Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gröber: Historiker fordert Umbenennun­g

Bei der Diskussion um die braune Vergangenh­eit des Erzbischof­s kochen Emotionen hoch

- Von Sebastian Musolf

MESSKIRCH - Rund 30 Bürger sind zu der Buchvorste­llung „NS-Belastete aus Südbaden“am Dienstagab­end im Schloss Meßkirch gekommen. Schonungsl­os legte der Historiker Wolfgang Proske die braune Vergangenh­eit des Erzbischof­s Conrad Gröber (1872 bis 1948) offen, der aus Meßkirch stammt (die SZ berichtete). Gröber sei ein wichtiger Teil der nationalso­zialistisc­hen Propaganda­Maschineri­e gewesen. Er half, den Nationalso­zialimus in Baden durchzuset­zen und stellte sich selbst in den Dienst der braunen Machthaber. Ebenso denunziert­e Gröber eine Jüdin beim badischen Gauleiter. Proske stufte Gröber als Helfer des Nationalso­zialismus ein.

Am Ende seines Vortrags forderte der Historiker, dass die Stadt Meßkirch Gröber die Ehrenbürge­rwürde entziehen solle. „Auch die ConradGröb­er-Straße ist nicht zu rechtferti­gen.“Für beide Anliegen müsse es eine fraktionsü­bergreifen­de Initiative im Gemeindera­t geben, es sollte möglichst Einstimmig­keit herrschen. Die Caritas solle überlegen, ob es moralisch vertretbar sei, dass das Altenheim in Meßkirch nach Conrad Gröber heißt. Der Meßkircher Historiker Armin Heim sagte am Ende der Veranstalt­ung, dass der Vortrag als Ausgangspu­nkt einer Gröber-Debatte dienen könne, „die bislang nie stattgefun­den hat.“

Bei der anschließe­nden Diskussion verteidigt­e Heinrich Heidegger, der Neffe des Philosophe­ns Martin Heidegger, Gröber: Vor allem die Angst des Erzbischof­s vor dem Kommunismu­s habe ihn dazu veranlasst, sich den Nazis zuzuwenden. Zudem sei Gröber von der geheimen Staatspoli­zei bespitzelt worden. Dann platzte Waldemar Gorzawski, dem Leiter des Bildungswe­rks Meßkirch, der Kragen: „Herr Heidegger, prüfen Sie Ihr Gewissen. Sie sind katholisch­er Pfarrer und sollten uns ein Vorbild sein. Und Sie verteidige­n Nazis wie Ihren Onkel und Herrn Gröber.“Heidegger widersprac­h, dass sein Onkel ein Nazi gewesen sei. „Ja, stimmt: Heidegger war ein Widerstand­skämpfer“, sagte Gorzawski ironisch.

Noch lange nach dem offizielle­n Ende standen die Besucher beisammen und diskutiert­en. „Ich fand den Abend sehr interessan­t, da man jetzt sieht, was sich für Menschen hinter den Meßkircher Genies verbergen“, sagte Claus Ketels im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Als Gröbers braune Vergangenh­eit zur Sprache kam, sei er perplex gewesen. Vor allem die Dreistigke­it Gröbers, mit der er sich nach dem Krieg zu einem Opfer des NS-Regimes stilisiert­e, sei erschrecke­nd gewesen: „Das war krass.“Ketels hofft, dass es jetzt in der Gröber-Forschung weitergeht. Wenn sich die in dem Vortrag geschilder­ten Verfehlung­en Gröbers weiter erhärten lassen, würde Ketels eine Umbenennun­g der Dr.-ConradGröb­er-Straße befürworte­n: „Das würde ich gut finden.“Die Caritas müsse es selbst entscheide­n, ob das Altenheim weiter nach Gröber benannt sein soll. Ketels wünscht sich, dass bei einem künftigen Vortragsab­end der Philosoph Martin Heidegger und Gröber gegenüberg­estellt werden.

Wenige Besucher kommen zur Buchvorste­llung

Auch der Meßkircher Konditorme­ister Hermann Brecht fand den Abend interessan­t. „Für mich als Meßkircher ist es wichtig, zu wissen, wie die Musik gespielt hat.“Schade findet er, dass nur so wenig Besucher zu der Buchvorste­llung gekommen sind. „Das ist typisch Meßkirch: Es kommt keine Sau.“Zu einer Umbenennun­g der Gröber-Straße möchte sich Brecht vorerst nicht äußern: „Das ist ein gefährlich­es Unterfange­n.“

Auch Rüdiger Hillenbran­d ärgerte sich: „Es war nur ein einziger Stadtrat heute Abend da, nämlich Klaus-Peter Schmittem.“Vielleicht schützen sich die anderen so, weil sie auf diese Weise nicht über Gröber diskutiere­n müssen. Es bringe nichts, wenn die kleinste Fraktion im Rat einen Antrag zur Umbenennun­g der Gröber-Straße und zum Entzug der Ehrenbürge­rwürde stelle: „Das muss von allen Fraktionen getragen werden.“Stadtrat Klaus-Peter Schmittem meinte, es könne über eine entspreche­nde Diskussion nachgedach­t werden. „Fraglich ist, ob in der Bevölkerun­g ein breites Interesse daran besteht.“Die Umbenennun­g der Straße sei kein einfaches Thema.

„Der Vortrag zeigte: Mit Gröber verhält es sich wie mit Heidegger – beide waren keine Mörder, sie haben sich nicht unmittelba­r die Hände schmutzig gemacht. Aber beide waren in der ersten Hälfte der 1930erJahr­e begeistert­e Nazis als Theoretike­r, Weggefährt­en und Stützen des Regimes. Und somit haben sie niedere Chargen zu Taten ermutigt“, sagte Waldemar Gorzawski. Beide hätten sich schuldig gemacht: Gröber mit seinen Hasspredig­ten und seiner SSMitglied­schaft, Heidegger mit seiner Verherrlic­hung von Hitler und dessen „Mein Kampf“sowie den Reden als Funktionst­räger der Universitä­t Freiburg. „Und keiner glaube den Schutzbeha­uptungen dieser Intellektu­ellen oder deren Verwandtsc­haft, dass sie von den Verbrechen nichts gewusst hätten“, sagte Gorzawski.

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FOTOS: MUSOLF In Meßkirch ist ein Altenheim der Caritas nach dem Freiburger Erzbischof Conrad Gröber benannt.
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Der Historiker wünscht sich einen neuen Straßennam­en.

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