Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mehr als 50 Opfer bei Anschlag in Kabul
Nach Truppenabzug wachsen die Sorgen vor dem Erstarken von Terrorgruppen
KABUL (dpa) - Beim ersten massiven Anschlag seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen sind am Samstagnachmittag in Kabul mehr als 50 Menschen gestorben – darunter viele junge Mädchen, für die gerade die Schule zu Ende war.
Binnen weniger Minuten detonierten eine Autobombe und zwei Minen in der Nähe einer großen Schule im Westen Kabuls – gerade als der Unterricht zu Ende war und Hunderte Kinder aus der Schule strömten. Das afghanische Innenministerium bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag, fast 24 Stunden nach dem Anschlag, auf mehr als 50. Au- genzeugen zufolge waren ein großer Teil junge Mädchen unter 16 Jahren. Mindestens 100 Menschen wurden verletzt. Viele liegen noch in Krankenhäusern. Befürchtet wird, dass die Zahl der Todesopfer im Lauf der nächsten Tage noch steigen wird.
Wer hinter dem Angriff steht, ist bislang unklar. Zunächst bezichtigte sich niemand. Die militant-islamistischen Taliban bestritten eine Beteiligung. Das Innenministerium erklärte hingegen, der Anschlag sei zweifellos eine Aktion der Taliban. Vonseiten der afghanischen Regierung heißt es stets, nur diese hätten die Fähigkeiten, massive Anschläge durchzuführen. Der IS hat in Afghanistan zwar Territorien, Kämpfer und Führungsfiguren verloren; neben der afghanischen Regierung und dem US-Militär bekämpfen auch die Taliban die Extremisten. Einem UNBericht
von 2020 zufolge ist der IS aber weiter in der Lage, Angriffe in verschiedenen Teilen des Landes zu verüben. Zuletzt hatte der IS in der Tat wieder vermehrt Angriffe für sich reklamiert, auch auf die Universität Kabul. Mit dem Anschlag steigen nun auch wieder die Sorgen, dass der IS oder andere Terrorgruppen nach dem Abzug der internationalen Truppen wieder an Stärke gewinnen und neue Rückzugsräume finden.
Auch US-Offizielle haben eingeräumt, dass der Abzug die Sammlung von Geheimdienstinformationen als Basis zur erfolgreichen Bekämpfung von Terrorgruppen einschränken werde. Bis spätestens 11. September sollen die noch rund 10 000 Soldaten aus den USA und anderen Nato-Staaten das Land verlassen haben.