Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Text und Musik im stimmungsvollen Miteinander
Avi Avital und Martina Gedeck eröffnen die Livestream-Serie des Bodenseefestivals
FRIEDRICHSHAFEN - Das Bodenseefestival kann in der gewohnten Form nicht stattfinden, doch haben Geschäftsführerin Alexandra Gruber und sieben Partnergemeinden des Festivals ein digitales Alternativprogramm zusammengestellt, um ihrem Publikum wenigstens am Bildschirm etwas vom Thema „glauben und wissen“und von ihrem „Artist in Residence“Avi Avital zu vermitteln.
Den Anfang machte der aus Israel stammende Botschafter der Mandoline am Donnerstag im Ludwig-DürrSaal des GZH, gemeinsam mit dem Schweizer Blockflötisten Maurice Steger, der Gambistin Hille Perl, dem Lautenisten David Bergmüller und Sebastian Wienand an Truhenorgel und Cembalo. Martina Gedeck trug mit ihrer wunderbar modulationsreichen Stimme philosophische und religiöse Texte vor, die das Thema „glauben und wissen“aus verschiedensten Seiten beleuchteten und die in unseren schwierigen Zeiten sicherlich viele Menschen ansprechen konnten.
Angedacht war ein musikalischer Abend im Hause Bach, wo Thomaskantor Johann Sebastian mit seiner Frau Anna Magdalena und seinen hochmusikalischen Kindern beisammensitzt, wo gesungen, auf verschiedenen Instrumenten gespielt oder über Gott und die Welt philosophiert wird. Die Kamera fing diese Zusammenkunft mit coronabedingt zwar großen Abständen, aber ebenso großer Musizierlust und Virtuosität ein, die Holztäfelung des Raums brachte sogar etwas Wohnzimmeratmosphäre. Aber so ein Livestream ist und bleibt ein magerer Ersatz für ein Konzert mit direkter Publikumsresonanz, mögen die Künstlerinnen und Künstler mittlerweile auch noch so souverän mit dieser Form umgehen. Ursprünglich wäre dieser Abend für die Schlosskirche in Friedrichshafen vorgesehen gewesen, deren Akustik wäre für die barocken Saiteninstrumente sicher günstiger gewesen als der eher trockene Konzertsaal.
Musikalisch standen die Werke von Johann Sebastian Bach im Mittelpunkt, die er in zwei Sammlungen, „Notenbüchlein“genannt, für Anna
Magdalena und für seinen Sohn Wilhelm Friedemann angelegt hatte. Die Gattin hatte eine schöne Sopranstimme und kopierte für ihren Mann die einzelnen Instrumentalstimmen aus den Orchesterpartituren, Friedemann war wie seine Brüder sehr begabt auf den Tasteninstrumenten. Auch heute noch werden Klavierschüler mit Bachs kleinen Tänzen, den zweistimmigen Inventionen oder den Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier an die Musik herangeführt.
In wechselnden Besetzungen machten Avi Avital, Maurice Steger und die anderen Musizierenden deutlich, wie fantasievoll man damals wie heute mit Bachs Kompositionen umgegangen ist. Da erklang eine Reihe von Inventionen mal im Dialog von Mandoline und Flöte oder Mandoline und Cembalo. Da spannte der ungemein virtuose Maurice Steger auf seinen verschiedenen Flöten – von der Sopranino- bis zur Tenorflöte hatte er alles dabei – etwa das Lied „Bist du bei mir“oder bekannte Choralmelodien in reich verzierter Artikulation und großen Bögen. Hille Perl mit ihrem farbenreichen Gambenspiel, Bergmüller und Wienand gestalteten ihre Parts ebenfalls mit feiner musikalischer Fantasie.
Martina Gedeck, die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin und Rezitatorin, breitete dazu einen reichen Schatz an Gedanken und Texten aus – mal aphoristisch kurz, mal kraftvoll in der Beschreibung von der Erschaffung des Menschen aus der Genesis oder in dem bekannten Paulusbrief. Texte von Hölderlin, Tolstoi, Bloch, Nietzsche, Einstein, Goethe (in Gedecks flammender Interpretation des „Prometheus“) kamen zur Geltung und manchmal wäre es schön gewesen, sie hätten noch ein wenig nachwirken können. Trotzdem ergab sich ein stimmiges und beziehungsreiches Miteinander von Text und Musik.
Die nächsten Livestreams und Aufzeichnungen kann man über www.bodenseefestival.de einsehen. Avi Avital darf sich noch ein paar Mal mit unterschiedlichsten Facetten zeigen.