Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Donaulachs kämpft ums Überleben
Der Raubfisch gilt als „stark gefährdet“– Nur in Nebenflüssen gibt es noch sehr kleine Bestände des Huchen
KEMPTEN (lby) - Als das kalte Wasser der Iller zu ihm hereinschwappt, wirkt der größte Räuber des Flusses verwirrt. Die Freiheit ist eine neue Erfahrung für den drei Jahre alten Huchen, den Hans Daumiller aus seinem weißen Plastikeimer ins Wasser setzen will. Mit neun Artgenossen soll der Raubfisch dazu beitragen, ein großes Ziel zu erreichen: die Erhaltung seiner Spezies.
War der bis zu 1,50 Meter große Huchen (Hucho hucho), auch Donaulachs genannt, früher beliebter Stoff für Anglerlegenden, muss er heute ums Überleben kämpfen. Auf der Roten Liste des Bundesamts für Naturschutz wird der Raubfisch als „stark gefährdet“geführt. Vom einst im gesamten Donau-Einzugsgebiet heimischen Huchen gibt es demnach nur noch in bayerischen Nebenflüssen „sehr wenige und kleine sich selbst erhaltende Bestände“.
Fischer wie Hans Daumiller aus Kempten helfen deshalb mit gezüchteten Tieren nach. Viele der Tiere kommen aus dem Schwäbischen Fischereihof in Salgen, dem laut Leiter Oliver Born einzigen Betrieb im Regierungsbezirk Schwaben mit Huchenzucht. „Die Haltung der Laichtiere und die Vermehrung der Huchen ist eine relativ aufwendige Angelegenheit.“
Zwar frisst der torpedoförmige „Räuber Hucho“von anderen Fischen
über kleinere Artgenossen bis hin zu kleinen, aus dem Fluss trinkenden Säugetieren in freier Natur eigentlich alles. Doch er reagiert auch empfindlich auf Bedingungen wie die Wassertemperatur. Zuchtanlagen müssen deshalb stets genau darauf achten. Und der Huchen hat nach Auffassung von Naturschützern und Fischern zwei bedeutende Feinde: Kraftwerke und Kormorane.
Durch Wasserkraftwerke würden flussaufwärts gelegene Laichgebiete für den Huchen unerreichbar, sagt die Gewässerökologin Malvina Hoppe vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Es komme hinzu, dass durch die Begradigung vieler Flüsse wertvoller Lebensraum verloren gegangen sei. „Eine umfassende Renaturierung der Donau und ihrer Nebenflüsse ist zwingend notwendig, um den Bestand der Art langfristig zu erhalten.“
Dabei könnte Hoppe zufolge eigentlich die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie helfen. Die fordere, bis 2027 alle Flüsse und Seen in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Das sei im bayerischen Einzugsbereich der Donau bislang aber nur bei knapp einem Viertel der Gewässer der Fall. Der Freistaat sollte seine Bemühungen „dringend verstärken“.
Mit dem Bund Naturschutz, WWF Deutschland, dem Landesfischereiverband Bayern und dem Bayerischen Kanu-Verband fordert der LBV zudem einen Ausbaustopp für Wasserkraftwerke. Mehr als 4000 solcher Anlagen im Freistaat verletzten und töteten Fische beim Durchschwimmen der Turbinen.
Die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern weist diese Kritik zurück. „Es ist uns unverständlich, weshalb wir dermaßen in das Visier der Umwelt- und Wassersportverbände geraten sind“, sagt der Vorsitzende Fritz Schweiger. Man habe nicht vor, neue Anlagen in unberührten Gewässern zu bauen. Und die Durchgängigkeit der Kraftwerke für Fische hätten die Betreiber zuletzt verbessert – „und sie arbeiten weiter daran“.
Auch Fischer Hans Daumiller aus Kempten betont, gerade an der Iller seien die Bedingungen für Fische wie den Huchen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert worden. „Das Laichen ist bei uns kein Problem, das beobachten wir inzwischen hier immer wieder“, erzählt er. „Das Problem sind eher die Vögel.“
Zwar hat ein ausgewachsener Huchen
nach Angaben des Landesfischereiverbands keine Fressfeinde mehr zu fürchten. Bis dahin müsse er aber „drei bis vier kritische Lebensjahre überstehen“. So würden kleine Huchen immer öfter von Kormoranen und Gänsesägern gefressen. Die Bestände beider Vogelarten sind dem Verband zufolge zuletzt überproportional gewachsen.
Dafür hat der Mensch aber auch selbst gesorgt. Nach Angaben des LBV haben sich die Kormoran-Bestände in Deutschland auch dank Schutzmaßnahmen erst seit den 1980er-Jahren wieder erholt. Während Fischer immer wieder eine Regulierung des Bestands fordern, wehren sich Naturschutzverbände wie LBV und Nabu gegen Schritte zur Bekämpfung der Wasservögel.
Einig sind sich Fischer und Naturschützer dagegen in der Forderung, die bayerischen Flüsse zu renaturieren – so wie an der Kiesbank südlich von Kempten, an dem Hans Daumiller seine ersten Huchen im Jahr 2021 aussetzt. Dort soll der Fluss aufgeweitet werden, um flache, naturnahe Seitengewässer zu schaffen. Bewachsene Ufer könnten Huchen auch Schutz vor Jägern wie dem Kormoran bieten.
Das frisch ausgesetzte Tier steuert Ende April nach einer ersten Orientierung aber erst einmal den tiefen Bereich des Flusses an – und mit einem kraftvollen Flossenschlag ist „Räuber Hucho“verschwunden.