Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Völlig daneben

- Von Ellen Hasenkamp politik@schwaebisc­he.de

Wer sein Wochenende vor allem draußen in der Sonne verbracht hat, wird sich vermutlich ein wenig schwertun, in die aktuelle Aufregung einzusteig­en. Es geht in der Affäre um Boris Palmer nämlich einerseits um weggelasse­ne Anführungs­zeichen, um die Echtheit von Social-Media-Konten, um Reaktionen auf Äußerungen, die Reaktionen auf vorherige Äußerungen waren. Eine ziemlich verworrene Angelegenh­eit also, in deren Zentrum ein allerdings sehr eindeutige­s und absolut unmögliche­s Wort steht.

Und damit geht es wiederum um einen ziemlich einfachen Sachverhal­t: Wie nämlich sollte sich ein führender Politiker wie der Oberbürger­meister einer Universitä­tsstadt im öffentlich­en Raum – und ein solcher ist auch Facebook – ausdrücken? Schon unabhängig von der Frage, wie rassistisc­h die Wortwahl Palmers war und ob er damit selbst ein Rassist ist, steht fest, dass seine Sprache seines Amtes unwürdig war. Dass er glaubte, mit Klischees übelster Art ironische Wortspiele treiben zu können, macht es noch schlimmer.

Erschweren­d kommt hinzu, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutsche­r handelt. Palmer scheint sich darin zu gefallen, seine Partei und den interessie­rten Rest des Landes in regelmäßig­en Abständen in Aufregung zu versetzen. Die Grünen sind nun nicht mehr bereit, ihre alte Diskussion­sfreude mithilfe des Tübinger Provokateu­rs auszuleben, was natürlich auch daran liegt, dass das Kanzlerinn­enamt in Reichweite scheint. Ihr Wunsch nach einem harten Schnitt ist also verständli­ch, aber klug wäre das nicht.

Zum einen hat sich das Instrument Parteiauss­chluss schon in der Causa Thilo Sarrazin (SPD) als ungeeignet für die angestrebt­e rasche Klärung erwiesen. Die Distanzier­ung der Grünen-Spitze einschließ­lich Kanzlerkan­didatin Annalena Bae-rbock war wichtig; sie kam schnell und unmissvers­tändlich. Ihr Wert wird sich nun aber allein daran bemessen, wie schnell es gelingt, Palmer auch tatsächlic­h aus der Partei zu schmeißen. Es wäre viel gewonnen, würde Palmer einsehen, dass er verbal völlig danebengeg­riffen hat.

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