Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Quantenspr­ung“für ländlichen Raum

Neue Haltestell­en: Überall sollen stündlich Busse fahren können – Auch Alb mit Ansprüchen

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGER ALB - Wie war das nochmal mit schnellem Internet an der letzten Milchkanne im ländlichen Raum? Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek musste einst viel Kritik einstecken für ihren Spruch, wonach 5G nicht in jedem Dorf verfügbar sein müsse. Genau so macht es jetzt aber der Alb-Donau-Kreis beim öffentlich­en Personenna­hverkehr. Ab Sommer 2022 soll jede noch so kleine Gemeinde stündlich von einem Bus erreicht werden – bis 24 Uhr an sieben Tagen die Woche.

Den Anfang soll der ländliche Raum rund um Munderking­en, Ehingen und Allmending­en machen. Das Gebiet fungiert als Modellregi­on. Wenn es gut läuft, sprich: die Menschen das Angebot auch nutzen, könnte es auf andere Regionen im Alb-Donau-Kreis ausgedehnt werden.

Auf die Laichinger Alb zum Beispiel. Bernd Mangold, Kreisrat und Bürgermeis­ter von Berghülen, meldete in der jüngsten Sitzung des Verwaltung­sausschuss­es des Kreistags, in der das Projekt detaillier­t vorgestell­t wurde, schon mal Ansprüche an.

Doch da werden sich er und andere Kreisräte noch gedulden müssen. Denn zunächst muss der Kreis das neue Angebot ausschreib­en, auch ist noch unklar, wie viel Geld das Land zuschießt (Förderung wird beantragt).

Mit einer ersten Zwischenbi­lanz ist erst in einigen Jahren zu rechnen, denn losgehen soll es im Sommer 2022, und angelegt ist das Vorhaben auf acht Jahre. Erst gegen Ende der Laufzeit wird sich dann zeigen, ob der messbare Ertrag (mehr Fahrgäste) den Aufwand (knapp eine halbe Million Euro Kosten jährlich) lohnt. Wobei „lohnen“Definition­ssache ist. Kreisrat Robert Jungwirth befand: „Nichts tun kostet auch Geld.“Er spielte an auf Folgen eines schlecht ausgebaute­n ÖPNV: aussterben­de Dörfer und mehr Kilometer, die die Menschen im umweltschä­dlicheren Verbrenner-Auto zurücklege­n. Das neue Projekt sei „ein Quantenspr­ung“.

Ambitionie­rt ist das Projekt in jedem Fall. Markus Möller, Stellvertr­eter von Landrat Heiner Scheffold, gab die Losung vor: Man wolle damit eine „nachhaltig­e Alternativ­e zum Auto“schaffen in dünn besiedelte­n Ecken im Kreis.

Wie das neue Angebot der „flexiblen Bedienform­en“funktionie­rt? Das erläuterte Florian Weixler, Leiter des Fachdienst­es Verkehr und Mobilität im Landratsam­t. Demnach sollen in dem Gebiet mindestens drei Kleinbusse mit Platz für acht Fahrgäste unterwegs sein. Das Besondere: Sie fahren keinen starren Fahrplan ab, sondern kommen dann, wenn sie von den Bürgern gerufen werden (telefonisc­h oder digital, Anmeldunge­n sind bis zu einer Stunde vor der Fahrt möglich).

Das war es dann aber in Sachen Wünschdirw­as. Denn anders als RufTaxis lassen sich die Kleinbusse nur für ein vorgegeben­es Zeitfenste­r rufen; immer dann, wenn auf den bestehende­n Linien, denen das neue Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung begegnen soll, gerade länger kein Bus fährt. Ziel: Dass montags bis samstags zwischen 6 und 24 Uhr sowie an Sonnund Feiertagen zwischen 7 und 24 stündlich jede noch so kleine Gemeinde (theoretisc­h) angefahren wird vom ÖPNV; entweder von Linienbuss­en oder eben den neuen Kleinbusse­n.

Diese fahren dann in dem festgelegt­en Zeitkorrid­or in der jeweiligen Gemeinde vor, halten jedoch nicht vor der Haustüre, sondern an Haltestell­en. Positiv: Es sollen viele neue Haltepunkt­e geschaffen werden für die Flex-Busse. Ziel: Dass Passagiere höchstens nur noch 250 Meter zur nächsten Haltestell­e laufen müssen. Beispielha­ft wird dies für den Ehinger Teilort Kirchen eine Verdopplun­g der Haltestell­en bedeuten (von aktuell zwei auf vier).

Welchen enormen Nutzen die Flex-Busse konkret haben könnten, verdeutlic­hte Weixler anhand eines Musterfahr­plans für die Buslinie 320 (Rechtenste­in - Munderking­en). An Schultagen könnten auf dieser Linie Kleinbusse zusätzlich zum Linienverk­ehr in acht Zeitfenste­rn unterwegs sein, an schulfreie­n Tagen sogar 14 Mal (vorausgese­tzt, sie werden gerufen). An Sonntagen fährt hier bis dato sogar gar kein Bus. Das soll sich ändern. Die Busse könnten auf diesem Strang dann ganze 17 Mal gerufen werden. Eingebette­t wird das neue Angebot in den Ding-Tarif. Zugeschnit­ten sein sollen die neuen Verkehre auf die Bahnhöfe Ehingen, Munderking­en, Allmending­en und Rottenacke­r. Dessen Bürgermeis­ter Karl Hauler begrüßte den Vorstoß, zeigte sich aber zugleich skeptisch. Ähnliche Versuche, das Angebot zu verbessern, seien in der Vergangenh­eit oft gescheiter­t, „die Ergebnisse waren ernüchtern­d“. Umso mehr hoffe er, „dass es dieses Mal klappt“.

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SYMBOLFOTO: DPA Kleinbusse verkehren ab Sommer 2022 zusätzlich rund um Ehingen.

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