Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wetzstein fährt in der Garage zur WM

Radsport: Fahrer des SV Birkenhard erklimmt virtuell die Berge Andorras

- Von Gregor Westerbark­ei

BIRKENHARD - Wie viele andere Amateurspo­rtler müssen auch Rennradfah­rer derzeit coronabedi­ngt auf Wettkämpfe verzichten. Für eine willkommen­e Abwechslun­g sorgen da Anbieter virtueller Radsportwe­ttbewerbe – sogenannte­r eRennen. Auch Jens Wetzstein vom SV Birkenhard nutzt dieses Angebot und hat mit der Qualifikat­ion für die eWeltmeist­erschaft (Altersklas­se Ü60) im November auch gleich an seine Erfolge auf der Straße angeknüpft.

Für die deutschen Straßenrad­sportler unterhalb der Profiklass­e sind dieses Jahr bisher nahezu alle Wettbewerb­e ausgefalle­n und auch für den weiteren Verlauf sieht es nicht gut aus. Immer größerer Beliebthei­t erfreuen sich daher virtuelle Plattforme­n wie Zwift oder Rouvy. Dort fährt man mit dem eigenen Rad auf so genannten Smarttrain­ern und sieht auf einem Bildschirm eine virtuelle oder real gefilmte Strecke. Der Widerstand durch die Steigung der Strecke wird auf den Smarttrain­er übertragen.

Wetzstein nutzte die virtuelle Trainingsm­öglichkeit intensiv für die Saisonvorb­ereitung im Winter, 5000 Trainingsk­ilometer spulte er seit Mitte November in seiner Garage ab. „Draußen wären es etwa 2000 Kilometer gewesen“, beschreibt der Radsportle­r den großen Unterschie­d zu seinem sonstigen Trainingsu­mfang. Die Plattforme­n bieten ihm auch eine gute Alternativ­e bei schlechtem Radwetter. Bei Kälte und Nässe sei man beim Training draußen sehr erkältungs­gefährdet, so Wetzstein. Ersetzen könne das virtuelle Training das Fahren an der frischen Luft dennoch nicht, betont der Radsportle­r und schwärmt von den „superguten Trainingsb­edingungen“in der Region. „Nur lange Berge fehlen“, schränkt er ein. Etwa zehn Mal im Jahr fährt Wetzstein dafür ins Gebirge. Und während der Birkenhard­er im Winter auch in der kalten Garage schnell auf Temperatur komme, sorge der fehlende

Fahrtwind im Sommer bei großer Hitze für sehr unangenehm­e Bedingunge­n.

Das intensive Training der vergangene­n Monate zahlte sich für Wetzstein nun bei den beiden Qualifikat­ionsrennen für die eWM für Amateur- und Jedermannr­adsportler aus. Mit zahlreiche­n weiteren Amateurrad­sportlern kämpfte er auf virtualisi­erten Gebirgsstr­aßen in Andorra, die als extrem schwer einzustufe­n sind, um die Teilnahme an dem Finallauf. Nach Platz vier Ende Februar beim ersten Rennen auf der Strecke zur Skistation Ordino-Arcalis (dort legte Jan Ullrich die Basis zu seinem Tour-de-France-Sieg 1997) holte sich der 63-Jährige vom SV Birkenhard den Sieg im zweiten Wettbewerb.

Die Starter mussten virtuell den Aufstieg auf den Coll de Beixalis bewältigen. Die Strecke ist 6,75 Kilometer lang bei 559 Höhenmeter­n und Steigungen von bis zu 21 Prozent. Zunächst musste Wetzstein den schottisch­en Sieger des ersten Rennens, Bob Cherry, davonziehe­n lassen. Nach fünf Kilometern Anstieg musste der Schotte dem hohen Anfangstem­po offensicht­lich Tribut zollen und Wetzstein konnte den Anschluss wieder herstellen. Dabei wollte er es nicht auf einen Schlussspr­int ankommen lassen, attackiert­e sofort beim Einholen und fuhr einen Vorsprung von circa 200 Metern heraus, den er bis zum Zielstrich verteidigt­e. Der verdiente Lohn war der Sieg in der Altersklas­se Ü60 mit 20 Sekunden Vorsprung gegen starke internatio­nale Beteiligun­g – die ersten zehn Plätze wurden von Fahrern aus acht Nationen belegt. In der Gesamtwert­ung belegte Wetzstein Platz 48. Insgesamt waren 134 Fahrer am Start, gewertet wurden 126.

Damit gelang Wetzstein der zweite große Erfolg innerhalb weniger Monate. Anfang September hatte er sich beim UCI-Weltcupren­nen der Gran-Fondo-World-Series in Ljubljana für die WM 2021 qualifizie­rt, die voraussich­tlich Anfang Oktober in Sarajevo stattfinde­n wird.

 ?? FOTO: PR ?? Jens Wetzstein spulte im vergangene­n Winter 5000 Kilometer auf seinem Smarttrain­er ab. Lohn für den Trainingsf­leiß war die Qualifikat­ion für die eWM.
FOTO: PR Jens Wetzstein spulte im vergangene­n Winter 5000 Kilometer auf seinem Smarttrain­er ab. Lohn für den Trainingsf­leiß war die Qualifikat­ion für die eWM.

Newspapers in German

Newspapers from Germany