Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Auf den Spuren des Widerstands
In Ulm begann Sophie Scholls Abkehr vom Nationalsozialismus - Viele Orte erinnern an die Widerstandskämpferin und ihre Familie
ULM - Zehn Jahre lang lebte Sophie Scholl in Ulm. Sie, ihre Familie und ihre Freunde haben Spuren in der Stadt hinterlassen. Manche Orte gibt es noch heute, andere sind zerstört und wieder andere sind erst nach dem Tod der Geschwister entstanden. Ein Streifzug.
Kernerstraße 29
Sophie Scholl kam in Forchtenberg zur Welt, später lebte die Familie in Ludwigsburg. Im Jahr 1932 zog die Familie nach Ulm. Zuerst in die erste Etage des Hauses Kernerstraße 29, im Villenviertel auf dem Michelsberg. Dort lebten die Scholls allerdings nur ein Jahr lang.
Vom Michelsberg zog die Familie in die Olgastraße 81, aus der erst die Adolf-Hitler-Straße 81 und dann der Adolf-Hitler-Ring 139 wurde. In der heutigen Olgastraße 139 befindet sich ein Gesundheitszentrum. Im Eingangsbereich erinnert eine kleine Ausstellung an die Geschwister Scholl. Die Familie lebte von 1933 bis 1939 in dem Haus. In diese Zeit fällt Sophies Laufbahn bei der NS-Nachwuchsorganisation Bund Deutscher Mädel (BDM). Gleichzeitig, so schildert es die Historikerin Nicola Wenge, begann Sophies Abkehr vom Nationalsozialismus dort: Am 11. November 1937 wurde
Olgastraße 139
Hans Scholl bei einer GestapoRazzia festgenommen, auch Sophie wurde inhaftiert. Womöglich, weil man sie ihrer Frisur wegen für einen
Buben hielt, berichtet Wenge, die das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg (DZOK) leitet.
Ihren Konfirmandenunterricht
Pauluskirche
erhielt Sophie Scholl im heutigen Café Jam des CVJM und des Evangelischen Jugendwerks Ulm. Bei ihrer Konfirmation in der Pauluskirche an der Frauenstraße trugen Hans und Sophie Scholl braune Hemden. Einige Quellen sagen, sie seien die Einzigen gewesen, die das taten. Nicola Wenge verweist aber auch auf andere Zeitzeugenberichte, denen zufolge die Geschwister nicht die einzigen Konfirmanden im Braunhemd waren.
33 Von 1939 bis 1942 lebte die Familie Scholl in der vierten Etage des Jugendstilhauses am Münsterplatz 33. Die Scholls führten dort ein „großbürgerliches Leben“, berichtet Wenge. Das Gebäude gibt es nicht mehr, es wurde bei den Luftangriffen am 17. Dezember 1944 zerstört. An seiner Stelle hat heute die Deutsche Bank ihre Niederlassung. Vor der Filiale erinnert eine von Otl Aicher gestaltete Stele an die Widerstandsgruppe Weiße Rose. Die Wohnung am Münsterplatz war auch der Ort, an dem die Familie lebte, als sie der Verfolgung durch das Nazi-Regime ausgesetzt war.
Münsterplatz Sammlungsschule
Die Sammlungsschule an der Ecke Steingasse/ Sammlungsstraße steht nicht mehr, sie wurde am 17. Dezember 1944 zerstört. „Sophie hat die Schule gehasst“, berichtet Wenge aus Zitaten der Schülerin. Im Frühjahr 1940 legte Sophie Scholl das Abitur ab.
Ab Mai 1940 ließ sich die damals 19-Jährige im evangelischen Fröbel-Seminar hinter der Christuskirche in Söflingen zur Kindergärtnerin ausbilden. Anfang April 1941 wurde Sophie Scholl zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, den sie eigentlich umgehen wollte. Es folgte ein Jahr Kriegshilfsdienst, dann begann das Studium der Biologie und Philosophie in München.
Die Studentin Sophie Scholl brachte das fünfte Flugblatt der Weißen Rose
Fröbel-Seminar Martin-Luther-Kirche
heimlich nach Ulm, wo es Ulmer Abiturienten im Orgelstübchen der Martin-Luther-Kirche in der Zinglerstraße versandfertig machten. Im Aufgang zur Stube gibt es eine Ausstellung.
Gefängnis im
Kurz nach der Beerdigung von Hans und Sophie holte die Gestapo Robert, Magdalena, Inge und Elisabeth Scholl in der Wohnung am Münsterplatz ab. Die Familie kam am Frauengraben 4 in Sippenhaft. Heute ist dort die Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Ulm. Am Eingang erinnert eine Tafel an die Scholls.
Hans und Sophies älteste Schwester Inge gründete 1946 die Ulmer Volkshochschule. Die Einrichtung versteht sich als Bewahrer des politischen und moralischen Erbes der Weißen Rose. Im Einsteinhaus, dem Sitz der Vhs, ist eine Weiße-Rose-Ausstellung zu sehen. Anlässlich des 100. Geburtstags von Sophie Scholl wird in anderen angemieteten Räumen auch eine Wanderausstellung gezeigt.
Volkshochschule Frauengraben Hans-und-Sophie-Scholl-Platz
Robert Scholl wurde nach dem Krieg von den Amerikanern zum Ulmer Oberbürgermeister ernannt. Direkt gegenüber dem Rathaus erinnert eine gläserne Stele an die Weiße Rose. Der Platz in der Neuen Mitte trägt den Namen Hans-und-SophieScholl-Platz.
Im Sommer wollen DZOK-Leiterin Nicola Wenge und Viktoria Fahrenkamp vom Evangelischen Bildungswerk Alb-Donau einenStadtgang auf den Spuren Sophie Scholls anbieten. Einen Termin gibt es noch nicht, Voranmeldungen an info@dzok-ulm.de