Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Grünes Licht für Regierungsbündnis
Die Südwest-Grünen machen den Weg frei für Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der CDU
STUTTGART - Die Grünen-Basis in Baden-Württemberg hat dem Koalitionsvertrag mit der CDU zugestimmt. Das Werk mit dem Titel „Jetzt für morgen“bezeichnete Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Samstag in der Stuttgarter Phönixhalle als „grünsten Koalitionsvertrag aller Zeiten“– und zwar bundesweit. Beim weitgehend digitalen Parteitag votierten 85 Prozent der Delegierten für den Vertrag.
Kretschmann lobte das Werk als wegweisend im Sinne des Klimaschutzes. Ökologie und Wirtschaft würden darin zusammen gedacht. „Wir müssen ein kopierbares Modell für andere Regionen der Welt werden“, sagte Kretschmann. Er griff Kritik von Naturschutzverbänden und manchen Parteimitgliedern auf, die auf schnellere Umsetzung der ausgehandelten Maßnahmen zum Klimaschutz drängen. Wegen knapper Kassen aufgrund der CoronaPandemie wollen die grün-schwarzen Partner kostenintensive Vorhaben nach hinten schieben. „Wir müssen differenzieren zwischen Dringendem und Wünschenswertem, das aber noch nicht finanzierbar ist“, so Kretschmann. „Das heißt aber nicht, dass wir den Gestaltungsanspruch aufgeben.“In ihren Wortmeldungen preisten die Mitglieder durch die Bank den Koalitionsvertrag als wegweisend. Fast alle verwiesen auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Pläne der Bundesregierung zum Klimaschutz als nicht konkret genug gerügt hatte. Südwest-Spitzenkandidat zur Bundestagswahl Cem Özdemir etwa sprach beim Parteitag in Stuttgart von einem „Hammerurteil des Bundesverfassungsgerichts“und sagte: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Dieser Satz hat nun Verfassungsrang.“
Im Freudentaumel waren Stimmen wie die von Sebastian Schäfer aus Esslingen die Ausnahme. „So habe ich mir den Neuanfang nicht vorgestellt“, monierte er. Viele wichtige politische Vorhaben im Vertrag stehen unter Finanzierungsvorbehalt. „Aber für ein weiteres Ministerium mit Limousine und Fahrer ist Geld da“, lautete seine Kritik. GrünSchwarz hatten sich darauf geeinigt, die zehn Fachressorts um ein elftes zu erweitern. Das Haus soll sich in CDU-Hand um Landesentwicklung und Bauen kümmern. Noch deutlicher äußerte sich Mario Hüttenhofer aus Konstanz. „Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, dann muss ein verbindliches CO2-Budget rein“, dem Koalitionsvertrag könne er so nicht zustimmen. Seine Forderung: „Kein Finanzierungsvorbehalt für die Energie-, Verkehrs- und Gebäudewende.“Vorbehalte äußerten manche Redner zudem an der Glaubwürdigkeit der CDU, die parallel zu den Grünen ebenfalls am Samstag die Basis über den Koalitionsvertrag abstimmen ließ. „Die CDU stand nie für Klimaschutz“, sagte etwa Jasmin Ateia, Vorsitzende des GrünenKreisverbands Freiburg. Mit „Unbehagen“erinnere sie sich an die ablaufende erste grün-schwarze Regierungszeit. „Zuverlässigkeit bedeutet, sich an Abmachungen zu halten und nichts zu versprechen, was nicht eingehalten wird“, mahnte sie. Kretschmann indes lobte die CDU dafür, nicht den „Sirenenklängen der Populisten“erlegen zu sein, wie dies konservative Parteien in anderen Ländern getan hätten. „Wir konnten uns mit der CDU auf ein wirklich ehrgeiziges Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre verständigen“, so Kretschmann.
Führende Grüne versprachen, sich um Umsetzung des Koalitionsvertrags zu kümmern. „Wir werden die CDU in die Pflicht nehmen“, sagte Landeschef Oliver Hildenbrand. Andreas Schwarz, aktueller und mutmaßlich auch weiterer Fraktionschef der Grünen im Landtag, kündigte an, die Vereinbarungen „Buchstabe für Buchstabe“zu realisieren, wie er sagte. „Die Fraktion sieht sich als Hüterin des Koalitionsvertrags.“188 von 220 Delegierten schenkten ihrem Führungsteam schließlich das Vertrauen und segnete den Koalitionsvertrag ab.