Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Joukov-Schwelling lobt, sein Ulmer Wahlgegner stänkert
Auch auf Ulm habe der Koalitionsvertrag positive Auswirkungen – Ex-Kontrahent Thomas Kienle attackiert derweil den grünen Gesundheitsminister
ULM (rau) - Vor allem dem Klimaschutz haben sich Grüne und CDU in ihrem neuen Koalitionsvertrag verschrieben. Am Wochenende soll das Werk von den Parteien abgesegnet werden. Die Kritik an einem neuen Ministerium, das geschaffen werden soll, weist der grüne Ulmer Abgeordnete Michael JoukovSchwelling zurück. Thomas Kienle (CDU), der ihm bei der Wahl im März in Ulm unterlag, nimmt sich derweil Gesundheitsminister Manne Lucha vor.
Wollten die alten und neuen Koalitionäre den Zank nicht hinter sich lassen? Thomas Kienle, unterlegener Ulmer CDU-Kandidat bei der Landtagswahl, nimmt sich Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) vor. Kienle, Chef der Gemeinderatsfraktion der Ulmer CDU, wirft Lucha vor, dafür verantwortlich zu sein, dass das Ulmer Impfzentrum und andere Impfzentren bald deutlich weniger Impfstoff bekommen sollen. Der Grund, so Kienle, sei Luchas „kurzfristige Entscheidung“, mehr Impfstoffe an Hausärzte und Betriebsärzte auszuteilen. Das sei die Ursache des neuerlichen „Impfchaos’“. Dies ginge „auf Kosten“der Impfzentren. Die Bürger seien „grundlos verunsichert“.
Lucha selbst will sich diesen Schuh nicht anziehen. Der „Schwäbischen Zeitung“teilte er diese Woche in einem Interview mit, dass für die Drosslung der Impfstoff-Lieferungen Kienles Parteifreund verantwortlich sei – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Spahn verweigert uns den Impfstoff“, so der Gesundheitsminister.
Sehr zufrieden zeigt sich dieser Tage Michael Joukov-Schwelling, der bei der Wahl das Ulmer Direktmandat ergatterte. Mit Blick auf den ausgehandelten und jüngst vorgestellten Koalitionsvertrag sagt er, dieser sei „eine echte Chance für das Land“. Das Werk trage „mehr grüne
Handschrift, als ich es mit der CDU je für möglich gehalten hätte!“
Laut JoukovSchwelling werde Baden-Württemberg zu einem „Vorreiter beim Klima- und Naturschutz“. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels werde zur Maxime der neuen Regierung, es komme ein Biosphärengebiet nach Oberschwaben und bis 2030 soll der Anteil am Öko-Landbau auf 40 Prozent steigen.
Doch es gibt auch Kritik an den grün-schwarzen Plänen. Vor allem an dem neuen Bauministerium, das geschaffen und von der CDU geführt werden soll, sowie an weiteren Staatssekretärsposten. Laut dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch sei dies in Zeiten des Geldmangels nicht darstellbar. Tatsächlich stehen viele Vorhaben im Koalitionsvertrag unter dem Vorbehalt, dass sie überhaupt finanziert werden können.
Der Ulmer Abgeordnete JoukovSchwelling widerspricht. Der Wohnungsbau sei ein „zu wichtiges“Zukunftsthema“und müsse dementsprechend gewichtig am Kabinettstisch vertreten sein. Das neue Ministerium soll überdies auch nicht geschaffen werden, um die CDU, die bei der Wahl ziemlich Federn lassen musste, in die Koalition zu locken. Die CDU gibt zwar das Kultusministerium ab, soll mit dem neuen Bauministerium aber weiterhin auf fünf Ministerien kommen (Inneres, Justiz, Wirtschaft, Agrar, Bauen).
Stichwort „Bauen“: Auch auf Ulm soll der Koalitionsvertrag (Motto: „Jetzt für morgen“) direkte Auswirkungen haben. Dieser sehe zum Beispiel Investitionen in die Sanierung und energetische Ertüchtigung der
Universität und der Altgebäude der Uniklinik vor. Auf die Dächer soll Solarkraft. „Gestärkt“werden soll auch das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR) in Ulm. Stolz teilt Joukov-Schwelling auch mit, dass der „Mobilitätspass“, den Kommunen künftig einführen können, vom Ulmer Kreisverband der Grünen eingebracht worden sei.
Mobilität ist Joukov-Schwelling ein besonders Anliegen. Hier tue sich generell „sehr viel“: In allen Ballungsräumen sollen Busse und Bahnen im 15-Minuten-Takt zur Hauptverkehrszeit unterwegs sein und im Halbstundentakt zu sonstigen Zeiten zwischen 5 und 24 Uhr; landesweit soll der 30-Minuten-Takt gelten.
Weitere Punkte des Koalitionsvertrags, die Michael JoukovSchwelling wichtig sind: BadenWürttemberg bekomme „endlich“ein Listenwahlrecht bei der Landtagswahl, junge Menschen sollen schon mit 16 wählen dürfen. Bei der kommunalen Demokratie werde eine Stichwahl bei den (Ober-)Bürgermeisterwahlen ermöglicht, sowie eine Übertragung von Ratssitzungen im Internet.
Das Land werde auch die Innenstädte stärken, um die Corona-Folgen zu überwinden, und den wirtschaftlich Betroffenen unter die Arme greifen, der Koalitionsvertrag enthalte auch ein Bekenntnis zur Europäischen Integration.
Abschließend teilt JoukovSchwelling mit: Die neue Koalition sei kein „Weiter so“. Grüne wie CDU legten höchsten Wert darauf, das Land „gemeinschaftlich und partnerschaftlich“voranzubringen. Ob Wahlverlierer Thomas Kienle das auch so sieht?