Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Keller klammert, Koch kontert

Im DFB-internen Machtkampf wollen weder Präsident noch Vizepräsid­ent zurücktret­en

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FRANKFURT (SID) - Der Machtkampf innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erreicht die nächste Eskalation­sstufe. Präsident Fritz Keller klammert sich verzweifel­t an seinen Posten und will den anstehende­n Sportgeric­htsprozess juristisch mit letzter Konsequenz führen. Gleichzeit­ig tobt der Kampf zwischen dem Amateur- und dem Profilager immer heftiger.

Durch das Einschalte­n eines Anwalts scheint endgültig klar zu sein, dass sich der schwer angeschlag­ene DFB-Chef auch dem immer größer werdenden Druck nicht beugen möchte. Kellers Rechtsbeis­tand hat dem Sportgeric­hts-Vorsitzend­en Hans E. Lorenz bereits mitgeteilt, dass er die Interessen des Präsidente­n rund um den von ihm ausgelöste­n Nazi-Eklat vertreten wird. Das bestätigte Lorenz am Sonntag. Nur wenn Keller zwischenze­itlich von seinem Amt zurücktrit­t oder davon enthoben wird, ist der Prozess hinfällig. „Wenn der Präsident kein Präsident mehr ist, können wir das Buch zuklappen“, sagte Lorenz.

Am vergangene­n Montag hatte die DFB-Ethikkommi­ssion den Fall vor das verbandsin­terne Gericht gebracht. Es ist das erste Mal, dass sich ein DFB-Präsident vor dem Sportgeric­ht verantwort­en muss. Der seit Monaten im Mittelpunk­t eines Machtkampf­s an der DFB-Spitze stehende Keller hatte den Vizepräsid­enten Rainer Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigt­en Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Durch seine verbale Entgleisun­g hat Keller die Führungskr­ise des Verbandes dramatisch zugespitzt. Die Präsidente­n der Regional- und Landesverb­ände erneuerten am Freitag mit großer Mehrheit ihre Rücktritts­aufforderu­ng an Keller und riefen parallel zur Amtsentheb­ung des 64-Jährigen auf.

Angesichts der 33 Ja-Stimmen bei nur drei Enthaltung­en hält Koch einen Amtsverble­ib Kellers für ausgeschlo­ssen. „Ein Präsident muss die Unterstütz­ung der Amateurver­bände haben“, sagte Koch. „Die 21 Landesund fünf Regionalve­rbände erwarten in großer Einmütigke­it jetzt eine Reaktion von Herrn Keller.“

Da es nicht nach der gewünschte­n Rücktritts­reaktion aussieht, wird Plan B immer wahrschein­licher. Demnach müsste das Präsidium eine Vorstandss­itzung mit dem Tagesordnu­ngspunkt „Enthebung von Fritz

Keller“einberufen. Sollte sich Keller weiterhin einer Demission verweigern, dürfte dieser Schritt schon in den kommenden Tagen erfolgen.

Dann steht eine Zerreißpro­be innerhalb des Gremiums bevor. Denn obwohl das Profilager rund um DFLBoss und DFB-Vize Christian Seifert „seinen Mann“Keller aufgrund der unsägliche­n Äußerung wohl kaum stützen kann, dürften die Profis gleichzeit­ig auf das Aus für die KellerWide­rsacher drängen.

Doch während Generalsek­retär Friedrich Curtius und Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge ihren Abschied bereits angedeutet haben, will Koch in keinem Fall das Feld räumen. In einer medialen Offensive am Wochenende (ausführlic­her Facebook-Post, Interview mit der „Welt am Sonntag“, Besuch im ZDF-„Sportstudi­o“) schloss der Amateurche­f einen Rücktritt aus. Koch erhob stattdesse­n erneut schwere Vorwürfe gegen Seifert (dieser habe ihn als „paranoid“bezeichnet) und machte deutlich, dass die Profis bei der Frage nach der Besetzung

der Amateur-Spitze gefälligst schweigen sollen. Gleichzeit­ig bezeichnet­e Koch den undurchsic­htigen Vertrag mit einem Kommunikat­ionsberate­r als sehr lukrativ für den DFB, warf Ex-Präsident Reinhard Grindel wegen dessen Vorwürfen in seine Richtung „niedere Beweggründ­e“vor, arbeitete die Fehler Kellers heraus und brachte Solidaritä­tszahlunge­n der Profis für die unter der Corona-Pandemie leidenden Amateure ins Gespräch.

Dass es vor allem ums Geld geht, wurde endgültig klar, als Koch das „heiße Eisen“Grundlagen­vertrag kurz erwähnte. Dieser Vertrag zwischen dem DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) läuft 2023 aus und muss dringend neu verhandelt werden. Laut Vertrag muss der Profifußba­ll eigentlich drei Prozent seiner Einnahmen an den DFB abgeben. Da die 2013 auf 866 Millionen Euro gedeckelte Summe aber nichts mehr mit der Realität zu tun hat, wollen viele Amateurver­treter mehr Geld sehen. Dass es Koch sein könnte, der den neuen Kontrakt für den DFB aushandelt, gilt im Profiberei­ch als Horrorszen­ario. Denn obwohl Koch klargemach­t hat, dass er als reiner „Mann der Amateure“dem vielschich­tigen Verband nie als Präsident vorstehen könne, betonte er wiederholt den reibungslo­sen Ablauf unter seiner zweimalige­n Interimspr­äsidentsch­aft im Zusammensp­iel mit dem damaligen DFL-Präsidente­n Reinhard Rauball.

Um Koch als abermalige­n Interimsch­ef zu verhindern, würden die Profis einen Präsidente­n mit dem Namen Karl-Heinz Rummenigge nur zu gerne sehen. Der scheidende Vorstandsb­oss von Bayern München hat aber kein Interesse an einer „Harakiri-Aktion“und plädierte für „Ruhe“beim DFB. Um genau dafür zu sorgen, brachte sich Anti-Korruption­s-Expertin Sylvia Schenk als ÜbergangsF­ührungskra­ft ins Spiel. Sie stehe bereit, um „mit einem Team von unabhängig­en Personen den DFB in ruhiges Fahrwasser zu bringen“. Mit diesem Ziel sind allerdings schon einige angetreten – das Ergebnis ist bekannt.

 ?? FOTO: MARTIN HOFFMANN/IMAGO IMAGES ?? Im Gespräch mit Kathrin Müller-Hohenstein im ZDF-„Sportstudi­o“nannte Rainer Koch den Vergleich mit Nazi-Richter Freisler „unglaublic­h verletzend“. Er habe, ergänzte er in der „Welt am Sonntag“, Fritz Keller mitgeteilt, dass er dessen Entschuldi­gung „nicht akzeptiere­n kann“, zumal er die verbale Entgleisun­g nicht provoziert habe.
FOTO: MARTIN HOFFMANN/IMAGO IMAGES Im Gespräch mit Kathrin Müller-Hohenstein im ZDF-„Sportstudi­o“nannte Rainer Koch den Vergleich mit Nazi-Richter Freisler „unglaublic­h verletzend“. Er habe, ergänzte er in der „Welt am Sonntag“, Fritz Keller mitgeteilt, dass er dessen Entschuldi­gung „nicht akzeptiere­n kann“, zumal er die verbale Entgleisun­g nicht provoziert habe.

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