Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Donaulachs kämpft ums Überleben

Der Raubfisch gilt als „stark gefährdet“– Nur in Nebenflüss­en gibt es noch sehr kleine Bestände des Huchen

- Von Frederick Mersi

KEMPTEN (lby) - Als das kalte Wasser der Iller zu ihm hereinschw­appt, wirkt der größte Räuber des Flusses verwirrt. Die Freiheit ist eine neue Erfahrung für den drei Jahre alten Huchen, den Hans Daumiller aus seinem weißen Plastikeim­er ins Wasser setzen will. Mit neun Artgenosse­n soll der Raubfisch dazu beitragen, ein großes Ziel zu erreichen: die Erhaltung seiner Spezies.

War der bis zu 1,50 Meter große Huchen (Hucho hucho), auch Donaulachs genannt, früher beliebter Stoff für Anglerlege­nden, muss er heute ums Überleben kämpfen. Auf der Roten Liste des Bundesamts für Naturschut­z wird der Raubfisch als „stark gefährdet“geführt. Vom einst im gesamten Donau-Einzugsgeb­iet heimischen Huchen gibt es demnach nur noch in bayerische­n Nebenflüss­en „sehr wenige und kleine sich selbst erhaltende Bestände“.

Fischer wie Hans Daumiller aus Kempten helfen deshalb mit gezüchtete­n Tieren nach. Viele der Tiere kommen aus dem Schwäbisch­en Fischereih­of in Salgen, dem laut Leiter Oliver Born einzigen Betrieb im Regierungs­bezirk Schwaben mit Huchenzuch­t. „Die Haltung der Laichtiere und die Vermehrung der Huchen ist eine relativ aufwendige Angelegenh­eit.“

Zwar frisst der torpedoför­mige „Räuber Hucho“von anderen Fischen

über kleinere Artgenosse­n bis hin zu kleinen, aus dem Fluss trinkenden Säugetiere­n in freier Natur eigentlich alles. Doch er reagiert auch empfindlic­h auf Bedingunge­n wie die Wassertemp­eratur. Zuchtanlag­en müssen deshalb stets genau darauf achten. Und der Huchen hat nach Auffassung von Naturschüt­zern und Fischern zwei bedeutende Feinde: Kraftwerke und Kormorane.

Durch Wasserkraf­twerke würden flussaufwä­rts gelegene Laichgebie­te für den Huchen unerreichb­ar, sagt die Gewässerök­ologin Malvina Hoppe vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Es komme hinzu, dass durch die Begradigun­g vieler Flüsse wertvoller Lebensraum verloren gegangen sei. „Eine umfassende Renaturier­ung der Donau und ihrer Nebenflüss­e ist zwingend notwendig, um den Bestand der Art langfristi­g zu erhalten.“

Dabei könnte Hoppe zufolge eigentlich die Umsetzung der europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie helfen. Die fordere, bis 2027 alle Flüsse und Seen in einen guten ökologisch­en Zustand zu versetzen. Das sei im bayerische­n Einzugsber­eich der Donau bislang aber nur bei knapp einem Viertel der Gewässer der Fall. Der Freistaat sollte seine Bemühungen „dringend verstärken“.

Mit dem Bund Naturschut­z, WWF Deutschlan­d, dem Landesfisc­hereiverba­nd Bayern und dem Bayerische­n Kanu-Verband fordert der LBV zudem einen Ausbaustop­p für Wasserkraf­twerke. Mehr als 4000 solcher Anlagen im Freistaat verletzten und töteten Fische beim Durchschwi­mmen der Turbinen.

Die Vereinigun­g Wasserkraf­twerke in Bayern weist diese Kritik zurück. „Es ist uns unverständ­lich, weshalb wir dermaßen in das Visier der Umwelt- und Wasserspor­tverbände geraten sind“, sagt der Vorsitzend­e Fritz Schweiger. Man habe nicht vor, neue Anlagen in unberührte­n Gewässern zu bauen. Und die Durchgängi­gkeit der Kraftwerke für Fische hätten die Betreiber zuletzt verbessert – „und sie arbeiten weiter daran“.

Auch Fischer Hans Daumiller aus Kempten betont, gerade an der Iller seien die Bedingunge­n für Fische wie den Huchen in den vergangene­n Jahren deutlich verbessert worden. „Das Laichen ist bei uns kein Problem, das beobachten wir inzwischen hier immer wieder“, erzählt er. „Das Problem sind eher die Vögel.“

Zwar hat ein ausgewachs­ener Huchen

nach Angaben des Landesfisc­hereiverba­nds keine Fressfeind­e mehr zu fürchten. Bis dahin müsse er aber „drei bis vier kritische Lebensjahr­e überstehen“. So würden kleine Huchen immer öfter von Kormoranen und Gänsesäger­n gefressen. Die Bestände beider Vogelarten sind dem Verband zufolge zuletzt überpropor­tional gewachsen.

Dafür hat der Mensch aber auch selbst gesorgt. Nach Angaben des LBV haben sich die Kormoran-Bestände in Deutschlan­d auch dank Schutzmaßn­ahmen erst seit den 1980er-Jahren wieder erholt. Während Fischer immer wieder eine Regulierun­g des Bestands fordern, wehren sich Naturschut­zverbände wie LBV und Nabu gegen Schritte zur Bekämpfung der Wasservöge­l.

Einig sind sich Fischer und Naturschüt­zer dagegen in der Forderung, die bayerische­n Flüsse zu renaturier­en – so wie an der Kiesbank südlich von Kempten, an dem Hans Daumiller seine ersten Huchen im Jahr 2021 aussetzt. Dort soll der Fluss aufgeweite­t werden, um flache, naturnahe Seitengewä­sser zu schaffen. Bewachsene Ufer könnten Huchen auch Schutz vor Jägern wie dem Kormoran bieten.

Das frisch ausgesetzt­e Tier steuert Ende April nach einer ersten Orientieru­ng aber erst einmal den tiefen Bereich des Flusses an – und mit einem kraftvolle­n Flossensch­lag ist „Räuber Hucho“verschwund­en.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Max Schuster, Fischwirt im Fischereih­of des Bezirks Schwaben, hält einen weiblichen Huchen.
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Ohne die Hilfe der Züchter wären die Huchen wahrschein­lich schon ausgestorb­en. Im Fischereih­of des Bezirks Schwaben lagern befruchtet­e Eier von weiblichen Huchen.
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