Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Wir brauchen ein Ende der Einbahnstraße“
Landrätin Bürkle erklärt im Interview, wie der kinderärztliche Notdienst aus ihrer Sicht verbessert werden kann
SIGMARINGEN - Der kinderärztliche Notdienst ist von der kassenärztlichen Vereinigung (KV) Anfang des Jahres handstreichartig umstrukturiert worden. Wechselten sich die Kinderärzte in den Landkreisen Sigmaringen und Zollernalb abends und an den Wochenenden bis dato mit Diensten in ihren eigenen Praxen ab, müssen sie nun je nach Standort für Notdienste an den Wochenenden zu den Kliniken in Reutlingen, Singen oder Ravensburg fahren. Nach massiven Protesten zweier Elterninitiativen und einem runden Tisch soll es ab April nun eine Notfallsprechstunde in Albstadt geben. Doch welche Rolle nimmt der Landkreis Sigmaringen ein? Darüber haben die SZRedakteure Michael Hescheler und Corinna Wolber mit Landrätin Stefanie Bürkle gesprochen.
Frau Bürkle, was ist Ihre Strategie in Sachen kinderärztlicher Notdienst?
Im Kern haben die Landkreise in diesem ganzen Feld keine eigenen Handlungsmöglichkeiten, das Ganze ist originär ein Thema der KV. Der rechtliche Rahmen ist Sache der Landes- und Bundespolitik.
Was wünschen Sie sich?
Unser Ziel ist es, dass die KV ihr Konzept verändert und nicht nur in den Randlagen des Regierungsbezirks Tübingen einen kinderärztlichen Notdienst anbietet – sondern auch hier im zentralen Bereich Sigmaringen/Zollernalb. Dafür haben wir uns kreisübergreifend abgestimmt, denn jeder Landkreis für sich hätte zu wenige Kinderärzte für eine Lösung gehabt. Im Kreis Sigmaringen wären es maximal vier gewesen, im Zollernalbkreis etwas mehr.
Die Idee der Notfallsprechstunde in Albstadt wird ja von der KV nicht finanziert, aber immerhin geduldet. Sind Sie damit zufrieden?
Es ist eine Chance. Ziel muss es jedoch sein, dass die KV die Notfallsprechstunde personell und finanziell gleich behandelt wie die Notfallpraxen.
Landrat Günther-Martin Pauli hat zugesagt, dass die Sprechstunde nicht an der Finanzierung scheitern wird. Steigt der Landkreis Sigmaringen auch ein?
Pauli hat mit seinen Fraktionen eine Eilentscheidung herbeigeführt, dass bestimmte finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Wir haben uns darauf verständigt, dass es wichtig ist schnell zu starten, und werden dann im Herbst evaluieren. Wenn die Notfallsprechstunde von Vielen aus dem Kreis Sigmaringen angenommen wird, werde ich in den Haushaltsplanberatungen für 2018 einen Vorschlag in den Kreistag einbringen. Aber noch einmal: Vorrangiges Ziel für beide Landkreise ist eine Finanzierung durch die KV, wie sie dies auch bei den Notfallpraxen tut.
Sind Sie mit der Notfallsprechstunde zufrieden?
Für uns ist das neue Konstrukt der KV eigentlich nicht die richtige Antwort. Eine Prämisse der KV lautet, dass der Notdienst zwingend an Standorten von Krankenhäusern mit kinderärztlicher Abteilung sein muss – das halten wir für falsch. Auch die Kinderärzte sagen uns, dass die allerwenigsten Fälle in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. Wäre diese Prämisse aufgehoben, bekäme man einen viel größeren Pool an Ärzten und ein Ende der Einbahnstraße, auf der lediglich unsere Kinderärzte aus dem ländlichen Bereich in diese Zentren fahren müssen. Dann wäre auch denkbar, dass ein Kinderarzt für eine Notfallbereitschaft aus Tübingen mal rausfährt und den Dienst bei uns macht. Das Versorgungsgebiet würde sich in seiner Abdeckung dann ganz anders darstellen.
Viele der Ärzte, die sich an der Notfallsprechstunde in Albstadt beteiligen, gehen in den nächsten Jahren in Rente. Außerdem könnte das Krankenhaus in Albstadt einem Neubau des Zollernalbklinikums zum Opfer fallen. Hat die Sprechstunde überhaupt eine Perspektive?
Die Praxis hängt nicht mit dem Klinikum in Albstadt zusammen. Sie ist zwar in einem Haus daneben untergebracht, ist aber nicht mit der Klinik verknüpft. Es wird also entscheidend von den Eltern abhängen, ob sie dieses Angebot annehmen.
Die Elterninitiative im Kreis Sigmaringen fordert eine zentrale Einrichtung am Standort Sigmaringen. Gibt es da im Zuge der Krankenhaussanierung Chancen?
Eine kinderärztliche Abteilung wird es nicht geben. Das haben wir vor einer Weile geprüft. Um bei uns, im Zollernalbkreis oder gemeinsam etwas hinzubekommen, muss die KV also die Prämisse mit der Anbindung an eine Kinderklinik aufbrechen. Bis dahin gibt es wohnortnah die allgemeine Notfallambulanz oder allgemeine Notfallpraxis, bei uns in Sigmaringen und Bad Saulgau. Das möchte ich auch betonen: Über den kinderärztlichen Notdienst hinaus haben wir noch weitere Möglichkeiten, wo die Eltern mit ihren Kindern hingehen können.