ist noch in Erinnerung, wie er zusammen mit seiner Frau das Wägelchen morgens dorthin und abends wieder zurück transportierte.
Josef Braun hatte viel zu erzählen und die Menschen hörten ihm gerne zu. Jetzt ist seine Stimme verstummt.