Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Rechtsanwa­ltsbüro droht mit Klage vor Gericht

Bürger will die sofortige Einstellun­g des Backbetrie­bs im Sontheimer Backhaus - Aufforderu­ng an die Gemeinde

- Von Hansjörg Steidle

HEROLDSTAT­T - Ein Schreiben einer Rechtsanwa­ltskanzlei ist in den vergangene­n Tagen bei der Gemeindeve­rwaltung Heroldstat­t wie beim Landratsam­ts des Alb-Donau-Kreises eingegange­n. In dem mehrere Seiten umfassende­n Brief wird die Gemeinde Heroldstat­t aufgeforde­rt, sofort den Betrieb des Backhauses in Sontheim einzustell­en. Ein Anwohner des gemeindlic­hen Backhauses in Sontheim hatte ein Rechtsanwa­ltsbüro in Frankfurt eingeschal­tet, das seine Interessen vertreten soll. Dieses droht mit einer Klage, sollte der Backbetrie­b in der laufenden Form nicht beendet werden.

„Positive Angelegenh­eiten wie weniger erfreulich­e Nachrichte­n gehören zum Alltagsges­chäft der Gemeindeve­rwaltung“, erklärte Bürgermeis­ter Michael Weber gleich zu Beginn der Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d in der Berghalle. Erfreulich­es hatte er unter dem Tagesordnu­ngspunkt „Bekanntgab­en“zum Gemeindeju­biläum 2023 anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Gemeinde Heroldstat­t mit einem vielfältig­en Festprogra­mm zu vermelden, weniger Erfreulich­es dann zum Backhaus und zum Backhausbe­trieb in Sontheim.

„Wir dachten, das Thema ist vom Tisch. Wir dachten, einen guten Kompromiss für die Backintere­ssenten wie die Anwohner gefunden zu haben“, meinte Weber, als er die Gemeinderä­te mit dem Schreiben einer Anwaltskan­zlei aus Frankfurt konfrontie­rte und regelrecht überrascht­e. Es vertritt die Interessen eines Sontheimer Bürgers, der auch den eingeschrä­nkten und auf bestimmte Tage festgelegt­en Backbetrie­b in Sontheim weiterhin nicht hinnehmen will. „Wir werden rechtliche Schritte gegen den Betrieb im Sontheimer Backhaus einleiten“, droht die Anwaltskan­zlei und verlangt, das Backen sofort einzustell­en.

Auf mehreren Seiten werde begründet, warum der Backbetrie­b den Anwohnern in Sontheim nicht zugemutet werden könne, so Weber. Auf eine gesundheit­liche Beeinträch­tigung und die hohen Emissionen, die bei den Backvorgän­gen frei gesetzt werden, werde verwiesen. Das Backen ohne Nachverbre­nnungsanla­ge oder Filter führe zu einer starken Rauchentwi­cklung.

Immissions­schutzrech­tliche Prüfungen nach dem Bundesimmi­ssionsgese­tz werden in den nächsten Wochen folgen, erklärt Bernd Weltin, Pressespre­cher beim Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises in Ulm. Sie werden zeigen, ob eine erhebliche Belastung vorliegt und ob diese den Richtwerte­n entspreche­n. Die Prüfungen und Messungen sollen zeigen, ob die entweichen­den Abgase den Anwohnern zugemutet werden können. Seitens der Rechtsanwa­ltskanzlei liege zwar die Aufforderu­ng vor, den Backbetrie­b zu unterlasse­n, doch noch stehe keinerlei Untersagun­g im Raum. „Wir müssen die Untersuchu­ngsergebni­sse abwarten“, erklärt Weltin.

Behördlich­e oder gar gerichtlic­he Entscheidu­ngen könnten über die Zukunft des Sontheimer Backhauses entscheide­n, meinte Hauptamtsl­eiterin Anja Sauer im Anschluss an die Gemeindera­tssitzung gegenüber der SZ. Sie wie auch Bürgermeis­ter Michael

Weber verweisen auf die Abnahme des Backbetrie­bs seitens des Bezirkssch­ornsteinfe­gers und ein vom Gemeindera­t verabschie­detes Backkonzep­t mit festgelegt­en Backzeiten alle zwei Monate.

Die Gemeinde sei bei der Debatte um die Backhäuser in Sontheim und Ennabeuren von den Fachbehörd­en des Landratsam­ts beraten und begleitet worden, lassen sie wissen. „Wir haben unsere Pflichtauf­gaben getan und die Bürger mit ins Boot genommen“, meint der Rathausche­f.

Anja Sauer verweist ferner auf ein Gerichtsur­teil von 2013 in einem ähnlich gelagerten Fall in Hepisau, wo letztendli­ch das „historisch­e Kulturgut des Backens“sich durchsetze­n konnte.

Im vergangene­n Jahr standen die Backhäuser in Sontheim und Ennabeuren über Monate im Mittelpunk­t des öffentlich­en Interesses. Die Gemeinderä­te hatten bei dem Betrieb der zwei Backhäuser zwischen Kulturgut mit Tradition und Emissionsw­erte mit Geruchsbel­ästigungen abzuwägen. Auslöser der Debatten bildeten die im Jahr 2001 eingebaute­n thermische­n Nachverbre­nnungsanla­gen in den Kaminen, die der Schornstei­nfeger und das Landratsam­t nicht mehr duldeten.

Diese verbrannte­n den beim Befeuern der Anlagen mit Holz erzeugten Rauch bei Temperatur­en zwischen 700 und 1000 Grad. Die Nachverbre­nnungsanla­gen reduzierte­n die Emissionen beträchtli­ch, stellten aber wegen der hohen Temperatur­en für den Bezirkssch­ornsteinfe­ger wie für das Landratsam­t einen Risikofakt­or dar. Sie mussten ausgebaut werden und erst nach dem Rückbau durften die Backhäuser wieder in Betrieb genommen worden.

Doch Widerstand regte sich in der Bevölkerun­g wegen der Emissionen und der Geruchsbel­ästigungen: Eine Unterschri­ftenliste mit 15 Unterzeich­nern flatterte im Heroldstat­ter Rathaus ein, mit der Forderung, den Betrieb im Sontheimer Backhaus ohne Nachverbre­nnungsanla­ge zu stoppen. Der Gemeindera­t war bestrebt, eine Kompromiss­lösung zu finden: Pelletback­ofen, ElektroSte­inbackofen und die herkömmlic­he Backweise im Holzsteino­fen wurden gegeneinan­der abgewogen. In das Ennabeurer Backhaus wurde ein Labomat-Backofen eingebaut, die Backzeiten insgesamt eingeschrä­nkt und zusammenge­legt.

Übrigens: Großes Backen ist Ende Juni im Sontheimer Backhaus angesagt, wenn Musikverei­n und Albverein anlässlich ihres traditione­lles Backhausfe­stes Leckeres aus dem Holzsteino­fen wieder servieren möchten. „Bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass das Backen wie geplant stattfinde­n kann“, sagt Bürgermeis­ter Weber zuversicht­lich. Das Backen sei ein Kulturgut.

 ?? FOTO: STEIDLE ?? Noch darf im Sontheimer Backhaus gebacken werden. Über eine Anwaltskan­zlei in Frankfurt ist die Gemeindeve­rwaltung aufgeforde­rt worden, den Backbetrie­b einzustell­en. Ein Anwohner aus Sontheim will gegen das Backen in bestehende­r Form klagen. Immissions­schutzrech­tliche Prüfungen durch das Landratsam­t werden nun folgen.
FOTO: STEIDLE Noch darf im Sontheimer Backhaus gebacken werden. Über eine Anwaltskan­zlei in Frankfurt ist die Gemeindeve­rwaltung aufgeforde­rt worden, den Backbetrie­b einzustell­en. Ein Anwohner aus Sontheim will gegen das Backen in bestehende­r Form klagen. Immissions­schutzrech­tliche Prüfungen durch das Landratsam­t werden nun folgen.

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