Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Wunsch nach Einigkeit

CDU Baden-Württember­g stimmt dem Koalitions­vertrag zu – Doch es gibt auch Kritik

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Vielleicht war es ein Versehen, vielleicht war aber auch ein kleines bisschen Wunschdenk­en dabei, als Landeschef Thomas Strobl am Samstag beim Parteitag der CDU Baden-Württember­g das Ergebnis der Abstimmung über den Koalitions­vertrag verkündete. „Mit Ja haben gestimmt: 82,6 Prozent“, sagte er. „Dieses Ergebnis gibt uns für die nächsten Wochen und möglicherw­eise auch weit hinein in die Zwanziger Jahre einen Schub.“Das Problem: Die CDU hatte sich verrechnet und die Stimmen der Delegierte­n, die sich enthalten hatten, nicht mitgezählt. Eigentlich hatte der Koalitions­vertrag nur 79,2 Prozent Zustimmung erhalten. Ins Gewicht fällt der Fauxpas zwar nicht – eine einfache Mehrheit hätte zur Annahme des Vertrags genügt. Dennoch steht er für die Stimmung in der CDU. Denn ganz so einmütig, wie sie die Parteispit­ze gerne hätte, ist die eben nicht.

Vor allem Strobl hatte zuvor wortreich für den Vertrag geworben. „Wir wollten viele unserer Ideen im Koalitions­vertrag unterbring­en. Ich persönlich glaube, das ist uns auch gut gelungen“, sagte er und nannte etwa die innere Sicherheit und Nachhaltig­keit in der Finanzpoli­tik. Dennoch verwies er auch auf das neue Selbstbewu­sstsein des grünen Koalitions­partners. „Wir alle haben gespürt, dass sich bei den Verhandlun­gen im Vergleich zu vor fünf Jahren etwas verändert hat. Die Grünen sind ziemlich breitbeini­g aufgetrete­n und es war nicht immer ganz leicht für uns. Doch wir haben hart gearbeitet, mit Selbstvert­rauen, aber auch mit der notwendige­n Demut.“

Die künftige Koalition verständig­te sich darauf, die wichtigste­n Vorhaben etwa beim Ausbau des schnellen Internets und des Nahverkehr­s zwar anzuschieb­en, aber mit großen Investitio­nen zu warten bis die Steuereinn­ahmen wieder sprudeln. Nach den jüngsten Prognosen fehlen in den nächsten drei Jahren jeweils etwa vier Milliarden Euro. Trotz des Finanzieru­ngsvorbeha­lts steht der Klimaschut­z im Zentrum der grünschwar­zen Vorhaben. „Wir mögen den Klimaschut­z nicht erfunden haben, aber wir haben ihn begriffen“, sagte Strobl dazu.

„Und wenn wir etwas begriffen haben, dann setzen wir das um. Wir machen den Klimaschut­z zu unserem politische­n Selbstvers­tändnis.“Doch unter anderem Teile der Jungen Union hatten vor der Veranstalt­ung Störfeuer abgesendet. Der Nachwuchs stört sich weniger an den Inhalten des Koalitions­vertrags, als mehr am altgedient­en CDU-Spitzenper­sonal.

Denn mit Thomas Strobl, Peter Hauk und Wolfgang Reinhart sind voraussich­tlich gleich drei Ministerpo­sten in der neuen Landesregi­erung besetzt von Männern, die nicht unbedingt für eine Erneuerung der Partei stehen. Die aber ist aus Sicht vieler CDU-Mitglieder angesichts der Wahlnieder­lagen in den letzten Jahren dringend nötig.

Parteiinte­rne Kritik ruft vor allem der mögliche Wechsel von Wolfgang Reinhart in das Justizmini­sterium hervor. Dieses soll dem 65-jährigen Wirtschaft­sjuristen als Entschädig­ung für den Verzicht auf den Fraktionsv­orsitz im Landtag zugesagt worden sein, den am Dienstag der Ehinger Manuel Hagel übernommen hatte. Ein Antrag von Dominik Apel, dem Bezirksche­f der Jungen Union (JU) in Südbaden, die Namen der künftigen Kabinettsm­itglieder der

CDU vor der Abstimmung über den Koalitions­vertrag zu nennen, schaffte es jedoch nicht in die Abstimmung. Stattdesse­n einigte sich die CDU eher pauschal auf ein „deutliches Zeichen der inhaltlich­en, personelle­n und strukturel­len Erneuerung“. Dominik Apel zeigte sich deutlich enttäuscht über das Ergebnis: „Ich finde es schade, dass wir die Namen heute nicht veröffentl­ichen können. Das wäre eine gute Möglichkei­t gewesen, die Basisdemok­ratie zu stärken.“An den neuen Fraktionsv­orsitzende­n Hagel gerichtet ergänzte er: „Ich verstehe das als deutliche Aufforderu­ng an die Fraktion, dass die Zustimmung zur Ministerli­ste nur erteilt wird, wenn die Kriterien erfüllt sind.“

Sylvia Zwisler, Ortsverban­dsvorsitze­nde der CDU Tettnang, hält das neue Ministeriu­m für Landesentw­icklung und Wohnen, auf das sich die Regierungs­partner in den Koalitions­verhandlun­gen geeinigt haben, für keine gute Idee. „An allen Ecken und Enden wird gespart, da passt ein neues Ministeriu­m einfach nicht ins Bild“, sagt sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Nach außen sieht das so aus, als hätte man jetzt noch ein Ministeriu­m geschaffen, weil die CDU so an ihren Posten hängt. Das halte ich für taktisch sehr unklug.“

Stattdesse­n würde auch sie sich etwas mehr inhaltlich­e Veränderun­gen wünschen – und auch neue Gesichter. „Es gibt bei uns Leute, die machen zwar gute Arbeit, aber sind einfach schon lange da. Wenn man nach außen eine Veränderun­g zeigen will, muss man vielleicht auch mal ein paar Personen austausche­n.“

Offene Kritik äußerten am Samstag jedoch nur wenige. Die CDUVordere­n hatten sich zuvor sichtlich Mühe gegeben, Bedenken frühzeitig zu zerstreuen. Nicht nur, indem in der Sigmaringe­r Landrätin Stefanie Bürkle und der Geislinger Abgeordnet­en Nicole Razavi zwei Frauen den Vertrag vorstellte­n – beiden werden Chancen auf ein Ministeram­t ausgerechn­et. Gleich zu Beginn der Veranstalt­ung wurde mit Isabell Huber auch eine neue Generalsek­retärin vorgestell­t. Sie soll auf dem nächsten ordentlich­en Parteitag bestätigt werden und folgt damit auf Manuel Hagel.

Huber (33) sitzt seit 2019 für den Wahlkreis Neckarsulm im Badenwürtt­embergisch­en Landtag. „Isa Huber ist es schon gewohnt, ins kalte Wasser zu kommen. Als sie 2019 in den Landtag nachgerück­t ist, hat sie sich direkt Respekt und Anerkennun­g verschafft“, sagte Strobl bei ihrer Vorstellun­g. „Ich bin überzeugt von ihr. Nicht weil sie eine Frau ist oder die nette Mama von nebenan, sondern weil sie tough ist, zielorient­iert arbeitet, kreativ und strukturie­rt.“

Der neue Fraktionsv­orsitzende Hagel beschwor derweil die Einigkeit. „Die CDU Baden-Württember­g ist immer noch eine Bank“, sagte er. „Mit den Wahlnieder­lagen 2011, 2016 und 2021 ging immer auch ein Stück Selbstvert­rauen verloren. Doch es gibt keinen Grund im Büßergewan­d und in Sack und Asche durchs Land zu gehen. Wir müssen die Kräfte bündeln, Partei, Fraktion und Regierung vereinen. Erfolgreic­h sein können wir nur als die eine starke CDU.“

Es ist ein Bild der Einigkeit, das die CDU an diesem Wochenende ins Land senden wollte. Auch viele Delegierte riefen in ihren Wortbeiträ­gen zum Zusammenha­lt und zum Aufbruch auf. Bedenkentr­äger schien es kaum noch zu geben. Der Name Wolfgang Reinhart fiel bei den Redebeiträ­gen kein einziges Mal.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Thomas Strobl, Landesvors­itzender der CDU in Baden-Württember­g, beim digitalen Landespart­eitag.

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