Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Samtweich
Mit „Triplicate“beschließt Bob Dylan seine Interpretation des American Songbook
Seit Monaten bestimmt Bob Dylan die Schlagzeilen mit der Posse um die Übergabe des Literaturnobelpreises, wobei der Beobachter noch rätselt, ob die Eitelkeit beim Künstler größer ist oder bei der schwedischen Akademie. Wie auch immer, in Vergessenheit geriet: der Mann ist Musiker. Daran erinnert ein neues Werk, das heute erscheint: „Triplicate“, ein Dreieralbum – mit Jazz-Standards und Schlagern.
Dylan und Populärmusik, das klingt nur auf den ersten Eindruck widersprüchlich, gehören der Widerspruch und das Unerwartete schon per Definition zu dem einstigen Protestsänger. So waren die Fans allenfalls etwas irritiert, als Dylan 2015 mit „Shadows in The Night“und 2016 mit „Fallen Angels“Interpretationen fremder Werke veröffentlichte, die zumeist Frank Sinatra gesungen hatte. Mit „Triplicate“beendet Dylan seine eigene Reise in die Welt des Great American Songbook. Jenen Standards der Unterhaltungsindustrie, die zwischen den 1920erund 1960er-Jahren entstanden sind und in den USA einen hohen Stellenwert im kulturellen Leben einnehmen. Zahlreiche Künstler haben sich an den Songs versucht, manch einer hat sich verhoben, zu den herausragenden Interpreten gehören Louis Armstrong, Joni Mitchell, Tony Bennett. Auch Robbie Williams (!) oder Rod Stewart hielten Stand. Und Bob Dylan?
„Triplicate“beginnt typisch, eben swingend, lässig und von Bläsern aufgepumpt („I Guess I’ll Have To Change My Plans“). Nach diesem klassischen Intro erwartet der Hörer automatisch eine Stimme wie eben jene von Sinatra (andere mögen an Harald Juhnke denken) – und bekommt das Näseln und Krächzen des Bob Dylan geboten. Das klingt zunächst unfreiwillig komisch. Verflüchtigt sich jedoch überraschend schnell. Insgesamt 30 Songs bietet die CD-Box, darunter Klassiker wie „As Times Goes By“, „September of My Years“oder „Sentimental Journey“, aber auch unbekanntere. Eingespielt sind sie mit großer Ernsthaftigkeit, im Gegensatz zum Intro instrumental zumeist reduziert, intim und sehr emotional vorgetragen. Dylan ist hier vielleicht nicht der ganz große Wurf gelungen, wer aber die CDs am Stück hört, wird sich am Ende berührt und auch ein Stück weit beseelt fühlen. Und auch das Krächzen und Näseln des 75-Jährigen relativiert sich. Mag nicht jeder Ton treffend klingen, hat man ihn aber nur selten so samt und sanft gehört, zumindest stellenweise.
Unterm Strich hat Bob Dylan mit seinen Interpretationen des American Songbook nichts anderes gemacht als sonst auch; er hat die amerikanische Seele ausgelotet, nun eben aus der Perspektive vergangener Populärkunst. Eingefleischte Dylan-Fans werden sich dennoch freuen, dass sich der Meister nun wieder anderen Dingen widmet. Zu früh freuen sollten sich aber nicht, denn niemand weiß welchen.