Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Allein im Schützenhaus
Sportschießen: Der Allmendinger Ralf Junghans hält sich fit, vermisst aber die Wettkämpfe – Das sagt der Kreissportleiter
ALLMENDINGEN/LAICHINGEN Seit mehr als einem Jahr müssen die Schützen in der Region auf Wettkämpfe verzichten. Auch das Training ist seit langem nur eingeschränkt möglich. Manche Schützen verzichten von sich aus aufs Training – vor allem, weil sie nicht allein am Schießstand sein wollen und ihnen etwas Wichtiges fehlt: Geselligkeit und Austausch mit anderen. Auch Ralf Junghans vom SV Allmendingen vermisst derzeit viel, was für ihn den Schießsport ausmacht. Doch der Oberschützenmeister seines Vereins, dekoriert mit Erfolgen bis hinauf auf nationaler Ebene, motiviert sich zum regelmäßigen Training. Weil es eines Tages wieder Wettkämpfe geben wird – womöglich schon im Sommer.
Ralf Junghans, der auch Kreissportleiter und damit zuständig für die Organisation der Kreismeisterschaften ist, erinnert sich an die bisher letzten Wettkämpfe im Ehinger Schützenkreis. Mehr als ein Jahr ist es her, Februar 2020, dass die Kreis-Titelkämpfe ausgetragen wurden. Kurz darauf wurden an den Schützenhäusern die Türen für einige Monate geschlossen, fielen weitere Wettkämpfe ebenso aus wie Trainingseinheiten oder Versammlungen. „Im ersten Lockdown haben wir komplett dichtgemacht“, sagt Junghans.
Im Sommer vergangenen Jahres öffneten die Schützenhäuser wieder, doch Normalität stellte sich nicht ein bei den Vereinen. Wie auch. Strenge Auflagen mussten umgesetzt und eingehalten werden. Aus Vorsicht kehrten etliche Sportschützen nicht an den Schießstand zurück, sie verlängerten die Trainingspause. Gerade Ältere hätten sich Sorgen gemacht wegen Corona, sagt Ralf Junghans. Dabei unternahmen die Schützenvereine wie der SV Allmendingen sehr viel für die Sicherheit in ihren Sportstätten. „Wir haben einiges getan, um im Sommer 2020 coronakonform zu arbeiten.“
Im Herbst folgte der nächste Lockdown; diesmal war das Allmendinger Schützenhaus nur kurzzeitig geschlossen, dann bot sich wieder die Möglichkeit zum Training – in Gruppen durften sich die Schützen an den Schießständen aber nicht mehr aufhalten. „Es durfte nur eine Person rein, die sich bei mir anmelden und den Schlüssel abholen musste“, so Junghans.
Etwa ein halbes Dutzend Schützen habe regelmäßig angefragt und trainiert, sagt Ralf Junghans. Auch er selbst sei regelmäßig zum Schießstand gegangen. In den vergangenen Monaten konzentrierte sich Junghans nach eigenen Worten auf das Training mit der Luftpistole. Seine Vorderlader-Waffen, mit denen der vielseitige Sportschütze aus Allmendingen ebenfalls schon viele Erfolge bei Meisterschaften verbuchte, blieben im Schrank. „Für Vorderlader kann ich mich zurzeit nicht begeistern“, sagt er. Auch weil das Schießen mit diesen sehr ursprünglichen Waffen mehr Vorbereitung erfordert und damit zeitaufwendiger ist. Außerdem fehle ihm im Training mit Vorderladerwaffen mehr als sonst der Austausch mit anderen Schützen, die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Probleme zu erörtern. „Es ist schwierig, sich zu motivieren.“
Anders beim Schießen mit der Luftpistole. „Da gehe ich zum Schießstand, schalte nur die Anlage ein“, sagt Junghans. „Da habe ich keine Vorbereitungszeit.“Drei- bis fünfmal pro Woche ging der Allmendinger zuletzt ins Schützenhaus, trainierte stets mit der Luftpistole, was sich auch auswirkte: „Luftpistole macht zurzeit richtig Spaß, das intensive Training führt zu einer Leistungssteigerung.“Ralf Junghans betrachtet das Schießen mit der Luftpistole
in Zeiten der Pandemie als eine Art Grundlagentraining, das ihm hilft, in Form und im Rhythmus zu bleiben – auch wenn er nach Ende der Beschränkungen und bei zukünftigen Wettkämpfen auch wieder andere Waffen in die Hand nehmen wird. „Ich denke, dass durch das Grundlagentraining mit der Luftpistole grundsätzlich einiges erhalten bleibt.“Dagegen würden Schützen, die ein Jahr oder mehr „gar nichts gemacht haben, anfangs Probleme haben“, ist der Allmendinger überzeugt.
Seinem Hobby in diesen schwierigen Zeiten nicht nachzugehen, ist für den Oberschützenmeister undenkbar. Er hat für dieses Jahr geplante Wettbewerbe im Hinterkopf. Die Kreismeisterschaften wurden zwar abgesagt, auch die Bezirksmeisterschaften finden nicht statt. Die württembergischen Titelkämpfe dagegen sollen im Sommer ausgetragen werden, auch die deutschen Meisterschaften sind vorgesehen. Darüber hinaus wären in diesem Jahr die Vorderlader-Weltmeisterschaften, an denen Junghans bisher noch nie teilgenommen hat, die ihn aber ebenso wie die Europameisterschaften ungemein reizen würden. Für eine internationale Meisterschaft müsste er sich über die DM-Rangliste qualifizieren, was ihm in der Vergangenheit nicht gelang. „Meine beste Platzierung bei deutschen Meisterschaften der Rangliste war Rang 23, da war ich relativ nah dran“, sagt er. Die besten 18 Schützen von der deutschen Rangliste sind qualifiziert. „Die Ausscheidung ist knallhart“, so Junghans.
Gleichwohl ist eine Teilnahme an Europa- oder Weltmeisterschaften im Vorderladerschießen und der Wettstreit mit den besten Schützen Europas und der Welt weiter ein Traum für den Allmendinger. Internationales Flair bekam Ralf Junghans vor wenigen Jahren einmal bei einem Grand Prix vor Augen geführt – eine Veranstaltung, die er in bester Erinnerung hat. „Das war ein tolles Erlebnis“, sagt Junghans. Ein weiteres Mal international zu schießen bleibt das große Ziel.
Doch eine WM oder EM ist derzeit fern, die aktuellen Hoffnungen des Sportschützen sind viel naheliegender. „Dass wir wieder aufmachen dürfen“, dies wünscht sich Junghans. Und dass die Renovierungsarbeiten im Schützenhaus weiter voranschreiten. Seit zwei Jahren arbeiten die Allmendinger an einer neuen Lüftungsanlage („Das Projekt hatte jetzt nichts mit Corona zu tun“), zudem wurden „kleinere Schönheitsreparaturen“vorgenommen. So habe man den Jugendraum, einen Rückzugsort für die zahlreichen Jungschützen im Verein, auf Vordermann gebracht, so Junghans. „Richtig heimelig war der Raum nicht, jetzt ist er es aber schon.“Wobei man noch nicht ganz fertig ist. In Zeiten der Pandemie ist nicht nur das Schießen, sondern sind auch Arbeiten im
Schützenheim nur eingeschränkt möglich.
Ein weiterer Wunsch des Oberschützenmeisters betrifft die Kassenlage, denn die Lockdowns treffen Sportvereine auch finanziell. Das Geld, das der Verein über Mitgliedsbeiträge einnimmt, dient zur Deckung der laufenden Kosten; für größere Investitionen sind die Einnahmen aus Veranstaltungen gedacht – von Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstage oder andere Feiern, die in normalen Jahren laut Junghans alle vier bis sechs Wochen im Allmendinger Schützenhaus stattfinden. Für den Verein sind diese Feste eine wichtige Einnahmequelle, die aber momentan und schon seit Monaten versiegt ist.
Ralf Junghans ist überzeugt, dass – wenn sich die Infektionslage entspannt und ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist – der Betrieb ohne Verzögerungen wieder anläuft. Der Festbetrieb und ebenso der Sportbetrieb. „Wir werden relativ schnell wieder das Schützenhaus voll haben“, sagt der Oberschützenmeister. Dass dann womöglich etliche Schützen nicht mehr dabei sind, weil sie ihre Mitgliedschaft aufgegeben haben, damit rechnet er nicht. Mehr als 220 Mitglieder hat der SV Allmendingen als einer der größten Schützenvereine des Ehinger Schützenkreises, darunter 85 passive. An dieser Zahl habe sich ungeachtet der starken Einschränkungen und des weitreichenden Stillstands des Vereinslebens nichts geändert, so Junghans, der auch nicht davon ausgeht, dass noch Mitglieder abspringen oder womöglich gar zur Konkurrenz abwandern. „Alle Vereine sind dicht, es betrifft alle gleichermaßen.“
Der Allmendinger Oberschützenmeister hält den Zusammenhalt unter den Schützen in den Vereinen für groß genug, um diese schwierige Zeit zu überstehen. Er sieht andere Sportarten eher in Gefahr, dass sie Mitglieder verlieren. „Ich denke, dass es uns nicht so hart treffen wird wie andere.“