Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Echtes Flohmarktwetter und internationale Besucher
Eine kleine Bilanz des Riedlinger Flohmarkts
RIEDLINGEN - Ein Festtag im Riedlinger Jahreslauf ist vorüber: der Riedlinger Flohmarkt. Wie eh und je hat der Flohmarkt am Samstag die Massen in die Altstadt gezogen, wenngleich etwas weniger Besucher kamen als im vergangenen Jahr. Doch diese hatten zum Teil eine weite Anreise: bis aus Südamerika waren Gäste da. Die Stimmung war heuer etwas gedämpfter als die Jahre zuvor – aber schön war es allemal. Eine kleine Bilanz. Flohmarktwetter: Viele Unwägbarkeiten kann der Ausrichter des Flohmarkts, die Riedlinger Gemeinschaftswerbung (RGW), im Vorfeld durch gute Organisation ausräumen. Stände markieren, Pläne erstellen, Beschicker einweisen. Aber eines hat man nicht im Griff: das Wetter. Mit dem steht und fällt ein Flohmarkt. Und wie eh und je seit über 40 Jahren hatten die Riedlinger Glück und perfektes Flohmarktwetter: bedeckt und kein Regen. Entgegen allen Prognosen im Vorfeld. Früh am Morgen war es allerdings noch bitter kalt, wie die Händler berichteten. Drei Grad zeigte das Thermometer gegen 5 Uhr beim Aufbau an. Da waren noch Decken und ein Kaffee zum Aufwärmen erforderlich. Doch gegen neun kamen erste Sonnenstrahlen. Um 11 Uhr zog eine dicke Wolkenwand auf, Ungemach drohte. Aber Riedlinger Flohmarktwetter bleibt Flohmarktwetter. Ohne einen Tropfen Regen wurde der Markt abgewickelt. „Nächstes Jahr schaue ich gar nicht mehr auf die Wettervorhersagen“, sagt der RGW-Vorsitzende Frank Oster.
Besucher aus Südamerika: Der Flohmarkt zog dieses Jahr wieder Tausende von Besuchern an. Aber es waren etwas weniger Besucher als im vergangenen Jahr. Das zeigte sich auf den Parkplätzen, aber auch im Flohmarktgebiet. Es gab immer ein Durchkommen, auch die Engstellen – wie in der Donaustraßen – waren gut passierbar. Doch die, die kamen, waren wieder sehr angetan vom Charme des Markts in der Donaustadt. Und einige kamen von weit her. So wie Ulrike Verschuer. Die gebürtige Riedlingerin ist mit ihrem Mann und ihrer jüngsten Tochter aus Querétaro in Mexiko zum Flohmarkt angereist. Ulrike Verschuer, deren Eltern das Café Kern gepachtet hatten, ist immer bestens bekannt in Riedlingen, hat hier Abi gemacht und war auch in der KJG aktiv. Doch seit ihrer Hochzeit 1987 ist sie in Mexiko daheim. Und nun, 30 Jahre nach der Hochzeit, reisen sie und ihr Mann vier Wochen durch Europa und besuchen ihre Kinder. Ausgangspunkt: der Riedlinger Flohmarkt.„Man fühlt sich sofort wieder daheim“, sagt sie über Riedlingen. Auf dem Flohmarkt trifft sie jede Menge Bekannte und Schulfreunde. Auch beim Flohmarkttheater spielt eine Schulkameradin mit. Aber mit dieser weiten Anreise sind die Lintermanns nicht alleine. Auch Peter Timmler kam aus Mexiko zum Flohmarkt. Und auch so mancher Beschicker hat einen weiten Weg hinter sich: So wie Boris Roussell, der die 1000 Kilometer aus Bordeaux angereist ist. Im vergangenen Jahr kam er sogar aus Brasilien nach Riedlingen. Trödel, aber auch Antikes: Auf dem Flohmarkt gibt es fast nichts, was es nicht gibt: Dank geräumter Dachboden und Keller kann jeder an einem der rund 630 Stände fündig werden. Grazile Lüster lagen neben Metallwannen, Legospielzeug neben Glasgeschirr aus den 60-ern; alte Platten neben „Do-it-yourself“-Heften von 1959; funktionierende Telefone mit Wählscheiben neben Handwerkszeug von anno dazumal – und natürlich jede Menge Kisten mit Büchern. Aber dazwischen gab es auch an den Tischen echte Raritäten. So wie bei Manfred Mangei aus Kirchdorf und Werner Hornstein aus Weingarten. Die beiden stehen in der Grabenstraße nebeneinander und bieten Antiquitäten an. Etwa eine handgeschnitzte Marienfigur für rund 450 Euro. „Das kann sich jeder leisten“, sagt Mangei einer Frau, die sich dafür interessiert. Doch die nimmt dann doch wieder Abstand. Beide Händler kommen seit mehreren Jahren nach Riedlingen. Für sie ist es ein guter Markt, weil das Sortiment bunt gemischt ist. Aber die beiden sind auch auf echten Antikmärkten präsent. Der Handel mit Antiquitäten sei schwieriger geworden, die Sammler werden weniger, sagen sie. Allerdings: Die Leute kaufen bewusst und gezielt antike Gegenstände als Deko für ihre Wohnung. Gerade „Barock“sei wieder im Kommen.
Mit Musik...: Der Flohmarkt lebt vom Sehen und Gesehen werden, vom Handeln und Feilschen, vom Lachen und ins Gespräch kommen – aber auch die Musik macht einen großen Teil der Atmosphäre aus. An sechs Stellen in der Altstadt und auf dem Stadthallenplatz sind ab der Mittagszeit die unterschiedlichsten Stilrichtungen zu hören – Rock, Blues, jazzige Klänge, Pop oder auch Country. Und Publikum und Händler können mitwippen und mitsingen. Aber auch Straßenmusikanten sind zu Gast. So wie Alexander Roß, der ursprünglich aus Altheim stammt. Alexander over the Rainbow nennt er sich nun – und unterstreicht das mit seinem Äußeren. T-Shirt und auch kleine Hörner auf dem Kopf sind in Regenbogenfarben. Der Mann lebt als freier Künstler, singt ist aber auch in Zirkusschulen aktiv. „Straßenmusik ist am ehrlichsten“, sagt der Mann aus Ravensburg, der unten an der Donaubrücke die Flohmarktbesucher mit seiner Gitarre und folkigen Klängen unterhält. Da erhalte man direktes Feedback von den Besuchern. Auch in Riedlingen.
Besonderheiten: Die gesperrte Brücke hatte Einfluss auf den diesjährigen Flohmarkt. So musste das Marktgebiet etwas verändert werden. Die Stände auf der Brücke wurden in den Tuchplatz verlegt. Das habe gut funktioniert, sagt Frank Oster. Auf dem Tuchplatz war reger Betrieb. Der Zugang für Fußgänger wurde über die Innenstadt abgewickelt – und das lief erstaunlich problemlos. Aber der fehlende Zugang für Fahrzeuge zur Innenstadt hat gerade am frühen Morgen kurzzeitig für Hektik gesorgt, als Autos am Stadthallenplatz ankamen und eigentlich zum Kaplaneihaus wollten. Also mussten sie komplett um die Stadt fahren. Einmal habe er sich mit einem Händler ins Auto gesetzt, um ihn zu lotsen, erzählt Frank Oster. Ein anderes Mal konnte eine Händlerin den Weg zu ihrem Standplatz auch nach langem Suchen nicht finden und brach in Tränen aus. Doch auch ihr konnte geholfen werden. Um alle anfallenden Arbeiten zu erledigen, war Oster viel unterwegs. Sehr viel sogar. Am Ende des Tages zeigte sein Schrittzähler 28 Kilometer.