Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gröber: Historiker fordert Umbenennung
Bei der Diskussion um die braune Vergangenheit des Erzbischofs kochen Emotionen hoch
MESSKIRCH - Rund 30 Bürger sind zu der Buchvorstellung „NS-Belastete aus Südbaden“am Dienstagabend im Schloss Meßkirch gekommen. Schonungslos legte der Historiker Wolfgang Proske die braune Vergangenheit des Erzbischofs Conrad Gröber (1872 bis 1948) offen, der aus Meßkirch stammt (die SZ berichtete). Gröber sei ein wichtiger Teil der nationalsozialistischen PropagandaMaschinerie gewesen. Er half, den Nationalsozialimus in Baden durchzusetzen und stellte sich selbst in den Dienst der braunen Machthaber. Ebenso denunzierte Gröber eine Jüdin beim badischen Gauleiter. Proske stufte Gröber als Helfer des Nationalsozialismus ein.
Am Ende seines Vortrags forderte der Historiker, dass die Stadt Meßkirch Gröber die Ehrenbürgerwürde entziehen solle. „Auch die ConradGröber-Straße ist nicht zu rechtfertigen.“Für beide Anliegen müsse es eine fraktionsübergreifende Initiative im Gemeinderat geben, es sollte möglichst Einstimmigkeit herrschen. Die Caritas solle überlegen, ob es moralisch vertretbar sei, dass das Altenheim in Meßkirch nach Conrad Gröber heißt. Der Meßkircher Historiker Armin Heim sagte am Ende der Veranstaltung, dass der Vortrag als Ausgangspunkt einer Gröber-Debatte dienen könne, „die bislang nie stattgefunden hat.“
Bei der anschließenden Diskussion verteidigte Heinrich Heidegger, der Neffe des Philosophens Martin Heidegger, Gröber: Vor allem die Angst des Erzbischofs vor dem Kommunismus habe ihn dazu veranlasst, sich den Nazis zuzuwenden. Zudem sei Gröber von der geheimen Staatspolizei bespitzelt worden. Dann platzte Waldemar Gorzawski, dem Leiter des Bildungswerks Meßkirch, der Kragen: „Herr Heidegger, prüfen Sie Ihr Gewissen. Sie sind katholischer Pfarrer und sollten uns ein Vorbild sein. Und Sie verteidigen Nazis wie Ihren Onkel und Herrn Gröber.“Heidegger widersprach, dass sein Onkel ein Nazi gewesen sei. „Ja, stimmt: Heidegger war ein Widerstandskämpfer“, sagte Gorzawski ironisch.
Noch lange nach dem offiziellen Ende standen die Besucher beisammen und diskutierten. „Ich fand den Abend sehr interessant, da man jetzt sieht, was sich für Menschen hinter den Meßkircher Genies verbergen“, sagte Claus Ketels im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Als Gröbers braune Vergangenheit zur Sprache kam, sei er perplex gewesen. Vor allem die Dreistigkeit Gröbers, mit der er sich nach dem Krieg zu einem Opfer des NS-Regimes stilisierte, sei erschreckend gewesen: „Das war krass.“Ketels hofft, dass es jetzt in der Gröber-Forschung weitergeht. Wenn sich die in dem Vortrag geschilderten Verfehlungen Gröbers weiter erhärten lassen, würde Ketels eine Umbenennung der Dr.-ConradGröber-Straße befürworten: „Das würde ich gut finden.“Die Caritas müsse es selbst entscheiden, ob das Altenheim weiter nach Gröber benannt sein soll. Ketels wünscht sich, dass bei einem künftigen Vortragsabend der Philosoph Martin Heidegger und Gröber gegenübergestellt werden.
Wenige Besucher kommen zur Buchvorstellung
Auch der Meßkircher Konditormeister Hermann Brecht fand den Abend interessant. „Für mich als Meßkircher ist es wichtig, zu wissen, wie die Musik gespielt hat.“Schade findet er, dass nur so wenig Besucher zu der Buchvorstellung gekommen sind. „Das ist typisch Meßkirch: Es kommt keine Sau.“Zu einer Umbenennung der Gröber-Straße möchte sich Brecht vorerst nicht äußern: „Das ist ein gefährliches Unterfangen.“
Auch Rüdiger Hillenbrand ärgerte sich: „Es war nur ein einziger Stadtrat heute Abend da, nämlich Klaus-Peter Schmittem.“Vielleicht schützen sich die anderen so, weil sie auf diese Weise nicht über Gröber diskutieren müssen. Es bringe nichts, wenn die kleinste Fraktion im Rat einen Antrag zur Umbenennung der Gröber-Straße und zum Entzug der Ehrenbürgerwürde stelle: „Das muss von allen Fraktionen getragen werden.“Stadtrat Klaus-Peter Schmittem meinte, es könne über eine entsprechende Diskussion nachgedacht werden. „Fraglich ist, ob in der Bevölkerung ein breites Interesse daran besteht.“Die Umbenennung der Straße sei kein einfaches Thema.
„Der Vortrag zeigte: Mit Gröber verhält es sich wie mit Heidegger – beide waren keine Mörder, sie haben sich nicht unmittelbar die Hände schmutzig gemacht. Aber beide waren in der ersten Hälfte der 1930erJahre begeisterte Nazis als Theoretiker, Weggefährten und Stützen des Regimes. Und somit haben sie niedere Chargen zu Taten ermutigt“, sagte Waldemar Gorzawski. Beide hätten sich schuldig gemacht: Gröber mit seinen Hasspredigten und seiner SSMitgliedschaft, Heidegger mit seiner Verherrlichung von Hitler und dessen „Mein Kampf“sowie den Reden als Funktionsträger der Universität Freiburg. „Und keiner glaube den Schutzbehauptungen dieser Intellektuellen oder deren Verwandtschaft, dass sie von den Verbrechen nichts gewusst hätten“, sagte Gorzawski.