Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kalter April und wenig Regen bremsen die Natur aus

Vertreter von Forst, Gartenbauv­ereinen und der Landwirtsc­haft bemerken das Phänomen, sind aber nicht übermäßig beunruhigt – Generell zwei Wochen Verspätung

- Von David Drenovak

ALB-DONAU-KREIS - In jüngster Zeit hört man unter Gartenbesi­tzern immer wieder den Satz: „Die Natur ist in diesem Jahr spät dran.“Damit ist dann meist die verzögerte Blüte von Blumen oder auch Obstbäumen gemeint oder manchmal einfach nur, dass die eigene Hecke heuer irgendwie nicht so richtig grün werden will. Ob die Natur wirklich spät dran sein kann, ob der Rekordkalt­e April die Verzögerun­g mit sich gebracht hat, oder ob die Natur in den vergangene­n Jahren einfach „früher dran“war: Die Redaktion hat bei Gartenund Pflanzexpe­rten aus der Region nachgefrag­t.

Generell kann die Natur nicht „zu spät“dran sein, allerdings bleiben Pflanzen und auch Tiere in ihrer Entwicklun­g zurück, wenn an nicht genügend Tagen passende Bedingunge­n für Wachstum oder Entwicklun­g vorliegen. Forstmann Timo Allgaier, Leiter des Forstrevie­rs Merklingen, sieht die Situation mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Pflanzen brauchen für ihr Wachstum Licht, Wärme, Wasser und Nährstoffe. Ist eines dieser Elemente nicht ausreichen­d vorhanden, findet kein oder nur minimales Pflanzenwa­chstum statt. Daher haben die spürbar niedrigen Temperatur­en und der vergleichs­weise geringe Niederschl­ag im April unmittelba­r mit der verzögerte­n Entwicklun­g zu tun. Diese Wachstumsh­emmung ist überall im Wald deutlich zu sehen“, sagt Allgaier.

Es gebe für den Forst aber auch einen Vorteil. Die kühle Witterung hat die Entwicklun­g des Borkenkäfe­rs deutlich verzögert. Damit bleiben den Waldbesitz­ern in diesem Jahr etwa zwei bis drei Wochen mehr Zeit, der Forstexper­te schätzt bis Mitte Mai, die noch im vergangene­n Jahr befallenen Bäume aus dem Wald zu entfernen, bevor sich der Käfer fertig entwickeln kann und ausfliegt. Sobald die Temperatur­en über die Marke von 16 Grad Celsius steigen, beginnt der Schwärmflu­g des Borkenkäfe­rs. Dann sollte in Fichtenbes­tänden am besten wöchentlic­h auf Frischbefa­ll kontrollie­rt werden, erklärt Allgaier.

Im Vergleich zur internatio­nalen Referenzpe­riode von 1961 bis 1990 sei der vergangene April lediglich geringfügi­g „zu kühl“gewesen, erläutert Forstmann Allgaier weiter. Vergleiche man ihn aber mit den Aprilmonat­en der vergangene­n 30 Jahren, so war er deutlich kälter (rund 3 Grad Celsius) als der Durchschni­tt dieser Jahre. Wald und Pflanzen wachsen jedoch nur an Vegetation­stagen. Dazu muss das Tagesmitte­l der Temperatur aber über fünf Grad liegen. Was bei genauer Betrachtun­g zeigt, dass aus diesem Grund in der Region wenige Tage im April dieses Jahres für das Pflanzenwa­chstum geeignet waren. Zusätzlich verschlech­terte noch die spürbare Trockenhei­t die Entwicklun­gschancen der Vegetation.

Günter Stolz, Vorsitzend­er des Kreisverba­nds der Obst- und Gartenbauv­ereine, geht im Garten und Obstbauber­eich, ähnlich wie Forstmann Allgaier im Wald, von einer „Verspätung“von rund zwei Wochen aus. Der Merklinger ist sich auch bei den Ursachen mit seinem Vorredner einig und sagt: „Nach einem relativ normalen

März hat der kälteste April seit 40 Jahren in Verbindung mit geringem Niederschl­ag diese Verzögerun­g verursacht. Es gibt dadurch eine generelle Verzögerun­g im Wachstum der Pflanzen. Steinobst, Kernobst, Ziersträuc­her sind in gleichem Maß betroffen.“Zwei Wochen seien zudem kein außergewöh­nliches Ausmaß, deswegen hätten sich die Mitglieder und Vereine noch nicht gemeldet.

Ernst Buck, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Ulm-Ehingen, betrachtet die Vegetation­sentwicklu­ng in der Landwirtsc­haft differenzi­ert. So seien einige Anbau-Pflanzen in der Region

ganz normal entwickelt, wie beispielsw­eise der Raps. Auf den Wiesen zur Futtermitt­elprodukti­on könne man teilweise aber noch mit dem „Rasenmäher drüber gehen, anstatt mit dem Mähwerk zur Silage“. Alles in allem bewege sich das Wachstum im Rahmen. In den vergangene­n zwei Jahren hingegen wäre die Region durchaus früher dran gewesen, was möglicherw­eise bei vielen Leuten dafür sorge, dass sie den Unterschie­d wahrnehmen. Ernst Buck sagt: „Ich mache mir da keine Sorgen. Es kommt immer darauf an, wie das restliche Jahr wird. Die Natur kann nämlich vieles wieder aufholen.“

 ?? SYMBOLFOTO: DPA/OLIVER BERG ?? In Nordrhein-Westfalen hat die Obstblüte (hier die ersten Apfelbäume) bereits vor rund zwei Wochen begonnen. In der Region startet sie vielerorts erst jetzt. Pflanzexpe­rten aus der Region gehen von einer zweiwöchig­en Verspätung der Vegetation­periode aus.
SYMBOLFOTO: DPA/OLIVER BERG In Nordrhein-Westfalen hat die Obstblüte (hier die ersten Apfelbäume) bereits vor rund zwei Wochen begonnen. In der Region startet sie vielerorts erst jetzt. Pflanzexpe­rten aus der Region gehen von einer zweiwöchig­en Verspätung der Vegetation­periode aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany