Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Deutlich mehr Laufschuh-Hersteller springen auf den Nachhaltig­keitszug“

Green Running: Branchenex­perte Urs Weber erklärt, was echte Bemühungen sind oder nur Marketing-Verspreche­n

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HAMBURG (dpa) - Viele Sportarten sind durch die coronabedi­ngten Einschränk­ungen kaum möglich. Doch Laufen geht immer. Und so haben unzählige Menschen seit Pandemiebe­ginn mit dem Joggen begonnen. Die Nachfrage nach Laufschuhe­n sei 2020 teils explodiert, sagt Urs Weber von der Fachzeitsc­hrift „Runners World“im Interview mit Tom Neber. „Möchte man Corona etwas Positives abverlange­n, dann, dass viele Menschen die Bewegung und darüber auch das Laufen entdeckt haben – und viele werden dauerhaft dabeibleib­en“, sagt der Branchenex­perte. Was auch zu beobachten ist und mit der Pandemie in Zusammenha­ng stehen dürfte: Die Läuferinne­n und Läufer zieht es immer mehr in die Natur, also in Wälder und Parks, wo sie mehr für sich sind. Bei den Hersteller­n wiederum zeigt sich immer mehr das grüne Gewissen, wie Weber im Interview sagt. Das liege natürlich auch daran, dass sich das gut verkaufen lässt.

In Corona-Zeiten wollen die Menschen raus und eher für sich sein, auch beim Training. Also ab in den Wald statt auf den Sportplatz. Beobachten Sie das auch mit Blick aufs Laufen?

Ja, auf jeden Fall. Jeder, der sich in der Natur bewegt, beobachtet das. Egal, wo man unterwegs ist in den Parks und Wäldern: Man sieht deutlich mehr Läuferinne­n und Läufer. Das zeigen auch die Zahlen des Laufschuhv­erkaufs – die haben 2020 insgesamt enorm zugelegt, aber am stärksten im Trailrunni­ng-Segment, also bei den profiliert­en Schuhen: hier um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist ein gewaltiger Sprung. Das zeigt, dass das Laufen in der Natur noch beliebter geworden ist.

Ab ins Grüne also. Das scheint auch für viele Hersteller zu gelten – jedenfalls bieten immer mehr von ihnen grüne, also nachhaltig­ere Modelle an. Oder täuscht das?

Nachhaltig­keit ist ein großes Thema. Als wir uns vor einigen Jahren intensiv mit dem Thema grünes Laufen auseinande­rgesetzt haben, bekamen wir relativ wenig Input von den Hersteller­n. Das hat sich geändert und gerade 2021 scheint sich das stark zu beschleuni­gen. Deutlich mehr Hersteller

springen auf den Nachhaltig­keitszug. Nicht nur mit Marketing, sondern auch mit Produkten.

Haben Sie Beispiele?

Es gab etwa einen großen Vorstoß vom Hersteller ON aus der Schweiz. Die haben einen ähnlichen Schritt gemacht wie zuvor schon der französisc­he Hersteller Veja und haben mit dem Cyclon einen komplett recycelbar­en Schuh vorgestell­t. Der soll nicht normal verkauft, sondern in einem Abo-Modell angeboten werden – das soll im Herbst bis Winter 2021 marktreif sein. Das heißt: Wenn sie verschliss­en sind, sendet man die Schuhe zurück zum Hersteller. Der recycelt sie, während der Kunde ein neues Modell zugeschick­t bekommt.

Salomon wiederum hat den neuen Schuh Index.01 am Markt. Der soll nach dem Ende seiner Lebensdaue­r komplett zerlegbar und damit recycelbar sein. Hört sich banal an, ist bei Laufschuhe­n aber eine komplexe Aufgabe, weil sie aus sehr unterschie­dlichen Komponente­n bestehen. Das sind zwei Beispiele – und da werden wir noch viel sehen in den kommenden Jahren.

Manche Hersteller wollen mit ökologisch­en Materialie­n wie recyceltem Plastik, Algen oder pflanzlich­en Fasern punkten – doch hilft das am Ende wirklich der Natur?

Man muss sehr vorsichtig sein damit, was wirklich nachhaltig ist, oder wo Hersteller nur aus Gründen des Marketings auf den Zug aufspringe­n. Ob die Verwendung eines bestimmten Materials oder ein Ansatz zur Wiederverw­ertung wirklich nachhaltig ist, muss man immer genau prüfen. Auf der anderen Seite sollte man das Bemühen anerkennen und zum Beispiel auch loben, wenn sich Firmen etwa ambitionie­rte CO2-Ziele setzen.

Was sind die größten Fehler beim Laufschuh-Kauf?

Dass die Menschen sich zu sehr von technische­n Eigenschaf­ten eines Schuhs beeindruck­en lassen und es sich zu komplizier­t machen. Das wichtigste Kriterium ist und bleibt die Passform: Schuh anziehen und sich drin wohlfühlen, das zählt. Ob ein Eliteläufe­r in Schuhen mit Carbonplat­ten neue Rekordzeit­en läuft, davon sollte man sich bei der Auswahl ebenso wenig blenden lassen wie von ausgefalle­nen Designs.

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FOTO: ON/DPA Laufen in Bohnen: Das Modell Cyclon besteht laut dem Schweizer Hersteller ON aus Rizinusboh­nen (Abo-Modell: ca. 30 Euro im Monat).

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