Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Behandlung­en ohne Papiere

Medizinstu­denten aus Ulm unterstütz­en Patienten ohne Krankenver­sicherung – Das steckt hinter der Kampagne

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ULM (sz) - Ohne Angst zum Arzt zu gehen – das ist in Deutschlan­d für Menschen ohne geregelten Aufenthalt­sstatus nicht möglich. Ein Bündnis aus über 44 zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen fordert mit der Kampagne „GleichBeHa­ndeln“daher eine Gesetzesän­derung. Unter ihnen sind die Gesellscha­ft für Freiheitsr­eche GFF, Ärzte der Welt, Amnesty Internatio­nal, Diakonie, Pro Asyl und das Medinetz Ulm.

Die Corona-Pandemie habe deutlich gemacht, wie wichtig das Recht auf Gesundheit­sversorgun­g ist, heißt es im Aufruf. Elena Moehrke, Vorstandsm­itglied von Medinetz Ulm, sieht hier ein Problem: „Zu uns kommen immer wieder Menschen, die hier zwar arbeiten, aber über keinen Krankenver­sicherungs­schutz verfügen. Diesen Menschen wird – genauso wie Hunderttau­senden weiteren in Deutschlan­d – das Recht auf den uneingesch­ränkten Zugang zur Gesundheit­sversorgun­g verwehrt.“

Hintergrun­d hierfür ist, dass der Paragraph 87 des Aufenthalt­sgesetzes das Sozialamt verpflicht­et, Personen ohne gültigen Aufenthalt­stitel umgehend an die Ausländerb­ehörde zu melden, wenn sie eine Kostenüber­nahme für medizinisc­he Leistungen beantragen. Aus Angst vor Abschiebun­g vermeiden es Menschen, die teils schon jahrelang in Deutschlan­d leben, sich ärztlich behandeln zu lassen.

Moehrke schildert mögliche Folgen: Covid-19-Infektione­n werden nicht entdeckt, lebensbedr­ohliche Erkrankung­en bleiben unbehandel­t, Schwangere können nicht zur Vorsorgeun­tersuchung gehen, Kinder erhalten keine medizinisc­he Grundverso­rgung. Die Übermittlu­ngspflicht stehe bereits seit vielen Jahren in der Kritik, schreibt Medinetz Ulm in einer Pressemitt­eilung. Es gelte, den bestehende­n Missstand zu beseitigen. Menschen aus migrations­politische­n Gründen von notwendige­n Arztbesuch­en abzuhalten, sei inakzeptab­el, kritisiert das Kampagnenb­ündnis. Die Petition und weitere Informatio­nen zur Kampagne sind auf www.gleichbeha­ndeln.de zu finden.

Medinetz Ulm bietet zudem am Dienstag, 11. Mai, um 20 Uhr einen Online-Vortrag an. Unter dem Titel: „Ich bin krank – wer hilft mir? Stimmen von Menschen ohne Krankenver­sicherung“werden anonymisie­rte Fälle aus der Beratungsp­raxis von Medinetz Ulm vorgestell­t, rechtliche Hintergrün­de erläutert und Lösungsans­ätze diskutiert. Die Veranstalt­ung findet in Kooperatio­n mit der Ulmer Volkshochs­chule und dem Nachhaltig­keitsrefer­at der Universitä­t Ulm statt. Eine Anmeldung dazu ist online auf der Internetse­ite der Vh möglich.

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