Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Rückfall in dunkle Zeiten verhindert
Hassan Rohani bleibt zunächst auf Konfrontationskurs. Nach seinem überraschend deutlichen Wahlsieg vom Freitag stellte der iranische Präsident in einer Fernsehansprache klar, dass er sich jetzt dem „klaren Votum des Volkes“verpflichtet fühle: „Unsere Nation hat den Pfad des Dialogs mit dem Rest der Welt gewählt, abseits von Gewalt und Extremismus“– für den in den Augen der meisten Iraner der erzkonservative Ebrahim Raisi, Rohanis unterlegener Gegenkandidat, steht. Er wollte ebenfalls Präsident in Teheran werden.
Die Wahl des ehemaligen Staatsanwaltes, der vor 29 Jahren an der Hinrichtung unzähliger Iraner beteiligt gewesen war, galt es zu verhindern. 5,7 Millionen Menschen, mehr als doppelt so viele wie vor vier Jahren, waren allein in Teheran zu den Wahlurnen gegangen. Sie wussten, was auf dem Spiel stand.
Trotz permanenter Querschüsse der Hardliner hat sich der Iran in der Krisenregion Mittelost unter Präsident Hassan Rohani zu einem der stabilsten Länder der Region entwickelt. „Und das soll auch so bleiben“, lautete die Botschaft jener 23,5 Millionen Iraner, welche am Freitag dem Amtsinhaber erneut ihr Vertrauen schenkten.
Dank an Ex-Präsident Khatami
Dass Rohani sein Versprechen vom Wirtschaftsaufschwung nach dem Atomabkommen mit dem Westen nicht erfüllen konnte, spielte bei den iranischen Präsidentenwahlen allerdings kaum eine Rolle. Was die Iraner am Freitag verhindern wollten, war ein Rückfall in die dunklen Zeiten der Isolation, in die Tage, als Mahmoud Ahmadinedschad mit seiner Holocaust-Leugnung und anderen Tiraden das Land ins totale Abseits manövrierte. Mit Hassan Rohani, der vor vier Jahren den unsäglichen Quertreiber ablöste, war zumindest die Hoffnung zurückgekommen. Der Iran hatte endlich wieder ein freundliches Gesicht, mit dem es, wie Rohani es immer wieder versprochen hatte, „kein Zurück“mehr geben würde.
Natürlich wissen die Wähler im Iran, dass die Handlungsfreiheit ihres so mutigen Präsidenten begrenzt ist. Als „herrschender Gottesgelehrter“kann Revolutionsführer Ali Khamenei jederzeit in die Regierungsarbeit eingreifen und Beschlüsse der Regierung blockieren. Diese bittere Erfahrung machte der inzwischen in Ungnade gefallene Ex-Präsident Mohammed Khatami, bei dem sich Rohani am Samstag in seiner Siegesrede ausdrücklich für dessen Unterstützung bedankte.
Auch Hassan Rohani wird in den kommenden vier Jahren auf den erbitterten Widerstand der Erzkonservativen stoßen. Wie tief die Gräben innerhalb des islamischen Establishments sind, zeigte sich während des Wahlkampfes, in dem die Kandidaten Machtmissbrauch, Korruption, Unfähigkeit und Justizwillkür schonungslos zur Sprache brachten und selbst vor Schlägen unter die Gürtellinie nicht zurückschreckten.
Um als Staatspräsident erfolgreich zu sein, wird Rohani etwas sensibler agieren müssen als während seines konfrontativen Wahlkampfes. Der Dialog mit seinen Widersachern ist schwierig, politische Kompromisse sind vielfach unmöglich. Rohani möchte die Islamische Republik weiter öffnen. Die Hardliner werden trotz ihrer Niederlage an einer „Wirtschaft des Widerstandes“festhalten. Ideologisch verbohrt setzen sie auf fortgesetzte Konfrontation mit den USA, die sich am Wochenende in Riad mit Saudi-Arabien, dem arabischen Erzfeind des Iran, verbündeten. In seiner zurückliegenden Amtszeit hatte es Rohani geschafft, die Attacken des neuen US-Präsidenten Donald Trump zu ignorieren, mit seinem freundlichen Gesicht dessen anti-iranische Ausfälle wegzulächeln. Doch der Ton wird in Zukunft noch rauer werden.
Unterstützung aus Europa nötig
Vieles deutet daraufhin, dass SaudiArabien – mit US-Rückendeckung – den Iran künftig herausfordern könnte. Den von Rohani gewählten „Pfad des Dialoges mit dem Rest der Welt“lehnen die Machthaber auf der arabischen Halbinsel im Moment ab. Um seinen Kurs der Mäßigung fortzusetzen, braucht Irans Staatschef daher auch Unterstützung aus Europa. Die pragmatischen Kräfte um Rohani sollten nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unterstützt werden. Es wäre fatal, die mit seiner Wiederwahl erneut zum Ausdruck gebrachten Hoffnungen und Sehnsüchte der prowestlichen Bevölkerungsmehrheit im Iran zu ignorieren.