Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Ich fresse einen Besen, wenn die Legalisierung nicht kommt“
BERLIN - Derzeit bildet sich eine denkwürdige Koalition. FDP, Linke und Grüne wollen es, sogar die Mehrheit der AfD-Anhänger. Die Rede ist von der Legalisierung von Cannabis. Die grün-schwarze Landesregierung im Südwesten hat vereinbart, die nicht strafrechtlich relevante „Geringe Menge“auf 10 Gramm zu erhöhen. Die Liberalen haben einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht, der eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ermöglichen soll – allerdings kaum Chancen hat, umgesetzt zu werden. Trotzdem zeigt sich: Der gesetzliche Umgang mit Cannabis wird auch im Bundestagswahlkampf zum Thema werden. Doch wie gefährlich ist das Rauschmittel – und welche Nachteile hat das derzeitige Verbot? Ein Überblick.
Legalisierung oder Entkriminalisierung – was ist der Unterschied?
Wer gegen Prohibition, also das Verbot von Drogen ist, kann trotzdem noch unterschiedlicher Ansicht über den richtigen Umgang mit den Rauschmitteln sein. Legalisierung bedeutet, dass Erwachsene den Stoff legal kaufen können, in speziellen Shops. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Niederlande, auch wenn Cannabis dort formal nie legalisiert wurde: Kunden können es legal in Coffeeshops kaufen und dort konsumieren. Entkriminalisierung bedeutet, dass man die Konsumenten nicht strafrechtlich verfolgt, die Hersteller und Verkäufer aber weiterhin. Eine Ordnungswidrigkeit wäre der Besitz weiterhin. Portugal ist diesen Weg 2001 gegangen – sogar für alle Drogen. Konsumieren mehr Menschen Drogen, wenn man dafür nicht bestraft wird? Die Statistiken aus Ländern, die diesen Weg gehen, sprechen die entgegengesetzte Sprache: In Portugal sinkt der Drogenkonsum seit der Reform vor zwanzig Jahren stetig – vor allem bei jüngeren Menschen. Das belegen unter anderem Auswertungen des Europäischen Drogenberichts.
Aber Cannabis ist doch eine Einstiegsdroge, oder?
Das ist das Hauptargument von CDU und CSU für die aktuelle Drogenpolitik. Wer später Heroin konsumiere, habe mit Cannabis angefangen. Doch das Argument ist nicht logisch.
Schließlich führt eine Erkältung nicht zwingend zu einer Lungenentzündung, nur weil jeder Lungenentzündung eine Erkältung vorausgeht. Die einhellige wissenschaftliche
BERLIN - Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er hat in einer Studie berechnet, welche Auswirkungen die Legalisierung von Cannabis auf die deutsche Volkswirtschaft hätte.
Herr Haucap, was kostet das Cannabis-Verbot den Steuerzahler?
Sehr konservativ gerechnet eine Milliarde Euro pro Jahr. Das ließe sich alleine bei der Polizei einsparen. Die Kosten für die Justiz und den
Meinung ist: An der EinstiegsdrogenThese ist nichts dran.
Wie stehen Kriminalbeamte und Strafrechtler zur Drogenpolitik?
Justizvollzug sind dabei noch nicht eingerechnet, weil wir dafür keine verlässliche Datengrundlage haben. In Wahrheit liegt die Summe also noch deutlich höher.
Welche Steuereinnahmen ließen sich durch eine Legalisierung generieren?
Mindestens 1,7 Milliarden Euro im Jahr. Der Großteil davon über eine direkte Steuer für Cannabis sowie die Mehrwertsteuer. Auch hier wieder: Das ist das absolute Minimum. Faktoren wie die, dass wir dadurch nicht mehr unnötig Menschen, die produktiv sein könnten, dem Arbeitsmarkt entziehen würden, kommen noch dazu, sind aber schwer zu beziffern. Der erhöhte Gesundheitsschutz für junge Menschen durch besseren Jugendschutz
Rund vier Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Schätzungen zufolge regelmäßig Cannabis. Solange das illegal ist, müssen Polizei und Justiz die Konsumenten und hochwertigeres Cannabis ebenso.
Wären bei einer Legalisierung Cannabis-ETFs eine Geldanlage?
Am Anfang wäre die Gewinnspanne sicher enorm. Die höchsten Margen wären bei medizinischem Cannabis zu erwarten, wo hohe Reinheitsgrade zu den Anforderungen gehören. Bei Cannabis als Genussmittel hätte der Markt perspektivisch aber nicht allzu hohe Eintrittsbarrieren – siehe die Fotos von Cem Özdemirs Balkon. Es wäre auf Dauer schwierig, super profitabel zu sein. Der Preis, das zeigen Daten aus den USA, darf auch nicht viel höher sein als auf dem Schwarzmarkt. Allerdings würden sich wohl Markenprodukte herausbilden, dazu könnte bei Bio-Cannabis die ermitteln und vor Gericht stellen. Viel investierte Arbeitszeit also. Könnte man diese besser nutzen? Es wäre schon eine „signifikante Entlastung“für die Polizei, diese Vergehen
Gewinnspanne steigen.
Sie sprechen sich für eine Legalisierung von Cannabis aus. Sind unter Kollegen ein Außenseiter?
Ganz im Gegenteil, das ist totaler Common Sense unter Volkswirten. Für manche ist das Thema nur ein bisschen langweilig, weil es wenig gute Daten gibt und jeder weiß, dass Prohibition schlecht ist.
Was kommt in der Cannabis-Frage nach der Bundestagswahl?
Um es mal salopp zu formulieren: Ich fresse einen Besen, wenn die Legalisierung nicht kommt. Der Mindestkonsens wird sein, dass die Abstimmung im Bundestag freigegeben wird, wie bei der Ehe für alle. Und dann findet sich eine Mehrheit für die Legalisierung.
Wie gefährlich ist Cannabis?
Etwa fünf bis zehn Prozent der Konsumenten werden süchtig. Die Sucht ist vor allem psychischer Natur. Wer süchtig nach Cannabis ist, kann ohne den Rausch Zustände von innerer Unruhe, Nervosität oder Ängstlichkeit spüren, im schlimmsten Fall Depressionen. Im Vergleich mit anderen Rauschmitteln schneidet Cannabis aber, was Suchtgefahr und Schädlichkeit angeht, noch gut ab – auch verglichen mit dem legalen Rauschmittel Alkohol. Das gilt erst recht, wenn man Gewaltdelikte unter Alkoholund Cannabiseinfluss miteinander vergleicht. Aus den USA gibt es Studien, die andeuten, dass eine Legalisierung von Cannabis die Kriminalitätsrate sinken lässt. Doch auch die Suchtgefahr ließe sich durch eine Legalisierung von Cannabis verringern. Denn verantwortlich für den berauschenden Part wie auch schädliche Effekte auf die Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit durch den Konsum ist der Wirkstoff THC. Dessen Gehalt steigt in den vergangenen Jahren immer mehr an. Für Schwarzmarkt-Händler ist klar: Mehr Rausch und mehr Süchtige bedeuten mehr Profit. Staatliche Regulierung könnte diese Entwicklung stoppen. Auch der Jugendschutz ließe sich damit erhöhen.