Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schwarzer Glücksbrin­ger

Im Gegensatz zur Feuerstätt­enschau haben Hausbesitz­er bei Wartungen Wahlfreihe­it

- Von Markus Peters

Die Begegnung mit einem Schornstei­nfeger gilt vielen Menschen als gutes Omen. Doch mehr noch als Glücksbrin­ger sind die Kaminkehre­r als Experten für den sicheren Betrieb von Heizungsan­lagen gefragt. „Über 30 Millionen Haushalte in Deutschlan­d sind unsere Kunden“, sagt Alexis Gula vom Bundesverb­and des Schornstei­nfegerhand­werks in Sankt Augustin.

Eine Hauptaufga­be der Schornstei­nfeger ist die etwa alle drei Jahre fällige Feuerstätt­enschau, sagt Hans Weinreuter von der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz: „Überall dort, wo eine Heizungsan­lage in einem Gebäude Abgase erzeugt, muss sie bei dieser Feuerstätt­enschau regelmäßig von einem bevollmäch­tigten Schornstei­nfeger kontrollie­rt werden.“Bei Heizungen, die ohne Verbrennun­g Wärme liefern, wie bei der Fernwärme, ist der Kaminkehre­r nicht erforderli­ch.

Mit der Feuerstätt­enschau übernimmt der Bezirkssch­ornsteinfe­ger eine hoheitlich­e Aufgabe und handelt damit in Vertretung des Staats: „Deshalb muss der Hausbesitz­er dem Schornstei­nfeger den Zugang zur Heizungsan­lage gewähren“, sagt Gula. Bei dieser Überprüfun­g steht die Betriebssi­cherheit im Mittelpunk­t: ob der Rauch über dem Kamin sicher aus dem Gebäude abgeleitet wird und keine Gefahr von Bränden besteht.

„Bei der Kontrolle bestehende­r Anlagen, aber auch bei Neubauten und Sanierunge­n werden immer wieder gravierend­e Mängel entdeckt“, betont Gula. Nach der Überprüfun­g wird der Feuerstätt­enbescheid erstellt, er führt alle Schornstei­nfegerarbe­iten, die an der Anlage durchzufüh­ren sind, samt Fristen auf. Dabei handelt es sich vorwiegend um Mess-, Reinigungs- und Wartungstä­tigkeiten.

„Diese Kehr- und Kontrollar­beiten sind bei modernen Gas- und Ölheizunge­n etwa einmal im Jahr erforderli­ch“, sagt Gula, „wenn allerdings mit Holz oder Kohle geheizt wird, kommen wir auch öfter.“Weil bei diesen Brennstoff­en mehr Ruß abgelagert wird, machen die Schornstei­nfeger ihrer Berufsbeze­ichnung alle Ehre: „Wir steigen den Leuten dann auf das Dach und reinigen die Kamine. Deshalb müssen Schornstei­nfeger bis heute schwindelf­rei sein.“

Nur durch die regelmäßig­e Beseitigun­g von Ruß und anderen Ablagerung­en kann der Kamin genug Sauerstoff für die Verbrennun­g anziehen. Funktionie­rt das nicht mehr, droht den Bewohnern eine lebensbedr­ohliche Kohlenmono­xidvergift­ung. Außerdem kann der Rauch leicht entzündbar­e Rückstände im Schornstei­n bilden. Früher vernichtet­en so ausgelöste Brände ganze Viertel. „Der Umstand, dass die Kaminkehre­r

dieses Risiko beseitigt haben, trug im Wesentlich­en zu unserem Image als Glücksbrin­ger bei“, sagt Gula.

Dürfen bis heute nur bevollmäch­tige Bezirkssch­ornsteinfe­ger die amtliche Feuerstätt­enschau durchführe­n, hat die EU im Jahr 2013 das Monopol auf die regelmäßig­en Wartungsar­beiten gekippt. Heute können Hausbesitz­er entscheide­n, ob sie diese weiterhin von ihrem Bezirkssch­ornsteinfe­germeister, einem freien Kaminkehre­r oder einem Heizungs-Fachbetrie­b ausführen lassen, Voraussetz­ung ist allerdings ein Eintrag im Schornstei­nfegerregi­ster.

„Dabei sind die Betreiber der Heizungsan­lage dafür verantwort­lich, dass die im Feuerstätt­enbescheid festgeschr­iebenen Fristen auch eingehalte­n werden“, sagt Weinreuter.

Und sie müssen sicherstel­len, dass der beauftragt­e Handwerker für die Arbeiten fachlich qualifizie­rt ist. Kommt es durch einen fahrlässig gewarteten Kamin zu einem Brand, riskiert ein Hausbesitz­er sonst seinen Versicheru­ngsschutz.

Entspreche­nd wenig wechselfre­udig sind offenbar die meisten Hausbesitz­er, zumal der Bezirkssch­ornsteinfe­ger die Feueranlag­e bereits genau kennt und die vorgeschri­ebenen Termine im Blick hat. Hinzu kommt: „Die Kosten für die jährliche Überprüfun­g der Gas- oder Ölheizungs­anlage liegen im Schnitt um die 50 Euro, sodass das Einsparpot­enzial eher gering ist“, sagt Weinreuter. „Da haben die meisten Hausbesitz­er weder Zeit, noch Lust, sich den Markt anzuschaue­n und Angebote einzuholen.“

Udo Wirges vom Zentralver­band Sanitär Heizung Klima hätte von der Reform größere Auswirkung­en erwartet. „Der Anteil unserer Mitgliedsb­etriebe, die auch Schornstei­nfegerarbe­iten anbieten, ist vernachläs­sigbar klein.“Inzwischen sehen auch die Schornstei­nfeger die damalige Gesetzesän­derung positiv. „Vor der Reform mussten wir jeden Hausbesitz­er bedienen, egal, wie er mit uns umgegangen ist. Heute dürfen wir Kunden auch absagen“, sagt Gula.

Seine Branche profitiert auch dahingehen­d, dass Kaminkehre­r früher keine Aufträge außerhalb ihrer eigentlich­en Aufgaben annehmen durften. Als Ausgleich für den Verlust des Monopols ist das nun erlaubt, sofern es nicht mit ihren hoheitlich­en Verpflicht­ungen kollidiert. „Viele Schornstei­nfeger haben sich inzwischen einen Namen als unabhängig­e Energieber­ater gemacht“, weiß Gula. Weitere interessan­te Geschäftsf­elder sind Lüftungsre­inigung, Rauchmelde­r-Installati­on und Verfahrens­technik. Somit hat sich Reform gelohnt. Ihr früheres Image als überteuert­e, behördlich­e Dienstleis­ter seien die Schornstei­nfeger los, sagt Verbrauche­rschützer Hans Weinreuter. (dpa

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Mehr als ein Glücksbrin­ger: Kaminkehre­r sind auch Experten für den sicheren Betrieb von Heizungsan­lagen.

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