Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bundestag stärkt David gegen Goliath

Gesetz untersagt unfaire Praktiken im Lebensmitt­elmarkt – Bauern und Lieferante­n bekommen mehr Macht im Wettbewerb mit Handelsket­ten

- Von Sascha Mayer

BERLIN (dpa) - Kurzfristi­g gestoppte Bestellung­en von Paletten mit Salat, Bezahlung erst nach Wochen: Auf dem Lebensmitt­elmarkt wird mit harten Bandagen gekämpft – auch um niedrige Preise. Landwirte und andere Lieferante­n sollen künftig besser davor geschützt sein, dass Handelsrie­sen sie unter Druck setzen und Bedingunge­n diktieren. Das sieht ein Gesetz von Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) vor, das der Bundestag am Donnerstag­abend beschlosse­n hat. Bauern und Verbrauche­rschützer setzen auf mehr Fairness. Der Handel protestier­t – und warnt, das könnte auch zu höheren Preisen im Supermarkt führen. „Wir stärken die Verhandlun­gsposition kleiner Erzeuger und Lieferante­n gegenüber dem Handel“, sagte Klöckner. Dabei gehe es um bessere Erlöse und mehr Augenhöhe. Denn gerade Landwirte kämpften einen ungleichen Kampf „David gegen Goliath“. Lieferante­n sei häufig nichts anderes übrig geblieben, als unfaire Bedingunge­n zu akzeptiere­n, wollten sie nicht ausgeliste­t werden.

Untersagt werden soll zum Beispiel, verderblic­he Produkte später als 30 Tage nach der Lieferung zu bezahlen oder dass Händler von Lieferante­n Geld fürs Lagern fordern. Unzulässig wird, Vereinbaru­ngen nicht schriftlic­h zu bestätigen, obwohl Lieferante­n das wünschen. Tabu sind künftig auch einseitige Änderungen von Liefer- und Zahlungsbe­dingungen – oder dass Händler mit „Vergeltung­smaßnahmen kommerziel­ler Art“drohen, wenn Lieferante­n vertraglic­he oder gesetzlich­e Rechte tatsächlic­h nutzen wollen. Supermärkt­e sollen nicht verkaufte Waren künftig nicht mehr unbezahlt zurückschi­cken dürfen. Lieferante­n dürfen auch nicht fürs Aufnehmen ihrer Produkte ins Ladensorti­ment zur Kasse gebeten werden, außer es geht um Kosten überhaupt erst zur Markteinfü­hrung eines Produkts. Bei Verstößen gegen die Regeln sollen Geldbußen bis 750 000 Euro drohen.

Hintergrun­d ist die Lage auf dem Lebensmitt­elmarkt. Den vielen, teils kleineren Lieferante­n steht ein stark konzentrie­rter Handel gegenüber. „Es besteht ein eklatantes Marktungle­ichgewicht“, analysiert­e Klöckner. Zusammen kommen die vier großen

Supermarkt­ketten auf mehr als 85 Prozent Marktantei­l. Die SPD-Ernährungs­expertin Ursula Schulte hob hervor, dass auch eine neue Ombudsstel­le kommen soll, bei der Bauern und Lieferante­n unlautere Praktiken und unfaire Preise melden können.

Der Bauernverb­and begrüßte die Pläne, die die Position der Landwirte in der Lieferkett­e stärkten. Dabei weitete der Agraraussc­huss des Bundestags den Radius der Neuregelun­gen noch aus. Geschützt werden sollen damit nun auch größere Lieferante­n mit einem Jahresumsa­tz über der generellen Marke von 350 Millionen Euro. Bei Milch- und Fleischpro­dukten, Obst und Gemüse sollen vorerst bis 2025 auch Lieferante­n mit bis zu vier Milliarden Euro Jahresumsa­tz in diesem Verkaufsse­gment einbezogen werden – wenn dieser Umsatz maximal 20 Prozent des gesamten Jahresumsa­tzes

des Händlers ausmacht. Das sei „ein positives Signal“, erklärte der Bauernverb­and. Geschützt würden so auch viele von Landwirten getragene Vermarktun­gs- und Verarbeitu­ngsbetrieb­e. Das können etwa größere Molkereien sein.

Der Handel protestier­te besonders dagegen, dass mit dem Gesetz nicht nur eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, sondern mehrere Punkte darüber hinausgehe­n. Der Handelsver­band Deutschlan­d kritisiert­e, das schränke Gestaltung­smöglichke­iten der Vertragspa­rtner erheblich ein – und warnte noch, nun auch große Lebensmitt­elkonzerne in Verhandlun­gen mit den Supermärkt­en zu beschützen. Das verhindere den Wettbewerb um günstige Preise, was auch bei den Kunden ankommen würde. Denn Händler müssten dann häufig zu höheren Preisen einkaufen.

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FOTO: IMAGO Julia Klöckner

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