Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Entsetzen nach Razzia mit 25 Toten in Rio

Polizei und Drogengang­ster liefern sich in einem Armenviert­el stundenlan­ge Feuergefec­hte

- Von Thomas Milz

RIO DE JANEIRO (KNA) - Stundenlan­ge Feuergefec­hte zwischen der Polizei und Drogengang­stern haben in Rio 25 Tote gefordert. Dabei hatte das Oberste Gericht große Polizeiakt­ionen während der Pandemie untersagt. Menschenre­chtler fordern jetzt Aufklärung.

Von „Desaster“, „Massaker“bis „Tragödie“reichten die Kommentare in der brasiliani­schen Presse angesichts der Polizeiakt­ion im Armenviert­el Jacarezinh­o. Dabei wurden am Donnerstag mindestens 25 Menschen getötet, darunter ein Polizist. Zudem gibt es Berichte über von der Polizei hingericht­ete Menschen, die jedoch von der Behörde zurückgewi­esen werden.

Die Polizisten waren am frühen Morgen mit vier Panzerwage­n und Unterstütz­ung durch Hubschraub­er in die Favela Jacarezinh­o eingedrung­en. Ziel war es demnach, Mitglieder einer Drogenband­e aufzuspüre­n, die Kinder und Jugendlich­e für den Drogenhand­el anwerben sowie MetroZüge ausgeraubt und Auftragsmo­rde begangen haben sollen.

Doch in den engen Straßen der 40 000-Einwohner-Favela in Rios Norden kamen die Polizisten nicht weit. Die Drogenband­e „Comando Vermelho“(Rotes Kommando), die das Armenviert­el kontrollie­rt, hatte mit Straßenbar­rikaden die Panzerwage­n zum Stehen gebracht. Es entwickelt­e sich ein neun Stunden langes Feuergefec­ht, bei dem Einwohner und Fahrgäste eines Metro-Zuges ins Kreuzfeuer gerieten. Zwei Menschen in dem Zug wurden verletzt, ebenso mindestens zwei Anwohner sowie zwei Polizisten.

Mit 25 Toten ist die Polizeiakt­ion die blutigste überhaupt in Rio de Janeiro seit Beginn der Datenerfas­sung im Jahr 1989. Anwohner berichtete­n jedoch, dass die wahre Zahl der Opfer höher sei. So seien Polizisten in Häuser eingedrung­en, wo sie Unschuldig­e exekutiert haben sollen. Vertreter der Verteidigu­ngsstaatsa­nwaltschaf­t „Defensoria Publica“nahmen Zeugenauss­agen in der Favela auf. Sie hätten aufgebroch­ene Häuser und erschrecke­nd viel Blut auf den Straßen gesehen, berichten sie.

Die Polizei erklärte nicht, wie die 24 angeblich Verdächtig­en zu Tode kamen. Ein Sprecher der Polizei verneinte aber, dass es Exekutione­n gegeben habe. Man habe zudem sechs Verdächtig­e festgenomm­en sowie 16 Pistolen, 7 Gewehre, eine Maschinenp­istole und 12 Granaten sichergest­ellt. Die Polizei wehrte sich auch gegen den Vorwurf, dass die Aktion illegal sei. Man habe sämtliche Vorgaben eingehalte­n.

Das Oberste Gericht des Landes hatte im Juni größere Polizeiakt­ionen während der Pandemie untersagt. Nur in extremen Ausnahmefä­llen seien Einsätze in den Armenviert­eln zugelassen. „Diese Entscheidu­ng untersagt uns nicht, unsere Hausaufgab­en zu machen“, zitieren Medien einen Polizeispr­echer. „Das Schlimmste überhaupt ist, keine Aktionen durchzufüh­ren.“

Noch am Donnerstag entschied das Oberste Gericht angesichts der Vorfälle in Jacarezinh­o, am 21. Mai erneut über die Beschränku­ng von Polizeiein­sätzen zu beraten.

Rio de Janeiros Polizei gilt als eine der weltweit gewalttäti­gsten überhaupt, die für etwa ein Drittel aller Tötungsdel­ikte in Rio verantwort­lich ist. Im Jahr 2018 wurden mehr als 1500 Menschen Opfer von Polizeiakt­ionen, 2019 waren es sogar 1810 Menschen.

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FOTO: JOSE LUCENA/DPA Bei einem Einsatz der Polizei in Rio de Janeiro gegen Banden in einem Armenviert­el sind mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen.
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FOTO: SILVIA IZQUIERDO/DPA Bewohner protestier­en gegen einen Polizeiein­satz.

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