Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kalter April und wenig Regen bremsen die Natur aus
Vertreter von Forst, Gartenbauvereinen und der Landwirtschaft bemerken das Phänomen, sind aber nicht übermäßig beunruhigt – Generell zwei Wochen Verspätung
ALB-DONAU-KREIS - In jüngster Zeit hört man unter Gartenbesitzern immer wieder den Satz: „Die Natur ist in diesem Jahr spät dran.“Damit ist dann meist die verzögerte Blüte von Blumen oder auch Obstbäumen gemeint oder manchmal einfach nur, dass die eigene Hecke heuer irgendwie nicht so richtig grün werden will. Ob die Natur wirklich spät dran sein kann, ob der Rekordkalte April die Verzögerung mit sich gebracht hat, oder ob die Natur in den vergangenen Jahren einfach „früher dran“war: Die Redaktion hat bei Gartenund Pflanzexperten aus der Region nachgefragt.
Generell kann die Natur nicht „zu spät“dran sein, allerdings bleiben Pflanzen und auch Tiere in ihrer Entwicklung zurück, wenn an nicht genügend Tagen passende Bedingungen für Wachstum oder Entwicklung vorliegen. Forstmann Timo Allgaier, Leiter des Forstreviers Merklingen, sieht die Situation mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Pflanzen brauchen für ihr Wachstum Licht, Wärme, Wasser und Nährstoffe. Ist eines dieser Elemente nicht ausreichend vorhanden, findet kein oder nur minimales Pflanzenwachstum statt. Daher haben die spürbar niedrigen Temperaturen und der vergleichsweise geringe Niederschlag im April unmittelbar mit der verzögerten Entwicklung zu tun. Diese Wachstumshemmung ist überall im Wald deutlich zu sehen“, sagt Allgaier.
Es gebe für den Forst aber auch einen Vorteil. Die kühle Witterung hat die Entwicklung des Borkenkäfers deutlich verzögert. Damit bleiben den Waldbesitzern in diesem Jahr etwa zwei bis drei Wochen mehr Zeit, der Forstexperte schätzt bis Mitte Mai, die noch im vergangenen Jahr befallenen Bäume aus dem Wald zu entfernen, bevor sich der Käfer fertig entwickeln kann und ausfliegt. Sobald die Temperaturen über die Marke von 16 Grad Celsius steigen, beginnt der Schwärmflug des Borkenkäfers. Dann sollte in Fichtenbeständen am besten wöchentlich auf Frischbefall kontrolliert werden, erklärt Allgaier.
Im Vergleich zur internationalen Referenzperiode von 1961 bis 1990 sei der vergangene April lediglich geringfügig „zu kühl“gewesen, erläutert Forstmann Allgaier weiter. Vergleiche man ihn aber mit den Aprilmonaten der vergangenen 30 Jahren, so war er deutlich kälter (rund 3 Grad Celsius) als der Durchschnitt dieser Jahre. Wald und Pflanzen wachsen jedoch nur an Vegetationstagen. Dazu muss das Tagesmittel der Temperatur aber über fünf Grad liegen. Was bei genauer Betrachtung zeigt, dass aus diesem Grund in der Region wenige Tage im April dieses Jahres für das Pflanzenwachstum geeignet waren. Zusätzlich verschlechterte noch die spürbare Trockenheit die Entwicklungschancen der Vegetation.
Günter Stolz, Vorsitzender des Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine, geht im Garten und Obstbaubereich, ähnlich wie Forstmann Allgaier im Wald, von einer „Verspätung“von rund zwei Wochen aus. Der Merklinger ist sich auch bei den Ursachen mit seinem Vorredner einig und sagt: „Nach einem relativ normalen
März hat der kälteste April seit 40 Jahren in Verbindung mit geringem Niederschlag diese Verzögerung verursacht. Es gibt dadurch eine generelle Verzögerung im Wachstum der Pflanzen. Steinobst, Kernobst, Ziersträucher sind in gleichem Maß betroffen.“Zwei Wochen seien zudem kein außergewöhnliches Ausmaß, deswegen hätten sich die Mitglieder und Vereine noch nicht gemeldet.
Ernst Buck, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Ulm-Ehingen, betrachtet die Vegetationsentwicklung in der Landwirtschaft differenziert. So seien einige Anbau-Pflanzen in der Region
ganz normal entwickelt, wie beispielsweise der Raps. Auf den Wiesen zur Futtermittelproduktion könne man teilweise aber noch mit dem „Rasenmäher drüber gehen, anstatt mit dem Mähwerk zur Silage“. Alles in allem bewege sich das Wachstum im Rahmen. In den vergangenen zwei Jahren hingegen wäre die Region durchaus früher dran gewesen, was möglicherweise bei vielen Leuten dafür sorge, dass sie den Unterschied wahrnehmen. Ernst Buck sagt: „Ich mache mir da keine Sorgen. Es kommt immer darauf an, wie das restliche Jahr wird. Die Natur kann nämlich vieles wieder aufholen.“