Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
SPD Alb-Donau/Ulm überrumpelt: Kandidat Sen zieht fünf Monate vor Bundestagswahl zurück
Diese Gründe nennt der Illerkirchberger Bauunternehmer – Er kritisiert auch Hilde Mattheis – Partei muss nun auf die Schnelle einen Nachfolger finden
ULM/ALB-DONAU-KREIS (rau) Fünf Monate vor der Bundestagswahl am 26. September muss die SPD im Wahlkreis Ulm/Alb-Donau-Kreis Ausschau nach einem neuen Kandidaten halten. Hasan Sen, Bauunternehmer aus Illerkirchberg, teilte seiner Partei am Donnerstagvormittag mit, dass er doch nicht zur Verfügung stehe.
Sen (48) war Anfang Januar in Blaustein von der SPD aus Ulm und dem Alb-Donau-Kreis als Kandidat des hiesigen Wahlkreises bei der Bundestagswahl nominiert worden – einstimmig. „Aufregend“fühle sich dies an, teilte der Illerkirchberger danach der „Schwäbischen Zeitung“mit. Mit dem Rückzieher hat er nun seinerseits für ziemliche Aufregung gesorgt.
Doch Sen scheint triftige Gründe zu haben. Sie lägen auch im gesundheitlichen Bereich, teilt er der „Schwäbischen Zeitung“mit. Allerdings nicht ausschließlich. Denn es habe auch interne Punkte gegeben im Zuge der Vorbereitung des Wahlkampfes, die ihn gestört hätten. Zum Beispiel das Budget, das zur Verfügung steht. Aber auch mit Noch-Abgeordneter Hilde Mattheis, in deren Fußstapfen Sen eigentlich treten wollte, geht er ins Gericht. Er habe sich mehr Unterstützung von ihr erhofft. Vorwürfe, die die Kritisierte zurückweist. Das mache sie „sprachlos“, wird Mattheis zitiert.
Jan Rothenbacher, Co-Vorsitzender der SPD im Alb-Donau-Kreis (dieser bildet gemeinsam mit der Stadt Ulm den Bundestagswahlkreis 291), hat die Presse über Sens Schritt informiert. Man respektiere diesen, sagte Rothenbacher, sei aber „ein bisschen überrascht“. Das dürfte stark untertrieben sein. Viel eher dürften Rothenbacher und die anderen Genossen in der Region aus allen Wolken gefallen sein. Nur noch 20 Wochen, dann wird gewählt.
Sen schränkt ein: Völlig unvermittelt dürfte seine Entscheidung für seine Parteifreunde nicht gekommen sein. Es habe bereits im Vorfeld Gespräche über seinen möglichen Rückzug gegeben. Er lege die Kandidatur nun aber nicht im Groll nieder. „Die SPD ist meine große Liebe.“
Offenbar hat sein Rückzieher aber auch etwas mit seinen Aussichten zu tun, auf einem sicheren Listenplatz der Landes-SPD platziert zu werden. Dies wird zwar erst noch offiziell festgelegt, am 8. Mai bei einem hybriden Parteitag in Göppingen. Schon jetzt sei klar, so Rothenbacher, dass Sen mit einem Platz „im starken Mittelfeld“hätte rechnen können. Jedoch: Der Einzug in den Bundestag wäre über diesen Weg unwahrscheinlich gewesen. Nur die Spitzenplätze hätten hier Chancen, so Rothenbacher.
In der Vergangenheit hatte Sen hingegen immer wieder klar gemacht: Dass er über die Landesliste in den Bundestag einziehen möchte. Und sich optimistisch gezeigt, dies auch zu schaffen. Die eher mauen Aussichten dürften ihn nun enttäuscht haben.
Bliebe natürlich noch der Weg über das Direktmandat. Doch sogar Rothenbacher macht klar: Dass ein SPD-Kandidat in der Region die meisten Erststimmen bekommt, käme einer Sensation gleich.
Nun müssen die Spitzen der SPD aus dem Alb-Donau-Kreis und Ulm einen neuen Kandidaten finden. Denn die SPD wolle auf jeden Fall Flagge zeigen im Wahlkampf, so Rothenbacher. Wegen einzuhaltender Fristen könne eine neue Nominierungsveranstaltung frühestens in zwei Wochen über die Bühne gehen. Bedeutet auch: Auf der SPD-Landesliste wird aller Voraussicht nach gar kein Ulmer Kandidat auftauchen.
Finanziell scheint der Rückzieher fürs lokale SPD-Wahlkampf-Budget verschmerzbar. Es seien noch keine Ausgaben getätigt worden, die an der Person Sen hingen, so Rothenbacher. „Die Plakate sind noch nicht gedruckt.“Was er ausschließen kann: Dass Hilde Mattheis in die Bresche springt. Rothenbacher verweist auf ihr Alter (66). „Sie hat sich ihren Ruhestand jetzt wirklich verdient.“