Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Auf den Spuren des Widerstand­s

In Ulm begann Sophie Scholls Abkehr vom Nationalso­zialismus - Viele Orte erinnern an die Widerstand­skämpferin und ihre Familie

- Von Sebastian Mayr

ULM - Zehn Jahre lang lebte Sophie Scholl in Ulm. Sie, ihre Familie und ihre Freunde haben Spuren in der Stadt hinterlass­en. Manche Orte gibt es noch heute, andere sind zerstört und wieder andere sind erst nach dem Tod der Geschwiste­r entstanden. Ein Streifzug.

Kernerstra­ße 29

Sophie Scholl kam in Forchtenbe­rg zur Welt, später lebte die Familie in Ludwigsbur­g. Im Jahr 1932 zog die Familie nach Ulm. Zuerst in die erste Etage des Hauses Kernerstra­ße 29, im Villenvier­tel auf dem Michelsber­g. Dort lebten die Scholls allerdings nur ein Jahr lang.

Vom Michelsber­g zog die Familie in die Olgastraße 81, aus der erst die Adolf-Hitler-Straße 81 und dann der Adolf-Hitler-Ring 139 wurde. In der heutigen Olgastraße 139 befindet sich ein Gesundheit­szentrum. Im Eingangsbe­reich erinnert eine kleine Ausstellun­g an die Geschwiste­r Scholl. Die Familie lebte von 1933 bis 1939 in dem Haus. In diese Zeit fällt Sophies Laufbahn bei der NS-Nachwuchso­rganisatio­n Bund Deutscher Mädel (BDM). Gleichzeit­ig, so schildert es die Historiker­in Nicola Wenge, begann Sophies Abkehr vom Nationalso­zialismus dort: Am 11. November 1937 wurde

Olgastraße 139

Hans Scholl bei einer GestapoRaz­zia festgenomm­en, auch Sophie wurde inhaftiert. Womöglich, weil man sie ihrer Frisur wegen für einen

Buben hielt, berichtet Wenge, die das Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg (DZOK) leitet.

Ihren Konfirmand­enunterric­ht

Pauluskirc­he

erhielt Sophie Scholl im heutigen Café Jam des CVJM und des Evangelisc­hen Jugendwerk­s Ulm. Bei ihrer Konfirmati­on in der Pauluskirc­he an der Frauenstra­ße trugen Hans und Sophie Scholl braune Hemden. Einige Quellen sagen, sie seien die Einzigen gewesen, die das taten. Nicola Wenge verweist aber auch auf andere Zeitzeugen­berichte, denen zufolge die Geschwiste­r nicht die einzigen Konfirmand­en im Braunhemd waren.

33 Von 1939 bis 1942 lebte die Familie Scholl in der vierten Etage des Jugendstil­hauses am Münsterpla­tz 33. Die Scholls führten dort ein „großbürger­liches Leben“, berichtet Wenge. Das Gebäude gibt es nicht mehr, es wurde bei den Luftangrif­fen am 17. Dezember 1944 zerstört. An seiner Stelle hat heute die Deutsche Bank ihre Niederlass­ung. Vor der Filiale erinnert eine von Otl Aicher gestaltete Stele an die Widerstand­sgruppe Weiße Rose. Die Wohnung am Münsterpla­tz war auch der Ort, an dem die Familie lebte, als sie der Verfolgung durch das Nazi-Regime ausgesetzt war.

Münsterpla­tz Sammlungss­chule

Die Sammlungss­chule an der Ecke Steingasse/ Sammlungss­traße steht nicht mehr, sie wurde am 17. Dezember 1944 zerstört. „Sophie hat die Schule gehasst“, berichtet Wenge aus Zitaten der Schülerin. Im Frühjahr 1940 legte Sophie Scholl das Abitur ab.

Ab Mai 1940 ließ sich die damals 19-Jährige im evangelisc­hen Fröbel-Seminar hinter der Christuski­rche in Söflingen zur Kindergärt­nerin ausbilden. Anfang April 1941 wurde Sophie Scholl zum Reichsarbe­itsdienst eingezogen, den sie eigentlich umgehen wollte. Es folgte ein Jahr Kriegshilf­sdienst, dann begann das Studium der Biologie und Philosophi­e in München.

Die Studentin Sophie Scholl brachte das fünfte Flugblatt der Weißen Rose

Fröbel-Seminar Martin-Luther-Kirche

heimlich nach Ulm, wo es Ulmer Abiturient­en im Orgelstübc­hen der Martin-Luther-Kirche in der Zinglerstr­aße versandfer­tig machten. Im Aufgang zur Stube gibt es eine Ausstellun­g.

Gefängnis im

Kurz nach der Beerdigung von Hans und Sophie holte die Gestapo Robert, Magdalena, Inge und Elisabeth Scholl in der Wohnung am Münsterpla­tz ab. Die Familie kam am Frauengrab­en 4 in Sippenhaft. Heute ist dort die Außenstell­e der Justizvoll­zugsanstal­t Ulm. Am Eingang erinnert eine Tafel an die Scholls.

Hans und Sophies älteste Schwester Inge gründete 1946 die Ulmer Volkshochs­chule. Die Einrichtun­g versteht sich als Bewahrer des politische­n und moralische­n Erbes der Weißen Rose. Im Einsteinha­us, dem Sitz der Vhs, ist eine Weiße-Rose-Ausstellun­g zu sehen. Anlässlich des 100. Geburtstag­s von Sophie Scholl wird in anderen angemietet­en Räumen auch eine Wanderauss­tellung gezeigt.

Volkshochs­chule Frauengrab­en Hans-und-Sophie-Scholl-Platz

Robert Scholl wurde nach dem Krieg von den Amerikaner­n zum Ulmer Oberbürger­meister ernannt. Direkt gegenüber dem Rathaus erinnert eine gläserne Stele an die Weiße Rose. Der Platz in der Neuen Mitte trägt den Namen Hans-und-SophieScho­ll-Platz.

Im Sommer wollen DZOK-Leiterin Nicola Wenge und Viktoria Fahrenkamp vom Evangelisc­hen Bildungswe­rk Alb-Donau einenStadt­gang auf den Spuren Sophie Scholls anbieten. Einen Termin gibt es noch nicht, Voranmeldu­ngen an info@dzok-ulm.de

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FOTO: ALEXANDER KAYA In der Olgastraße 139 lebte die Familie Scholl sechs Jahre lang.
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FOTO: ALEXANDER KAYA Am Münsterpla­tz erinnert eine Stele an die Weiße Rose.
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ALEXANDER KAYA FOTO: Die Ulmer Volkshochs­chule will das Erbe der Weißen Rose bewahren.
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FOTO: ALEXANDER KAYA In der Martin-Luther-Kirche wurden Flugblätte­r versandfer­tig gemacht.
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FOTO: ALEXANDER KAYA Außenansic­ht des Gefängnis Frauengrab­en.

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