Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Herrenkell­er wird zur Gold-Ochsen-Hochburg

Eine der ältesten Gaststätte­n in Ulm hat einen neuen Pächter – Der Ur-Bayer Michael Utz-Dangel möchte ganz auf Regionalit­ät setzen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Die goldene Farbe strahlt schon von der Decke, die Bier-Dekoration liegt im Nebenraum. Michael Utz-Dangel hat ganz genaue Vorstellun­gen, wie sein neues Projekt aussehen soll: „So wie das offizielle GoldOchsen-Bräustüber­l.“Mit neuen und alten Werbeschil­dern der Ulmer Traditions­brauerei mit ganz viel Gold. „Gebranded“, wie er auf Neudeutsch sagt. Die Tradition der Gaststätte reicht fast so lange zurück wie jene der 1597 gegründete­n Brauerei.

„Es ist schon ein Wagnis, inmitten des Lockdowns einen Pachtvertr­ag zu unterschre­iben“, sagt seine Frau Amelie Utz-Dangel. Doch beim Herrenkell­er habe das Paar, das im Fischervie­rtel das Gasthaus Haberfelde­r betreibt, nicht lange überlegen müssen. Denn Gasthäuser mit einer solchen Tradition gebe es nicht viele. Seit 1636 wird in der „Trinkstube der Ratsherren“Bier getrunken.

Den Charme der holzvertäf­elten Gaststube möchten die beiden unbedingt erhalten. „Nur etwas frischer soll es werden“, sagt Michael UtzDangel. Davon zeugen bereits die rote Wandfarbe und knalliges Grün im Nebenraum. „Grün ist eine alte deutsche Wirtshausf­arbe“, sagt der 47Jährige. Nach dem Vorbild des Paulaner-Bräuhauses am Kapuzinerp­latz in München wird das ehemalige Raucherzim­mer umgestalte­t. Mit mintgrün gestrichen­en Holzverkle­idungen und rot-weiß-karierten

Tischdecke­n.

Im großen Schankraum bleibt das Holz dunkel. Das Fischgräte­n-Parkett wurde von dunkler Patina hingegen befreit. Trotz Corona-Krise habe es mehrere Bewerber auf die Pacht gegeben. Beim Unter-Pächter Gold Ochsen habe sich das bayerischs­chwäbische Paar mit dem Fokus auf

Tradition durchgeset­zt. „Es gab sogar Bewerber, die wollten die ganze Holzvertäf­elung entfernen“, sagt Michael Utz-Dangel. Dabei sei doch gerade das das Besondere an dem Gastraum, der die vergangene­n 23 Jahre von Heike und Ralf Ritlewski betrieben wurde. Corona-Krisen-geplagt habe das Ehepaar den Ruhestand zwei Jahre vorgezogen.

Die Utz-Dangels kommen bislang nach eigenen Angaben gut durch den Lockdown. Die vom Staat versproche­nen 75 Prozent des Umsatzes seien ausgezahlt worden. „Blöd ist es für unsere Mitarbeite­r“, sagt der Wirt. Die seien in Kurzarbeit, doch es fehle insbesonde­re das Trinkgeld. Wenn Corona mitmacht, soll in etwa vier Wochen eröffnet werden. „Wir sind ganz heiß drauf.“

Ein Küchenchef wurde mit Tobias Schulz bereits eingestell­t. Seine durchaus ambitionie­rte Kochkunst lässt sich auf seiner Facebook-Seite „Tobis Kitchen“bewundern. Sein Auftrag im Herrenkell­er: schwäbisch­e Klassiker hausgemach­t. Die Utz-Dangels haben den Ur-Haberfelde­r in Ingolstadt inzwischen aufgegeben und wollen sich nun komplett auf Ulm konzentrie­ren. Mit zwei Blaupausen für die typische Gastronomi­e der Bundesländ­er von Ulm und Neu-Ulm. Den Herrenkell­er ganz schwäbisch mit Gold Ochsen. Und den Haberfelde­r oberbayeri­sch mit Augustiner vom Fass und Haxn und Hendl. Im Haberfelde­r soll im Herbst dann auch die Wiesn aus

München zelebriert werden, während im Herrenkell­er ganz württember­gisch der Canstatter Wasen gehuldigt werden soll.

Württember­gisch ist auch die Historie des Herrenkell­ers. Für das Jahr 1636 ist erstmals die Bezeichnun­g Herrenkell­er bezeugt. So alt ist der Bau allerdings nicht: Im Jahr 1899 erhielt das Gebäude sein heutiges Aussehen. Die Geschichte reicht allerdings weit hinter das Jahr 1636 zurück. Hier in der Herrenkell­ergasse ließ das Kloster Wiblingen ab 1472 einen Pfleghof (ein Wirtschaft­shof) bauen. Nach dessen Verkauf zog 1636 eine Brauerei und Trinkstube ein. Der Ulmer Rat, „die Herren“, verlegte die Ratsbrauer­ei samt Ausschank in den „Wiblinger Hof“. Der Herrenkell­er für das Fußvolk war geboren, der jetzt seinen dritten Frühling erleben soll.

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FOTOS: ALEXANDER KAYA Der Ulmer Herrenkell­er in der Herrenkell­ergasse 4.
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Michael UtzDangel macht der Herrenkell­er zu seinem Projekt. Er hat klare Vorstellun­gen.

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