Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Leben mit und für die Kunst
50 Jahre Galerie Schrade: Mit Auftaktausstellung im Schloss beginnt das Jubiläumsjahr
MOCHENTAL - Bilder und Skulpturen ausstellen und Künstler und Kunstfreunde zusammenzubringen – das macht seit 50 Jahren das Leben des Ewald Schrade aus. Durch einen Motorradunfall in jungen Jahren wurde eine Laufbahn als Modellschreiner unmöglich. Bei seiner nächsten Arbeit im Finanzwesen galt es in einer neuen Landessparkassenfiliale leeren Wänden ein Gesicht zu geben, so kam der junge Schrade 1971 zur Kunst. Eine Leidenschaft entstand, die fortan sein ganzes Leben bestimmte. Verbindungen wie zu Erich Mansen entstanden in jenen Tagen.
Heute, mit fast 80 Jahren, erklärte Schrade, „die Freude an der Kunst ist mir geblieben“. Bei einer JubiläumsAusstellung vor zehn Jahren sagte Schrade einmal: „Kunst besitzt Ausstrahlung und ist ein Magnet, ich bin in der glücklichen Lage, mir mit Kunst mein Brot zu verdienen.“
Sein Weg führte ihn steil nach oben. Nach einem Umzug 1973 nach Kißlegg eröffnete Schrade im Wolfegger Schloss eine Galerie mit Malereien von Max Ackermann und Radierungen von Günter Grass. Diese Galerie galt damals als einzige private exotisch im Raum Bodensee-Oberschwaben. Schrades Ruf als Galerist gewann an Bedeutung, er stellte Werke zeitgenössischer Künstler auf Kunstmessen in Deutschland und dem benachbarten Ausland aus.
Eine neue große Aufgabe kam mit Schloss Mochental, im Besitz des Landes Baden-Württemberg, 1985 auf ihn zu. Das Barockschloss war von der Größe wie auch in finanzieller Hinsicht eine einzige Herausforderung. „Mein oberster Vermieter hatte einen gefunden, der für 2,1 Million das Haus saniert hat“, erzählte Schrade einmal lachend. Sein Freund Georg Meistermann kam, sah eine einzige Baustelle und meinte: „Du spinnst, was willst du hier im Buchenwald mit einer Galerie?“Die Kunsthistorikerin Barbara Lipp-Kist fand bei ihrem ersten Besuch fast alles fertig vor, nur musste Schrade die ausgestellten Bilder nach Einbruch der Dunkelheit mit einer Baulampe beleuchten.
Mochental bot mit der Nikolauskapelle, dem Hubertussaal, den weitläufigen Gängen mit Nebengelassen und dem prachtvollen Treppenhaus ungeahnte Möglichkeiten zur Präsentation zeitgenössischer Kunst. Arrivierte Künstler wie Erich Heckel, Shmuel Shapiro, Otto Dix, HAP Grieshaber oder Günther Uecker stellten bei Schrade aus. Die Karrieren von Walter Stöhrer und Christopfer Lempfuhl sind mit dem Haus eng verbunden. Die beiden waren FranzJosef Preisträger, der ein Arbeitsstipendium in Schloss Mochental mit anschließender Ausstellung im Schloss und einen Geldpreis der Stadt Ehingen beinhaltete. Der nächste Schritt führte 1999 nach Karlsruhe, 2003 kam eine Kunstmesse dort ins Gespräch, die 2004 startete. Der große Erfolg machte einen Umzug in neue Räume in der Nähe des Schlosses erforderlich. Seitdem pendelt Schrade zwischen Karlsruhe und Mochental, um an beiden Orten Künstlern und Kunstfreunden eine Plattform zu bieten. 2011 wurde er als bester deutscher Kunsthändler ausgezeichnet.
Das Jubiläumsjahr 2021 soll am 8. Mai – sofern es der Corona-Inzidenzwert zulässt – mit einer Auftaktausstellung „Abstraktion und Figuration“in Mochental eröffnet werden. 22 bekannte und dem Haus verbundene Künstler zeigen ihre Werke. Ein aufgezeichneter Vortrag von der Kunsthistorikerin Dorothee Baer-Bogenschütz führt in die Ausstellung ein.
„Ein Fest für das Auge, das Abstraktion und Gegenständlichkeit nicht als harte Gegensätze sieht, sonders als weiträumiges Gelände mit fließenden Übergängen“, hat Schrade die Ausstellung bezeichnet. Diese
Gratwanderung im Bereich von Gegenständlichkeit und Gegenstandslosigkeit sind ein Anliegen des Hauses, so der Galerist. Freunden mit großem Namen wie Walter Stöhrer, Shmuel Shapiro, Georg Meistermann, Hans Kuhn, die er durch den Tod verloren hat, wie auch jungen hochbegabten Künstlern wie Tesfaye Urgessa und Xianwei Zhu bietet die neue Ausstellung eine Plattform. Die Nikolauskapelle ist der richtige Rahmen für ein großformatiges, temperamentvolles Werk von Walter Stöhrer in den bei ihm vorherrschenden Grundfarben Blau, Rot und Gelb mit auch mal ein wenig Weiß, das von der Leinwand durchschimmert.
Traumvisionen sind es, die Stöhrer in seine Werke hineinarbeitet. Ähnlich großformatig, in warmen Honig- und Erdtönen gehalten, sind daneben die Bilder von Peter Casagrande, der für das mediterrane Moment der Galerie steht, sie sollen ein Raumerlebnis vermitteln, ist die Intension des Künstlers. Ein SpieglerPreisträger
Ewald Schrade
ist auch Christopher Lempfuhl, der schon als ganz junger Maler zu Schrade kam. Stimmungen um Landschaften und besondere Gebäude sind seine bevorzugten Motive. Ihm eigen ist der pastöse Farbauftrag, der reliefähnliche Strukturen schafft. Immer sind seine Werke gegenständlich und von einer besonderen Farbigkeit gekennzeichnet, „ein Spaziergang mit den Augen“hat einmal ein Kritiker geschrieben.
Tesfaye Urgessa ist schon jung als großes Talent erkannt worden, der Äthiopier kam als Stipendiat an die Stuttgarter Kunsthochschule zu Cordula Güdemann. Nackt sind seine Figuren, verfremdet aber ausdruckstark blicken sie auf den Betrachter. Mit Shmuel Shapiro schlug der Galerist Schrade eine Brücke nach Amerika. Landschaften sind seine eigentlichen Motive, die Shapiro in reine Farbereignisse umwandelt. Zeichnerisch setzt er sich mit dem Holocaust auseinander, ein Beispiel dafür „Kletterpflanzen vor meinem Fenster“lässt tief in seine Biografie blicken. Der Chinese Xianwei Zhu hat in Stuttgart eine künstlerische Heimat gefunden, der jüngste Spiegler-Preisträger vereint in seinen traumhaften Werken chinesische Landschaftsmalerei mit deutscher Romantik in duftig zarten Bildern.
„Kunst besitzt Ausstrahlung und ist ein Magnet, ich bin in der glücklichen Lage, mir mit Kunst mein Brot zu verdienen.“