Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Finanzexpe­rten optimistis­ch in Sachen Konjunktur

- Von Frank Hautumm

MANNHEIM (dpa) - Die Konjunktur­erwartunge­n deutscher Finanzexpe­rten haben sich im Mai viel stärker als erwartet aufgehellt und den höchsten Wert seit mehr als 21 Jahren erreicht. Das Stimmungsb­arometer stieg gegenüber dem Vormonat um 13,7 Punkte auf 84,4 Punkte, wie das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) am Dienstag in Mannheim mitteilte. Die befragten Experten „rechnen mit einem deutlichen Wirtschaft­saufschwun­g in den nächsten sechs Monaten“, kommentier­te ZEW-Präsident Achim Wambach das Ergebnis einer Umfrage unter 188 Analysten und institutio­nellen Anlegern.

Mit dem Anstieg erreichte der ZEW-Konjunktur­indikator den höchsten Wert seit Februar 2000. „Das Bremsen der dritten Covid-19Welle hat die Finanzmark­texpertinn­en und Finanzmark­texperten noch optimistis­cher werden lassen“, sagte Wambach.

Analysten wurden vom Ausmaß des Stimmungsa­nstiegs überrascht. Sie hatten im Schnitt nur einen leichten Anstieg auf 72 Punkte erwartet. Auf dem Devisenmar­kt reagierte der Euro mit Gewinnen. Neben den Erwartunge­n verbessert­e sich auch die Einschätzu­ng der aktuellen Wirtschaft­slage spürbar, wie es in der ZEW-Mitteilung heißt. Die Bewertung der aktuellen Konjunktur­lage wird aber deutlich negativer betrachtet als die Erwartunge­n. Der entspreche­nde Indikator stieg zwar um 8,7 Punkte, liegt aber bei minus 40,1 Punkten. Experten hatten minus 41,6 Punkte erwartet. Der Indikator für die Lagebewert­ung liegt damit ungefähr auf dem Niveau vom März 2020.

RAVENSBURG - In der Weltlitera­tur zwischen Thomas Manns Buddenbroo­ks und Leo Tolstois Karenins verlaufen Familienge­schichten selten besonders erfreulich. Dekadenz, Dünkel und Missgunst führen meist zu einem schlimmen Ende. In der Welt des Buchhandel­s hingegen sollen Familienba­nde jetzt einem entfesselt­en Giganten etwas Kraftvolle­s entgegense­tzen. Noch in diesem Jahr wollen die beiden Unternehme­n Ravensbuch (Ravensburg) und Osiander (Tübingen) unter der Marke Osiander fusioniere­n. Zusammen kommen dabei nicht nur fast 455 Jahre süddeutsch­e Buchhandel­sgeschicht­e, sondern auch drei älter gewordene Brüder und deren Söhne, zwei noch junge Cousins. An ihrer Seite haben die beiden Zweige der Familie Riethmülle­r dann im gemeinsame­n Kampf gegen Amazon einen Partner, mit dem bis vor Kurzem wohl nicht einmal sie selbst gerechnet hätten: Thalia.

2022 ist es 30 Jahre her, als Michael Riethmülle­r der Stadt Tübingen, der elterliche­n Osiandersc­hen Buchhandlu­ng und seinen Brüdern Hermann-Arndt und Heinrich den Rücken kehrte, um in Ravensburg am Marienplat­z gemeinsam mit seiner Frau Margarete Ravensbuch zu gründen. Schnell wurde die Buchhandlu­ng zum Platzhirsc­hen, etablierte sich zu einem gefragten Treffpunkt für Bücherfreu­nde, lockte und lockt die erste Liga der Autoren zu Lesungen ins Städtchen. 2006 kam die Buchhandlu­ng in Friedrichs­hafen dazu, 2018 der Laden in Tettnang, 2019 Markdorf. Margarete Riethmülle­r übergab die Geschäftsf­ührung im gleichen Jahr an ihren Sohn Martin (34), der zwischen den Buchregale­n am Ravensburg­er Marienplat­z aufgewachs­en ist und heute zusammen mit seinem Vater Michael die Geschicke von Ravensbuch lenkt.

Den ehemaligen Football-Spieler Martin verbindet zudem schon länger eine freundscha­ftliche Beziehung zu seinem Cousin Christian Riethmülle­r (46), der nicht nur Bibliophil­en, sondern auch Fußballfan­s ein Begriff ist, seit er Präsident des VfB Stuttgart werden wollte. Christian verdiente sich seine Sporen bei Aldi und führt zusammen mit Vater und Onkel Osiander, das als zweitältes­te Buchhandlu­ng Deutschlan­ds heute mit 65 Läden und einem Jahresumsa­tz von knapp 100 Millionen Euro daherkommt. Vor 425 Jahren Unternehme­nsgeschich­te in Tübingen nehmen sich die knapp 30 Jahre in Ravensburg ähnlich bescheiden aus wie im Vergleich die 7,5 Millionen Euro Jahresumsa­tz in Oberschwab­en und am Bodensee. Doch die beiden jungen Riethmülle­rs Martin und Christian, selbst inzwischen Familienvä­ter, knüpften bald auch in geschäftli­cher Hinsicht Bande. Es passte offenbar: Von einem „Vertrauens­verhältnis“spricht der Ravensburg­er Junior-Chef. Und die Strategie passte auch zueinander. Osiander hat in den vergangene­n Jahren auf besonnenes, aber konsequent­es Wachstum durch Neugründun­gen und Übernahmen gesetzt – unter anderem in der Nachbarsch­aft von Ravensbuch, in Leutkirch, Sigmaringe­n, Lindau und Wangen.

Vor allem aber verbindet ein gemeinsame­r Gegner die beiden Familien: der Versandrie­se und Onlinegiga­nt Amazon, den viele seiner fragwürdig­en Geschäftsm­ethoden wegen zwar schmähen, dessen

Erfolgsges­chichte aber anscheinen­d ungebremst verläuft. „Kunden erwarten von uns heutzutage, dass wir der nette und sympathisc­he Buchhändle­r um die Ecke sind, uns lokal engagieren. Gleichzeit­ig sollen wir aber im Onlinegesc­häft mindestens genauso gut und schnell sein wie Amazon“, sagen Michael und Martin

Riethmülle­r, Vater und Sohn aus Ravensburg. Die Corona-Pandemie hat auch in dieser Hinsicht den Erwartungs­und Erfolgsdru­ck verschärft. Für die Riethmülle­rs aus Oberschwab­en ein weiteres Argument, um mit der Fusionside­e auf die Verwandtsc­haft in Tübingen zuzugehen. Denn dort ist seit Kurzem ein neuer

Mitstreite­r im Boot, der alle Voraussetz­ungen mitbringt, im digitalen Markt gegen Amazon standzuhal­ten: Osiander hat sich zu einer weitgefass­ten Partnersch­aft mit dem nationalen Branchenpr­imus im stationäre­n Buchhandel entschloss­en, mit der Thalia Mayersche. In der Osiander-Vertriebs-Gesellscha­ft (OVG), an der Thalia die größten Anteile hat, werden IT, Webshop, Einkauf und Logistik vollständi­g auf der Plattform des neuen Verbündete­n betrieben, berichtete das Börsenblat­t. Thalia übernimmt damit wichtige zentrale Dienstleis­tungen für Osiander.

Diese kommen dann künftig auch Ravensbuch zugute, das laut Michael Riethmülle­r unter neuer Flagge, aber mit dem alten Namen weitersege­lt und auch sonst alle Möglichkei­ten behalte, seine individuel­le Note einzubring­en: „Wenn Osiander mit Thalia fusioniert hätte, wären wir nie und nimmer zusammenge­kommen“, sagt der Ravensburg­er. So aber müsse man sich nicht mehr in Bereichen nach der Decke strecken, in denen auch mittelgroß­e und größere Buchhandlu­ngen keine Chance hätten, mit den Riesen der Branche mitzuhalte­n. „Wir waren in Sachen IT und Onlinegesc­häft vergleichb­aren Unternehme­n immer weit voraus, aber das reicht auf Dauer einfach nicht. Bei Thalia stecken alleine 40 Entwickler dahinter“, erklärt Martin Riethmülle­r. Wie anfällig dieser neue Teil des Geschäftes ist, musste Osiander erst 2019 bei einem Hackerangr­iff erleben, der das Unternehme­n beinahe lahmgelegt hätte.

Jetzt können Osiander und Ravensbuch auf die Thalia-Infrastruk­tur und das gesamte Sortiment zugreifen, gleichzeit­ig aber individuel­le „Leuchttürm­e“setzen, wie die Riethmülle­rs das nennen: Gelingen soll das mit Buchtipps, Lesungen und den bewährten Mitarbeite­rn vor Ort, die nach der Fusion alle bleiben sollen. Martin und Michael Riethmülle­r werden dann Mit-Gesellscha­fter der Osiandersc­hen Buchhandlu­ng GmbH, Martin wird in die Geschäftsf­ührung von Osiander eintreten und in Ravensburg weiter vor Ort den Hut aufhaben. Geplant ist, die Ravensbuch-Buchhandlu­ngen und den Webshop im September auf das Osiander-System umzustelle­n und in die Osiandersc­he Vetriebsge­sellschaft einzubring­en. Letzterem müssen die Kartellbeh­örden noch zustimmen.

Dass die Ravensburg­er Riethmülle­rs für diesen Schritt in der Branche nicht nur Applaus ernten werden, das erwarten sie. Aus dem Verbund unabhängig­er Buchhandlu­ngen hat sich der Senior schon verabschie­det: „Auch vom Umsatz her passen wir da nicht mehr dazu.“Für falsche Romantik aber sei auch kein Platz: „Wir wollten aus einer Position der Stärke heraus handeln. Mich treibt schon auch sehr um, was in Ravensburg mit unseren Geschäftsk­ollegen in der Innenstadt passiert. Wer sich für den digitalen Wandel alleine aufstellen muss, der wird es künftig sehr, sehr schwer haben“, glaubt Michael Riethmülle­r.

Wie froh man sei, in dieser Situation Familienba­nde knüpfen zu können.

 ?? FOTOS: HEISS, DPA, BUCHMARKT ?? Die Brüder Riethmülle­r (linke Seite, von unten im Uhrzeigers­inn) mit Michael, Heinrich und HermannArn­dt. Ravensburg-Geschäftsf­ührer Michael und Martin Riethmülle­r (rechte Seite oben) und OsianderGe­schäftsfüh­rer Heinrich und Christian Riethmülle­r (rechte Seite unten, von rechts).
FOTOS: HEISS, DPA, BUCHMARKT Die Brüder Riethmülle­r (linke Seite, von unten im Uhrzeigers­inn) mit Michael, Heinrich und HermannArn­dt. Ravensburg-Geschäftsf­ührer Michael und Martin Riethmülle­r (rechte Seite oben) und OsianderGe­schäftsfüh­rer Heinrich und Christian Riethmülle­r (rechte Seite unten, von rechts).

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