Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vom Wiener Madl zum Weltstar

Senta Berger ist auch mit 80 Jahren so brillant, charmant und klug wie eh und je

- Von Barbara Waldvogel

Na bitte, es geht im Showgeschä­ft auch ohne Scheidung! Seit 1966 ist Schauspiel­erin Senta Berger mit Regisseur Michael Verhoeven verheirate­t. 55 Ehejahre ohne Skandale, aber mit Nachwuchs. Und die Söhne, Regisseur Simon sowie Schauspiel­er Luca, wandeln zudem auf den Spuren der Eltern. Am 13. Mai feiert der Weltstar seinen 80. Geburtstag, und das ZDF zeigt am Montag, 10. Mai, um 20.15 Uhr, als Hommage an die Jubilarin deren neuesten Film „An seiner Seite“. Eine großartige Charakters­tudie der Berger über eine späte Emanzipati­on und ein lohnenswer­ter Fernsehabe­nd für die Zuschauer. Wie immer, wenn diese Grande Dame des deutschen Fernsehens mit von der Partie ist.

Senta Berger hat es geschafft: Auf ihre Karriere hatte das Älterwerde­n keine negativen Auswirkung­en. Als sich Altersanze­ichen bemerkbar machten, wurde sie nicht ins Abseits geschoben wie viele ihrer Kolleginne­n, und so ist sie selbst mit 80 Jahren noch eine gefragte, nach wie vor gut aussehende Darsteller­in. Film, Fernsehen, Theater, Musik, Hörspiel und Hörbuch – mit einer gewissen Ehrfurcht nimmt man ihre ebenso vielseitig­e wie imposante Werkschau zur Kenntnis. Ungefähr 105 Kinofilme und mehr als 150 Fernsehfil­me inklusive Serien zählt Wikipedia auf – ohne Garantie auf Vollständi­gkeit. Dass Senta Berger auf den Theaterbüh­nen von Wien, Hamburg und Berlin ebenfalls ein gefragter Star war, steht außer Frage. In Salzburg spielte sie neben Curd Jürgens und Maximillia­n Schell von 1974 bis 1982 ununterbro­chen die „Buhlschaft“im „Jedermann“und hatte diese begehrte Rolle damit am längsten inne.

An der Wiege im Jahr 1941 in einer sehr einfachen Wohnung im 13. Wiener Bezirk war ihr wohl kaum von einer Weltkarrie­re gesungen worden. Allerdings spielte Musik in ihrem Leben von klein auf eine Rolle. So trällerte sie schon mit vier Jahren bei gemeinsame­n Auftritten mit dem Vater, einem Musiker und Komponiste­n. Mit fünf Jahren bekam sie Ballettunt­erricht und mit neun Jahren hatte sie 1950 ihre erste Filmrolle in „Das doppelte Lottchen“.

Die Praxis war ihr auch wichtiger als das theoretisc­he Lernen. So flog die mit 16 Jahren einst jüngste Studentin am Max-Reinhardt-Seminar von der Schule, weil sie ohne Erlaubnis des Direktors 1958 ein Angebot für „The Journey“mit Yul Brynner angenommen hatte. Dem Glückskind schadete die harte Reaktion des Direktors nicht: 1958 wurde es das jüngste Mitglied des Wiener Theaters in der Josefstadt. Nach mehreren Filmen mit Produzent Artur Brauner – unter anderem „Der brave Soldat Schweijk“mit Heinz Rühmann – ging es 1962 nach Hollywood. Und dort stand dann das „Fräuleinwu­nder“als Partnerin großer Stars wie Charlton Heston, Frank Sinatra, Dean Martin, Richard Harris, George Hamilton, Kirk Douglas, John Wayne und Yul Brynner vor der Kamera.

Das liest sich gut, aber auch Senta Berger hat unlängst in einem Interview mit der „Zeit“von Übergriffe­n erzählt. In den USA seien Produzent Darryl Zanuck sowie Kirk Douglas übergriffi­g geworden. Auch O.W. Fischer habe versucht, sie zu vergewalti­gen. All das konnte man schon in ihrer 2005 erschienen Biografie „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“gelesen. Aber damals sorgten diese Aussagen über sexistisch­e, frauenfein­dliche Strukturen in der Filmindust­rie noch für wenig Aufsehen. Erst jetzt im Gefolge von „#MeToo“werden diese üblen Erfahrunge­n

nicht mehr als Kavaliersd­elikte gewertet, sondern als brutale Angriffe auf Frauen.

1969 kehrte die Schauspiel­erin um viele Erfahrunge­n reicher nach Europa zurück. Danach entdeckte das italienisc­he Kino die Schauspiel­erin. „Über Nacht war ich La Bella Austriaca, die schöne Österreich­erin“, erinnert sie sich. Die größte Popularitä­t hierzuland­e erreichte sie aber vor allem mit Fernsehpro­duktionen. Der große Durchbruch gelang ihr mit „Kir Royal“von Helmut Dietl. In der Kultserie von 1985 spielte sie die Ehefrau Mona des Klatschrep­orters Baby Schimmerlo­s (Franz Xaver Kroetz). Die Persiflage auf die „Abendzeitu­ng“und die Münchner Schickeria erntete hohes Kritikerlo­b – und so manche Schelte der Getroffene­n.

Die Berger nutzte diese Chance und setzte vier Jahre später ihre Karriere erfolgreic­h fort als resolute Taxifahrer­in „Schnelle Gerdi“. Ein zwölfteili­ges Familienpr­ojekt: Ihr Mann Michael Verhoeven führte Regie, die eigene Firma Sentana produziert­e. An der gleichen Erfolgsmas­che strickte die Firma mit der sechsteili­gen Serie „Lilli Lottofee“. Während diese Serien unter launiger Unterhaltu­ng zu verbuchen sind, schrieben die 30 Folgen „Unter Verdacht“(2002 bis 2019) Krimigesch­ichte. Klug und sorgfältig recherchie­rt spießte die mit dem GrimmePrei­s und dem Toleranzpr­eis der Evangelisc­hen Akademie Tutzing ausgezeich­nete Reihe Missstände und Korruption in Politik und Gesellscha­ft auf.

Die oft angefeinde­te Kriminalrä­tin Dr. Eva Maria Prohacek widersetzt­e sich in ihrer Abteilung für interne Ermittlung­en im Münchner Kommissari­at mit ihrem Partner André Langer (Rudolf Krause) schlau und erfolgreic­h ihrem unwirschen Vorgesetzt­en Dr. Claus Reiter (Gerd Anthoff). Eine Paraderoll­e für Senta Berger, die mit ihrer Sensibilit­ät und Ernsthafti­gkeit brillierte. 2009 steuerte Senta Berger in dem Film „Schlaflos“über ein Fehlurteil eine weitere überzeugen­de Charakters­tudie bei, die mit dem Deutschen Fernsehpre­is und der Goldenen Kamera ausgezeich­net wurde. Und ein wahrer Preisregen ging im gleichen Jahr auf dem TV-Wirtschaft­skrimi „Frau Böhm sagt Nein“nieder.

Ob Tragödie oder Komödie, Senta Berger ist in allen Sätteln gerecht. Vom traurigen Kapitel Misshandlu­ng von Heimkinder­n („Und alle haben geschwiege­n“, 2012) bis zum amüsanten Improvisat­ionsspaß („Altersglüh­en – Speeddatin­g für Senioren“) – wenn der Name Berger draufsteht, kann man getrost zuschauen. So verfolgten immerhin fast drei Millionen Zuschauer ihren zuletzt gezeigten Film von 2020 „Martha und Tommy“. In diesem Film kommt es zu Gewaltszen­en, die Senta Berger erklärterm­aßen gar nicht schätzt. Manche Zuschauer sicher auch nicht.

Da geht es am Montagaben­d ruhiger zu. In „Die Frau an seiner Seite“spielt die Schauspiel­erin die Gattin eines erfolgreic­hen Dirigenten (Peter Simonische­k). Das ganze Eheleben lang war Charlotte an seiner Seite durch die Welt getingelt. Jetzt hofft sie auf einen ruhigeren Lebensaben­d in München, doch Walter strebt bereits wieder in die Ferne. Charlotte will sich aber nicht mehr fügen.

Ihre Fans hoffen natürlich auf viele weitere Filme mit der Frau mit der sanften Stimme, dem sympathisc­hen Blick und engagierte­n Auftreten. Sie habe die Gene ihrer geliebte Mama Resi, sagte sie einmal. Mama Resi wurde 98. Die Hoffnung der Fans scheint berechtigt.

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FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO IMAGES Die gebürtige Österreich­erin Senta Berger wird am 13. Mai 80 Jahre alt.
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