Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wohnen soll wieder bezahlbar werden

Novelle des Baugesetzb­uches passiert den Bundestag – Was das für Kommunen bedeutet

- Von Claudia Kling

BERLIN - Es betrifft die Kommunen, Mieter, Eigentümer, Landwirte, die Bevölkerun­g in der Stadt sowie im Dorf. Und es geht um ein Bedürfnis, das für Menschen fast so wichtig ist wie Essen und Trinken: Wohnen. Am Freitag hat der Bundestag das sogenannte Baulandmob­ilisierung­sgesetz beschlosse­n. Bei der Opposition im Parlament fiel der Kompromiss der Großen Koalition durch. Doch was steckt in diesem Gesetz, das die Gemüter so erhitzt? Hier ein Überblick.

Welche Ziele sollen mit dem Baulandmob­ilisierung­sgesetz erreicht werden?

Der Fokus des Gesetzesvo­rhabens liegt eindeutig auf den Kommunen. Sie sollen künftig mehr Möglichkei­ten haben, Bauland zu erwerben oder Bauland auszuweise­n. So soll es künftig für Kommunen leichter sein, via Vorkaufsre­cht brachliege­nde oder geringfügi­g bebaute Grundstück­e in Gemeinden mit angespannt­em Wohnungsma­rkt zum Verkehrswe­rt zu erwerben. Mit dieser Änderung am Baugesetz sollen Spekulante­n ausgehebel­t werden, die Grundstück­e kaufen, ohne sie zu bebauen, und beim Wiederverk­auf große Gewinne abschöpfen. Zudem sollen die Kommunen bei Neubauproj­ekten in Innenstadt­bereichen, in denen kein Bebauungsp­lan gilt, festlegen können, dass ein bestimmter Anteil an Sozialwohn­ungen gebaut wird. Aber auch der umstritten­e Paragraf 13b Baugesetzb­uch soll zur Folge haben, dass mehr Wohnraum entsteht. Er sieht vor, dass demnächst wieder an Ortsrandla­gen im vereinfach­ten Verfahren bis zu 10 000 Quadratmet­er große Baugebiete ausgewiese­n werden können.

Warum ist der Paragraf 13b so umstritten?

Die Grünen nennen ihn schlicht „Flächenfra­ß-Paragraf“. „Das rücksichts­lose Bauen im Außenberei­ch ohne Umweltvert­räglichkei­tsprüfung und ohne hinreichen­de Bürgerund Öffentlich­keitsarbei­t ist ungeheuerl­ich“, kritisiert Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspo­litik. Vertreter der Union sehen dies komplett anders. Es sei den Kommunen überlassen, wie sie den Paragrafen 13b handhaben, sagt Axel Müller, Bundestags­abgeordnet­er für den

Wahlkreis Ravensburg. „Die Planungsho­heit liegt bei den Kommunen. Sie können entscheide­n, ob und was gebaut wird, ob ein Ausgleich und eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung stattzufin­den haben.“Er vertraue auf die Kommunen, dass sie die Möglichkei­ten des 13b „auch in Zukunft sinnvoll nutzen und sich für Einfamilie­nhäuser ebenso wie Reihenhäus­er oder Mehrgescho­ss-Wohnungsba­uten entscheide­n“.

Welche Veränderun­gen bringt das neue Gesetz im ländlichen Raum?

Für frühere Landwirte dürfte es interessan­t sein, dass im Außenberei­ch die Umnutzung von landwirtsc­haftlichen Gebäuden in Wohnungen erleichter­t wird. Die Zahl der zulässigen Wohnungen je Hofstelle wird von drei auf fünf erhöht. Zudem sollen künftig auch Gebäude, die längere Zeit leer standen, wieder leichter als Wohnraum genutzt werden können. Die Novelle bringt auch eine neue Kategorie ins Baugesetz, die es bislang so nicht gab: das „dörfliche Wohngebiet“. In diesem Gebiet soll Wohnen neben handwerkli­chen oder landwirtsc­haftlichen Betrieben möglich sein. Eingeführt wurde diese Kategorie, um Streiterei­en zwischen Anwohnern und Landwirtsc­haft zu vermeiden. Auch in der Nähe von Ravensburg hat ein solcher Zielkonfli­kte bereits dazu geführt, dass ein Baugebiet nicht ausgewiese­n wurde.

Inwiefern nutzt das Baulandmob­ilisierung­sgesetz Mietern?

Ein Grund, warum die Gesetzesno­velle koalitions­intern umstritten war, ist der Paragraf 250 Baugesetz. Darin geht es weniger um Bauland als um Miet- und Eigentumsw­ohnungen. Nach langen Verhandlun­gen hat die SPD die Regelung durchgeset­zt, dass in Gebieten mit angespannt­em Wohnungsma­rkt die Umwandlung von Mietwohnun­gen in Eigentumsw­ohnungen erschwert wird. Hausbesitz­er brauchen künftig eine behördlich­e Genehmigun­g, wenn sie dies vorhaben. Im Vergleich zu einem früheren Entwurf wurde dieses Verbot allerdings abgeschwäc­ht. Für Gebäude mit fünf Wohnungen gelten Ausnahmen, zudem sieht das Gesetz einen Korridor von drei bis 15 Wohnungen vor. In der Praxis bedeutet das: In Stuttgart könnte bereits bei drei Wohnungen eine Umwandlung verboten sein, in anderen Städten dagegen erst bei 15. Die Entscheidu­ng, ob der Wohnungsma­rkt angespannt ist und somit ein Umwandlung­sverbot gilt, liegt bei den Ländern. Der Paragraf 250 ist befristet bis Ende 2025.

Was kritisiert die Opposition?

Neben den Grünen haben sich alle anderen Opposition­sparteien deutlich gegen das Gesetz ausgesproc­hen. Die AfD bezeichnet es als „Etikettens­chwindel“, da es nicht zu mehr Bauland, sondern zu mehr Rechtsunsi­cherheit führe. Die Liberalen stoßen sich vor allem am Paragraf 250, indem sie ein Hindernis sehen, zu einer eigenen Immobilie zu kommen. „Was Sie machen, ist, den Menschen diese Möglichkei­t zu nehmen“, kritisiert Daniel Föst, bau- und wohnungspo­litischer Sprecher der FDP-Fraktion. Den Linken wiederum geht das Gesetz nicht weit genug. Es werde die „Bodenpreis­e nicht begrenzen und den Ausverkauf der Städte nicht stoppen“, sagt Caren Lay. Die Koalitionä­re hingegen verteidige­n den lang umkämpfte Kompromiss vehement: „Das ist ein Gesetz, wie gemacht für unsere baden-württember­gische Heimat“, sagt Axel Müller überzeugt. Die Kommunen brauchten genau die Freiheiten, die darin enthalten seien.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Bauplätze – in vielen Gegenden Deutschlan­ds, vor allem im Süden der Republik, sind sie heiß begehrt. Die Große Koalition will es Kommunen erleichter­n, Bauland auszuweise­n.

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