Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Temperamentvolle Tangos im Bohnenstengel
Jazzband Orchestra Mundo mit einem beeindruckenden Konzert – Sängerin mit Akkordeon verwachsen
BAD SAULGAU - Mit der Band Orchestra Mundo hat der Jazzverein Bad Saulgau fünf Vollblutmusiker gebucht, die ihre Zuhörer durch phänomenal interpretierte Tangos, Musette-Walzer und Swing-Hits in Bann schlugen. Als maßgeschneiderter Ort für das atmosphärisch dichte Konzert erwies sich die Gaststätte Bohnenstengel gegenüber dem Bahnhof in Bad Saulgau.
Das Quintett Orchestra Mundo hat hörbar bayrische Wurzeln, widmet sich jedoch der Weltmusik und tourt durch die Republik sowie das nahe Ausland. Quirliger Mittelpunkt der Band ist Anja Baldauf, die mit ihrem Akkordeon verwachsen scheint und sich bei ihren temperamentstrotzenden Einsätzen fast vom Hocker katapultierte. Auf der massiven Holzbank an der Fensterseite des Raums hatte sich Titus Waldenfels einquartiert, der nicht nur durch Gitarrenriffs glänzte, sondern auch an Banjo und Trichtergeige eine respektable Vorstellung gab. Dahinter bearbeitete Stefan Baldauf versiert das Schlagwerk und unterstrich mit klug dosierter Lautstärke den Charakter der einzelnen Stücke. Links daneben hatte Jörg Heß Aufstellung genommen, wo er seine Qualitäten als Kontrabassist in die Waagschale warf.
Die Riege der Bläser vertrat Thomas Bouterwek, der sich mit fulminanter wie farbenreicher Spielweise als Meister des Alt- und Tenorsaxophons erwies.
Bereits beim Auftaktstück zeigten sich die Musiker als Solisten mit viel Improvisationspotenzial ebenso wie als Teamplayer, die sich nahezu blind verstanden und einen hinreißenden Gesamtklang erzeugten. So wechselten bei einem argentinischen Tango von Astor Piazolla Schwermut mit überbordender Lebensfreude, was sich in moderaten Passagen, gefolgt von atemberaubendem Tempo niederschlug.
Frontfrau Anja Baldauf war nicht nur als Akkordeonvirtuosin, sondern auch als Moderatorin im Einsatz und dies auf sehr persönliche Art. So versuchte sie das Publikum auf die Tanzfläche zu locken, die „Bohnenstengel“-Wirt Christian Pfeiffer extra freigeräumt hatte. Doch angesichts der vielen rasanten Tempostellen fehlte anfänglich die Resonanz. Das änderte sich erst, als Filmmusik ins Spiel kam wie „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“aus „Die Drei von der Tankstelle“oder „Das gibt’s nur einmal“aus „Der Kongress tanzt.“Klar, dass einige Damen und Herren auch bei Caterina Valentes Ohrwurm aus den Sechzigerjahren, „Spiel noch einmal für mich, Habanero“, die Tanzlust packte. Anja Baldauf hatte den Titel aus Erinnerungsgründen ins Programm genommen, da sie als Teenager die Entertainerin zu ihrem absoluten Idol erkoren hatte. Ein Ausflug in die ungarische Gipsymusik erinnerte an ein Stück, das die Moderatorin als junge Teilnehmerin einer Akkordeontournee gehört und erst vor kurzem als „Glem, Glem“wieder entdeckt hatte.
Erinnert an Schrottplatz
Dabei griff Titus Waldenfels zur Trichtergeige, die laut Anja Baldauf an einen Schrottplatz erinnerte. Doch er spielte dieses Instrument so souverän, dass selbst der Stargeiger Django Reinhardt seine Freude gehabt hätte. Mit einem Ragtime aus New Orleans kletterte das Stimmungsbarometer weiter und schraubte sich zum Höhepunkt, als die Band den Tango „La Comparsita“als Feuerwerk aus Rhythmik und Tempo inszenierte. Am Ende des Konzerts forderten Applaus und Klatschen der Zuhörer eine Zugabe, die in Form eines gefühlvollen „Tanze mit mir in den Morgen“gewährt wurde.